Freizeitsport:Ständig auf Kreuzfahrt

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Ringtennis ist hierzulande unbekannt, dabei spielt eins der besten deutschen Teams in Neubiberg

Von Stefan Galler, Neubiberg

Die Spieler stehen sich in ihren rechteckigen Spielfeldern gegenüber, getrennt durch ein 1,55 Meter hohes Netz. Dann beginnen sie, einen gelben Moosgummiring ins Feld des Gegners zu schleudern, mal in hohem, weitem Bogen, mal kurz übers Netz. Der verteidigende Akteur fängt den Ring und versucht seinerseits in einer flüssigen Bewegung einen unerreichbaren Wurf anzubringen. Es sieht ein bisschen aus wie Badminton, nur deutlich langsamer - und eben ohne Schläger.

Ringtennis heißt diese ungewöhnliche Sportart, deren Wurzeln nicht wirklich belegbar sind. Man geht davon aus, dass sie in Südindien erfunden wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen erstmals Europäer damit in Berührung, sie wurde auf Kreuzfahrtschiffen praktiziert. Sozusagen als Ersatz für das herkömmliche Tennisspiel, dessen Courts an Deck zu viel Platz in Anspruch genommen hätten. Man schrieb das Jahr 1925, als der Karlsruher Kommunalpolitiker Hermann Schneider auf einer Überfahrt in die Vereinigten Staaten Ringtennis entdeckte. Er war so begeistert, dass er den Sport nach Deutschland importierte und in seiner Heimatstadt gleich mal 60 Spielfelder anlegen ließ - bis heute ist beispielsweise das Rheinstrandbad Rappenwört ein Mekka der Ringtennisszene.

In Karlsruhe hatte sich auch Klaus Riehm in seiner Jugendzeit mit der Sportart vertraut gemacht. Als er 1993 aus beruflichen Gründen nach München umzog, suchte er hier eine neue sportliche Heimat - vergeblich. "Ich hatte die Wahl, mir eine andere Disziplin zu suchen oder selbst etwas Neues aufzubauen", erzählt Riehm. Der Badener entschied sich dafür, den Ringtennissport im Großraum München zu etablieren. Er fragte bei den unterschiedlichsten Vereinen in der Stadt und im Umland an, ob sie Interesse hätten an einer neuen Sportart. Der TSV Neubiberg reagierte prompt und installierte eine eigene Abteilung. Bei einem Probetraining, zu dem 25 Neugierige kamen, gewann Riehm dann schon eine ganze Reihe Mitstreiter. Und in den vergangenen 20 Jahren wuchs die Abteilung kontinuierlich. "Viele Zuzügler aus Ringtennis-Hochburgen wie Mannheim, Konstanz, Siegen oder auch Hamburg haben sich uns angeschlossen", sagt Riehm, der heute 30 aktive Spieler in seiner Abteilung hat.

Vom Deck in die Halle: Ringtennis war früher auf Schiffsreisen beliebt, von dort hat sich die Sportart auch bis nach Neubiberg verbreitet. (Foto: Lukas Barth)

Die besten spielen in der ersten Mannschaft, die an Spieltagen aus zwei Frauen und zwei Männern besteht. "Der Modus ist vergleichbar mit dem Davis-Cup im Tennis", sagt Riehm. Die beiden Männer spielen je ein Einzel und gemeinsam ein Doppel, gleiches gilt für die Frauen. Und dann werden jeweils noch zwei Mixed-Teams gebildet, die ebenfalls gegeneinander antreten. Für jeden Sieg in einem Einzel, Doppel oder Mixed gibt es zwei Punkte, maximal 16 sind also bei einem nationalen Teamwettkampf zu vergeben. Bundesweit bieten etwa 50 Klubs Ringtennis an. Und die sind flächendeckend auf ganz Deutschland verteilt, lediglich die neuen Bundesländer seien Ringtennis-Diaspora, sagt Riehm. "In der DDR wurden eben nur olympische Sportarten gefördert."

Drei Regionalligastaffeln gibt es, die besten Teams aus dem Norden, der Mitte und dem Süden spielen dann den deutschen Meister aus. Die Neubiberger sind in der Regionalliga Süd zu Hause, in dieser Saison haben sie sich als Zweiter ihrer Staffel hinter der SKG Roßdorf erstmals für die Endrunde um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft qualifiziert, die an diesem Samstag in Rodenbach/Neuwied bei Koblenz ausgetragen wird. "Es ist wirklich erstaunlich, damit haben wir nicht gerechnet", sagt Abteilungsleiter Riehm. Zuletzt habe man den Kader umbauen müssen, junge Leute integriert. Und die Mannschaft mit einer indischen Top-Spielerin verstärkt, Arpitha Kagineregunduraj stellt laut Riehm einen enormen Qualitätsgewinn bei den Neubibergern dar.

Andererseits hat ein deutscher Nationalspieler den Verein vor der Saison verlassen: Alexej Ermak steht dem TSV wegen seines Studiums derzeit nicht zur Verfügung. Er gehörte im vergangenen Jahr zum deutschen Team, das in Südafrika Weltmeister wurde, übrigens punktgleich, aber wegen des besseren Einzelmatch-Verhältnisses vor den Gastgebern. Darüber hinaus gewann Ermak, 2010 WM-Zweiter im Einzel, mit Partner Julian Sauck Bronze im Doppel. Von den bisherigen drei Weltmeisterschaften, die seit 2006 im vierjährigen Rhythmus ausgetragen wurden, gingen zwei Team-Titel an deutsche Ringtennis-Spieler. Nur im August 2010 im eigenen Land musste man den Südafrikanern den Vortritt lassen. "Ein bisschen wie beim Fußball 2006", sagt Klaus Riehm. "Auch wir haben das Sommermärchen leider nicht geschafft."

© SZ vom 13.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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