Süddeutsche Zeitung

FC Bayern und die Österreicher:Transalpine Wertschöpfungskette

Der FC Bayern holt vermehrt junge Kicker aus Österreich. Weil sie talentiert sind. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Benedikt Warmbrunn

Es war ein angenehmer Frühlingstag Mitte April, und Dietmar Constantini machte sich auf den Weg von Innsbruck nach München. Der Trainer der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft wollte Spieler beim FC Bayern beobachten, er fuhr also nicht zur Arena nach Fröttmaning, sondern zum Stadion an der Grünwalder Straße. Constantini verfolgte das Spiel des FC Bayern II gegen Wacker Burghausen.

Werner Kern liebt diese Anekdote. Der Nationaltrainer Österreichs auf einem der alten Plastiksitze im Grünwalder Stadion, "das war wahnsinnig". Es geht Kern, dem Leiter der Nachwuchsausbildung beim Rekordmeister, dabei nicht um das Potential der begutachteten David Alaba und Christoph Knasmüllner; deren Begabung steht für ihn außer Frage. Dass Constantini sich ein Spiel des FCBayern II anschaut, darin sieht Kern ein Kompliment für die jüngste Tendenz im Verein: die vielen Verpflichtungen von Talenten aus Österreich. "Das ist naheliegend", sagt Kern dazu, "das ist eine ganz natürliche Entwicklung."

Zehn Österreicher spielen aktuell für den FC Bayern München: Alaba bei den Profis, Knasmüllner in der zweiten Mannschaft, die anderen in den Jugendmannschaften. Erst in der vergangenen Woche hat der Klub die Verpflichtung von zwei U17-Nationalspielern aus Österreich bekannt gegeben, Kevin Friesenbichler und Dominik Traunmüller werden in der nächsten Saison für die A-Jugend spielen. "Die Österreicher haben dieselbe Sprache, dieselbe Kultur, sie haben keine Probleme in der Schule", sagt Kern. "Da gibt es keine Eingewöhnungsprobleme."

Der Beginn dieser Entwicklung liegt im Jahr 2000. Damals gründete der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008 im eigenen Land und in der Schweiz die Initiative "Challenge 2008". Es wurden Landesleistungszentren eingerichtet, die Bundesligavereine erhielten Nachwuchsleistungszentren. Das Nationalteam profitierte 2008 nicht davon, das Team scheiterte in der Vorrunde mit einem Punkt, unter anderem an Deutschland.

Hohes Marketingpotential

Doch nur zwei Wochen nach der 0:1-Niederlage des ÖFB gegen die DFB-Auswahl wechselten drei Talente aus der Alpenrepublik nach München: Christian Derflinger, damals 14 Jahre alt, sowie eben Alaba und Knasmüllner von Austria Wien. "Die machen da drüben einen super Job", lobt Kern, "die Spieler sind für alles veranlagt, alles gute Fußballer, die können mit der Kugel umgehen, haben ein Auge fürs Spiel."

Werner Kern begeistert sich vor allem für das fußballerische Potential der Spieler aus dem Nachbarland. Er verweist aber auch, "nur ganz nebenbei", auf das damit verbundene Marketingpotential. 80 Prozent der österreichischen Fußballfans sind, so Kern, Fans des FC Bayern, "das wäre ja blöd, das nicht zu nutzen". Seit Alaba in der ersten Mannschaft debütiert hat, gebe es verstärkt Ticketanfragen aus Österreich, vor allem bei den Champions-League-Spielen. Da sei noch viel mehr möglich, glaubt Kern. In seinem Umfeld würden sie alle schwärmerisch über diese Entwicklung reden, aber das ist das Umfeld von Werner Kern, und "das ist nicht repräsentativ". Dennoch hofft er: "Bei diesem Riesenfanpotential wäre es eine Riesengeschichte, wenn ein Österreicher Stammspieler bei den Profis werden würde." Riesig.

In Zukunft wird es jedoch in der Jugend weniger Zugänge aus Österreich geben. Die neuen Fifa-Richtlinien haben hohe Ausbildungsentschädigungen zur Folge, "das muss man sich jetzt dreimal überlegen". Kevin Friesenbichler war so einer, bei dem sich das gelohnt hat, "ein Typ Mario Gomez". Dessen Probleme bei der Eingewöhnung sollte Friesenbichler nicht haben. Aber der echte Mario Gomez ist ja auch ein Schwabe.

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SZ vom 22.06.2010/tob
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