FC Bayern II:Lehrstunde in Unterzahl

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Schwerer Gang: Bayern-Verteidiger Arrey-Mbi, eben erst von einem Muskelfaserriss genesen, verlässt nach seinem Platzverweis in Lübeck das Spielfeld. (Foto: imago images)

Die Bayern-Amateure unterliegen Aufsteiger VfB Lübeck deutlich mit 0:3. Knackpunkte sind ein früher Platzverweis gegen den 17-jährigen Bright Akwo Arrey-Mbi und zu viele Abwehrschwächen.

Von Stefan Galler, München

Eine gute halbe Stunde war gespielt, da lief ein Angriff der Lübecker über die rechte Seite. Yannick Deichmann marschierte die Linie entlang, Bright Akwo Arrey-Mbi kreuzte seinen Weg und ging kompromisslos, zudem ohne die ganz große Chance auf den Ball, in diesen Zweikampf. Dummerweise hatte der erst 17 Jahre alte Abwehrspieler des FC Bayern II gut zehn Minuten zuvor bereits eine gelbe Karte gesehen. Und weil Tobias Fritsch aus Mainz Schiedsrichter und kein Sportpädagoge ist, hielt er sich streng ans Regelwerk und stellte den jungen Mann in seinem erst dritten Drittligaspiel vom Platz. Eine knappe Stunde in Unterzahl zu spielen überforderte die junge Bayern-Elf, am Ende stand ein 3:0 (0:0)-Erfolg der Lübecker zu Buche.

Arrey-Mbi, der im Rheinland geboren wurde und als Kind mit seiner Mutter nach England ging, weil sie dort eine Arbeitsstelle antrat, wurde beim FC Chelsea ausgebildet und kam 2019 zum FC Bayern, wo er sich schnell in der U19 etablierte und regelmäßige Einsätze in der A-Junioren-Bundesliga und Uefa-Youth-League hatte. Und am Ende der vergangenen Saison war der frühere englische U15- und aktuelle deutsche U17-Nationalspieler sogar mit dem Profikader zum Finalturnier um den Champions-League-Titel nach Lissabon gereist. Bayern-Trainer Holger Seitz wusste natürlich sehr genau, welch große Bedeutung der Platzverweis gegen den Youngster letztendlich für den Spielausgang hatte: "Das war schon der Knackpunkt, aber das gehört dazu. Unsere Aufgabe ist, dass die Spieler aus solchen Fehlern die richtigen Schlüsse ziehen und dass wir ihnen Hinweise geben, wie sie solche Situationen künftig besser lösen können", sagte der Coach, der sein Team gegen den Aufsteiger zu Beginn gut gesehen hatte: "Wir haben ein paar Situationen nicht endgültig fertig gespielt." Mit einer eigenen Führung "hätte das Spiel eine Dynamik in unsere Richtung nehmen können", so Seitz weiter.

Die beste Bayern-Chance in der Anfangsphase hatte Leon Dajaku nach glänzendem Zuspiel von Maximilian Zaiser, doch der zog seinen Schuss knapp von links am langen Pfosten vorbei (12.). Auf der Gegenseite setzte Martin Röser einen Freistoß ans Außennetz (20.), ein Kopfball von Tommy Grupe flog knapp übers Tor (24.). Es folgte die Ampelkarte gegen Arrey-Abi (31.) - und vier Minuten später die nächste gute Chance für die dezimierten Bayern: Timo Kern führte einen Freistoß schnell aus, plötzlich stand Nicolas Kühn frei vor dem Lübecker Tor, doch Torwart Lukas Raeder wehrte mit dem Fuß ab.

Jener Raeder, der einst den Kasten der Bayern-Amateure gehütet hatte, jedoch über die Rolle des Hoffnungsträgers nie hinausgekommen war, ehe ihm schließlich im Drittliga-Aufstiegsspiel gegen Fortuna Köln 2014 der entscheidende Fehler unterlief. Seit 2019 ist er nun die unumstrittene Nummer eins beim VfB Lübeck, am Sonntag behielt er gegen seinen ehemaligen Verein eine weiße Weste.

Und vorne machten die Kollegen dann insbesondere nach der Pause einen guten Job. Keine zwei Minuten nach Wiederbeginn führte ein flach in Richtung Elfmeterpunkt gespielter Eckball von Röser zum 1:0: Deichmann traf per Direktabnahme exakt ins linke Eck. Der Treffer brachte Bayern-Coach Seitz völlig auf die Palme: "Ziel war es, möglichst lange die Null zu halten und dann gehst du raus und kriegst so ein Gegentor. Das darfst du dir in der dritten Liga nicht erlauben."

Die Münchner versuchten, den Druck zu erhöhen, doch Abschlusssituationen gab es praktisch nicht, Lübeck stand gut und schaltete dann selbst noch einmal einen Gang nach oben: Der eingewechselte Pascal Steinwender machte sogleich viel Theater in der Offensive, ein Zuspiel auf Deichmann konnte Bayern-Torwart Ron-Thorben Hoffmann gerade noch abfangen, doch nur Sekunden später hatten die Lübecker den Ball schon wieder und Steinwender rannte von halbrechts in den Strafraum - mit einem strammen Schuss bugsierte er die Kugel zum 2:0 ins kurze Eck des FCB-Tores (73.).

Die Sache war durch, doch die Lübecker, denen der vierte Sieg in Serie gelang, hatten noch nicht genug: Diesmal tankte sich Steinwender links durch, seinen Pass zur Mitte drückte der ebenfalls eingewechselte Ersin Zehir aus kurzer Distanz über die Linie (78.). Dass es beim 3:0 blieb, war dann VfB-Torwart Raeder zu verdanken, der einen strammen Kopfball des Münchner Verteidigers Josip Stanisic glänzend abwehrte (80.) und damit zeigte, dass er sehr wohl ein ausgezeichneter Schlussmann ist. "Beim 0:2 und 0:3 haben wir sehr schlecht verteidigt, so hat man keine Chance, hier etwas mitzunehmen", sagte Holger Seitz dann noch und verwies schon mal auf das Derby am Mittwoch (19 Uhr) gegen den FC Ingolstadt: "Ich bin überzeugt, dass wie es viel besser können als wir es heute gezeigt haben."

Dagegen war Lübecks österreichischer Trainer Rolf-Martin Landerl von der Leistung seiner Elf angetan. Vor allem, weil sie ihre Überzahl in der zweiten Halbzeit "sehr erwachsen ausgespielt" habe. "Wir haben auf unsere Chancen gewartet und sind diszipliniert geblieben."

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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