Euroleague:In russischen Betten

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Gib den Ball her: Münchens Paul Zipser (li.) macht da für den ehemaligen Teamkollegen Devin Booker keine Ausnahme. (Foto: Oryk Haist/imago)

Die Basketballer des FC Bayern treten in dieser Woche gegen die beiden Moskauer Teams an. Vor allem gegen Schlusslicht Khimki ist im Kampf um die Playoffs ein Sieg Pflicht, bei Titelverteidiger ZSKA sind die Münchner Außenseiter .

Von Ralf Tögel, München

Eineinhalb Nächte im eigenen Bett, so hatte Andrea Trinchieri vorgerechnet, war der Lohn einer harten Arbeitswoche in der Ferne. Eine Woche waren die Basketballer des FC Bayern unterwegs, mit Spielen in Mailand und Bayreuth. Doch dem Mini-Heimaturlaub in München folgte bereits am Montag die Abreise zum nächsten Auswärtstrip: Mit einem Charterflieger ging es ins knapp 2000 Kilometer entfernte Moskau, wo am Dienstag das Spiel bei Khimki und am Freitag das bei ZSKA (jeweils 18 Uhr) ansteht. Immerhin wird die Woche am Sonntag mit der BBL-Spitzenpartie gegen Crailsheim in eigener Halle abgeschlossen.

Khimki hat den Trainer gefeuert und zwei Spieler entlassen, darunter den ehemaligen Münchner Greg Monroe

Bis dahin müssen die Münchner Profis mit russischen Hotelbetten Vorlieb nehmen, immerhin werden sie beim Gastspiel in der Peripherie Moskaus ein paar bekannte Gesichter treffen. Publikumsliebling Devin Booker und Spielmacher Stefan Jovic hatten sich ja vor einem Jahr von den Moskauern locken lassen, vor dieser Saison war Center Greg Monroe dem lukrativen Ruf in den Osten gefolgt. Dem aber werden die Ex-Kollegen nicht mehr begegnen, denn der Vertrag des ehemaligen NBA-Spielers wurde gerade aufgelöst, wie der von Jonas Jerebko, der ebenfalls eine illustre NBA-Vergangenheit aufweist. Dies sind nur die jüngsten Turbulenzen beim russischen Topteam, dessen Saison bis dato gewaltig in die Hose ging. Eigentlich hatte der Klub Trainer Rimas Kurtinaitis einen kostspieligen und edlen Kader um Topstar Alexej Shved, der aktuell die zweitmeisten Punkte in der Euroleague sammelt und die meisten Assists gibt, zusammengebastelt. Der Plan war, in der europäischen Beletage oben anzugreifen, doch dann ging fast alles schief. Mehrmals wurde das Team vom Coronavirus gebeutelt, zudem war und ist die Zahl der Verletzten ungewöhnlich hoch. Khimki ist mit 2:18 Siegen abgeschlagener Letzter und wohl der einzige Klub, der die Playoffs bereits abschreiben kann. Eine nicht enden wollende Niederlagenserie, mittlerweile hat Khimki zwölfmal in Serie verloren, kostete nun auch Coach Kurtinaitis den Job. Für ihn hat Co-Trainer Andrey Maltsev übernommen. Die Probleme sind dadurch nicht kleiner geworden. Zuletzt fehlte neben Shved auch das ehemalige Bayern-Duo Booker und Jovic. Ob sie am Dienstagabend mitwirken können, scheint fraglich.

Ein Erfolg ist für die Münchner folglich Pflicht, damit die nach wie vor gute Ausgangsposition im Ringen um einen der acht Playoff-Plätze nicht gefährdet wird. Der FCB ist derzeit mit einer Bilanz von 12:9 Siegen Siebter, gefolgt allerdings von gleich vier Teams, die nur einen Sieg schlechter dastehen. Und wer würde sich für den dringend benötigten Sieg besser eignen als der chancenlose Tabellenletzte? Auch wenn der Gegner angeknockt scheint, auch wenn Khimki nicht in Bestbesetzung spielt, ein Selbstläufer wird dieses Gastspiel sicher nicht. Der kollektive Aussetzer bei der 51:75-Pleite in Mailand sollte Warnung genug sein, die nötige Seriosität an den Tag zu legen, zumal die Tabelle eng wie nie ist und nahezu jeder jeden schlagen kann. "Das haben wir einfach noch nicht richtig verstanden", warnt etwa Paul Zipser.

In Moskau sind wieder Zuschauer zugelassen, von 50 Prozent Hallenkapazität ist die Rede

Auch sein Trainer rät zur Vorsicht: "Khimki ist, wen auch immer sie dabeihaben, auf jeden Fall ein sehr talentiertes Team. Ich muss meiner Mannschaft klar machen, dass wir auf diesen Gegner ohne einen Blick auf die Tabelle schauen müssen. Denn das Ranking ist nur die Konsequenz aus vielen Einflüssen, ihr Talent ist aber nicht der Grund dafür." Dem Italiener dürfte der Mailand-Schreck noch im Kopf stecken, auch die personelle Situation verspricht keinen entspannten Abend. Denn neben dem angeschlagenen Kapitän Nihad Djedovic (Aufbautraining), Zan Mark Sisko und Robin Amaize, die bereits seit mehreren Wochen fehlen, kann nach seinem kurzen Comeback auch Topscorer Vladimir Lucic (Rücken) nicht mitwirken.

Der fünftägige Aufenthalt in Russland wird aber nicht nur anstrengend, er könnte auch ein Schritt zurück zur Normalität sein. In Russland sind neuerdings wieder Zuschauer zugelassen. Derzeit ist von 50 Prozent Kapazität in den Hallen die Rede. Das aber wäre nur für Khimki ein Vorteil.

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