FC Bayern Basketball:Energielos in Europa

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Die 30-Punkte-Abreibung in Belgrad schmerzte die Bayern um Greg Monroe (r.) besonders. (Foto: Predrag Milosavljevic/dpa)

Nach dem 63:93 in Belgrad, der höchsten Niederlage in der Amtszeit von Dejan Radonjic, hebt eine Debatte an, die sich auch um den Trainer dreht.

Von Felix Haselsteiner, Belgrad/München

Lorenzo Brown musste nicht lange über eine Antwort auf die Frage nachdenken, warum der KK Roter Stern Belgrad am Donnerstagabend den FC Bayern München nach Strich und Faden auseinandergenommen hatte. "Unsere Energie war der Unterschied", sagte Brown, mit 15 Punkten, sechs Rebounds und sieben Assists klar der beste Spieler auf dem Feld und somit in gewisser Weise hauptverantwortlich für die deutliche 63:93-Niederlage der Münchner in der Basketball-Euroleague. Browns Erklärung war knapp formuliert, aber vollkommen richtig: Etwa 90 Sekunden lang hatte der FC Bayern vor knapp 17 000 Zuschauern in der Belgrader Arena mithalten können, hatte 6:0 geführt - um dann auf eine bemerkenswert lethargische Art und Weise zu kollabieren. Die deutliche Niederlage von Belgrad ist der Tiefpunkt in einer bislang enttäuschenden Euroleague-Saison.

Sechs Siege, elf Niederlagen und in der Gesamtaddition ein Minus von 144 Punkten, der schlechteste Wert aller Mannschaften in der höchsten europäischen Spielklasse: So lauten die desaströsen Zahlen nach den ersten 17 von 34 Spieltagen. Bis auf das Gastspiel in Berlin gingen zudem alle Auswärtsspiele verloren. Die Münchner sind aktuell weit von der europäischen Elite entfernt, zu der sie eigentlich schrittweise aufschließen wollten, so das ernüchternde Halbzeitfazit. Playoff-Ambitionen hatte die Vereinsführung vor der Saison zwar nicht wirklich offensiv gefordert, aber insgeheim darauf gehofft, dass es dank des Investitionsprogramms im Sommer doch klappen könnte.

Sieben neue Spieler hatten die Bayern verpflichtet und eine hochkarätige Mannschaft zusammengestellt, die man so im deutschen Basketball zuvor noch nicht gesehen hatte. Wirklich eingeschlagen hat von den Zugängen nur der Größte: Greg Monroe bringt seine Erfahrung aus mehr als 600 NBA-Spielen ein, ist statistisch in fast allen Belangen bester Münchner und erzielte auch gegen Belgrad 20 Punkte. Ansonsten? Paul Zipser trifft zwar konstant, kann aber die Mannschaft nicht durch Schwächephasen tragen. Josh Huestis und Matthias Lessort haben Potenzial, tun sich aber offensichtlich mit der taktischen Umsetzung schwer. DeMarcus Nelson und Diego Flaccadori konnten bislang nicht zeigen, dass sie europäischen Topniveau mitbringen. Und auf T.J. Bray, den besten BBL-Spieler der vergangenen Saison, wartet man noch: Bislang fiel der Zugang aus Vechta mit einer Fußverletzung aus. Wie schnell er in der Rückrunde zu seiner Form findet, ist eine unbekannte Größe.

So sehr die vielen hochklassigen Zugänge bislang Thema waren, so deutlich wird mittlerweile, dass die drei Weggänge doch schwerer ins Gewicht fallen. Stefan Jovic und Devin Booker spielen bei Khimki Moskau wichtige Rollen, vor allem Jovics Spielführung könnte man in München aktuell gut gebrauchen. Bereits vor dem Saisonstart hatte Trainer Dejan Radonjic einen adäquaten Ersatz für seinen Spielmacher gefordert. Maodo Lo, der diese Qualitäten zeigt, braucht angesichts des fordernden Programms Entlastung, die weder Nelson noch Flaccadori bringen können. Und dass den Münchnern die energischen Dunks und Blocks von Derrick Williams (Fenerbahce Istanbul) abgehen, fiel in Belgrad nicht nur Lorenzo Brown auf.

Bis auf Monroe wehrte sich keiner der Münchner vehement genug gegen die Niederlage, immer wieder ließ sich gerade die Defensive leicht ausspielen. Dazu bescherten Aussetzer von Petteri Koponen oder später Leon Radosevic, die Fouls herschenkten und Bälle im Aufbau leichtfertig verloren, für freie Punkte beim Gegner. Schmerzlich vermisst wurde zudem der verletzte Kapitän Danilo Barthel.

Radonjic quittierte die Leistung der Bayern in einem Time-out im zweiten Viertel mit einem entrüsteten "Shame on you!", schämen sollten sie sich für die höchste Niederlage in der Amtszeit des Montenegriners.

Langsam, aber sicher gerät nun auch Radonjic unter Zugzwang. Die schwache defensive Organisation gegen Belgrad und auch schon vor einer Woche bei der 73:98-Heimniederlage gegen Kaunas wird der sportlichen Leitung um Geschäftsführer Marko Pesic und Sportdirektor Daniele Baiesi nicht entgangen sein. Und überhaupt: Der Trainerposten bei den Bayern-Basketballern ist bekannter Maßen äußerst begehrt: Das Budget, der Kader und die langfristige Ausrichtung sind vielversprechend. Um in den nächsten Jahren tatsächlich mit den Topteams aus Spanien, Russland und der Türkei mitspielen zu können, wird es jedoch einen Trainer brauchen, der aus einer gut besetzten Mannschaft das Maximum herausholt. Die Diskussion, ob Radonjic, seit 2018 in München und durchaus ein beliebter Charakter, dafür der Richtige ist, dürfte nun an Fahrt aufnehmen.

Bislang verhindern die guten Ergebnisse in der Bundesliga (13 Siege aus 13 Spielen) eine offene Trainerdiskussion, doch wie bei den Fußballern des FC Bayern gilt mittlerweile auch bei den Basketballern, dass die Meisterschaft Pflicht ist. Bislang findet keine Bundesligamannschaft ein Mittel gegen Monroe und die starke Bank, von der die Münchner stets nachlegen können. An diesem Sonntag (15 Uhr) darf es die letztjährige Überraschungsmannschaft aus Vechta probieren. Sie könnte die Bayern möglicherweise noch tiefer in die Krise stürzen.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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