Empfang für die Vereine:Barrierefrei mit Hindernissen

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München tut sich bei der Sportförderung schwer

Von Matthias Schmid, München

Es dauerte nicht lange, bis die verbalen Kränze von Christine Strobl auf den Boden der harten Wirklichkeit prallten. Bis zum Jahr 2018 investiere die Stadt München 50 Millionen Euro in die Infrastruktur des Sports, schwärmte Münchens Dritte Bürgermeisterin beim Stehempfang für die Sportvereine am Donnerstagabend im Festsaal des Alten Rathauses. Dringend benötigte neue Hallen würden entstehen oder saniert, Freiplätze gebaut, und das Erfreulichste: "Alle Anlagen sind dann barrierefrei zu erreichen ", jubelte Strobl. Als sie wenig später einigen verdienten Sportfunktionären die Ehrennadeln der Stadt in Silber und Gold aushändigte, musste sie allerdings erst eine noch vorhandene Barriere überwinden. Um die beiden Preisträger im Rollstuhl auszuzeichnen, musste sie von ihrem Rednerpult auf der Empore erst drei Stufen zu ihnen hinabsteigen - an eine behindertengerechte Rampe hatte niemand gedacht.

Margit Quell vom Rollstuhltanzsportverband München überspielte den leicht peinlichen Moment ebenso mit einem Lächeln wie später Wolfgang Steuer; der langjährige Präsident des Rock-'n'-Roll-Weltverbandes erhielt an diesem Abend unter großem Applaus den Ehrenring der Stadt München in Gold.

Steuers Auszeichnung war Strobl ein persönliches Anliegen, da sie einst als kleines Mädchen zu tanzen begonnen habe, wie sie erzählte. Mit Bällen fühlt sich die SPD-Politikerin deutlich unwohler. Das wurde schnell ersichtlich. Strobl traute sich nicht, die fair produzierten Fuß- und Handbälle in die Schar der Gäste zu werfen, wie es auf ihrem Redemanuskript vermerkt war. "Das wäre für alle Anwesenden eine Gefahr", argwöhnte sie. Also holte sie sich Hilfe von Sportamtsmitarbeiter Michael Asbeck. Den letzten Ball warf Strobl dann selbst ins Publikum, flach, hart und mit links. Die gute Nachricht: Alle Anwesenden blieben unverletzt.

Die Bälle ("Bitte achten Sie bei Ihrer Bestellung darauf, damit wir Kinderarbeit verhindern") waren Strobl genauso ein Anliegen wie ihr Appell, sich um die Flüchtlinge in München zu kümmern. "Sie alle leisten ja schon sehr viel soziale Arbeit und wissen aus Ihrem täglichen Engagement, wie wichtig Interkulturalität und Integration ist", sagte Strobl in ihrer Ansprache.

Alle zwei Jahre lädt die Landeshauptstadt Funktionäre aus Vereinen und Organisationen ein, um sich in ungezwungener Atmosphäre zu treffen und auszutauschen. Netzwerken heißt das auf Neudeutsch. Und es gab tatsächlich Nachrichten, die fast alle glücklich stimmen. So erhöhte die Stadt die jährlichen Zuschüsse an die Vereine um eine Million auf drei Millionen Euro. "Vielleicht haben Sie es schon auf ihrem Konto bemerkt", sagte Strobl. Vor allem für die Vertreter der Großklubs könne das bis zu 100 000 Euro zusätzlich ausmachen, sagte Hans-Ulrich Hesse, Vorsitzender des Sportbeirats der Stadt.

Dass München als Sportstadt im bundesweiten Ranking auf den dritten Platz hinter Hamburg und Berlin zurückgefallen ist, liege nicht am Geld, sondern an einem gravierenden Problem, "das ich für unlösbar halte", wie es Hesse ausdrückte: Es gebe im Stadtgebiet keine Flächen mehr, um neue Hallen und Freiplätze zu bauen. Zurzeit fehlten den Vereinen 100 Hallen-Einheiten. Daran würde auch das von Strobl angekündigte millionenschwere Programm bis 2018 nichts ändern. "Wegen der Münchner Bevölkerungsentwicklung stehen wir dann vor dem gleichen Problem wie heute und haben nur den Status quo erreicht", sagte Hesse. Vielleicht sollte München mal darüber nachdenken, neue Sportstätten auf den Dächern der Stadt zu entwerfen. Wie das zum Beispiel schon lange in Tokio der Fall ist. Dort schlagen Golffreunde ihre Bälle auch aus der zweiten, dritten oder vierten Etage ab.

© SZ vom 18.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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