Eishockey:"Wir brauchen eine Rettungsaktion"

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Der Etat: falsch berechnet. Der Geschäftsführer: krank. Der Trainer: genervt. Bei den Tölzer Löwen geistert das Wort Insolvenz umher

Von Max Ferstl, Bad Tölz

Doug Irwin, Trainer des EV Regensburg, ist ein bekennender Anhänger von Gerhard Polt. Der Kabarettist ("Fast wia im richtigen Leben") versteht es, ernste Verhältnisse satirisch auf den Punkt zu bringen. So verdankt die Welt Polt unter anderem den schönen Aphorismus: "Ohne Geld wäre Armut gar nicht denkbar." Nun ist Doug Irwin im ganz real richtigen Leben selbst zum Protagonisten einer Geschichte geworden, die ein wenig an Polt'sches Kabarett erinnert.

Sie beginnt mit einem Gerücht (alternative Fakten, wie man heute zu sagen pflegt), das man sich seit Weihnachten in Regensburg und Bad Tölz erzählt. Das Fachblatt Eishockey News hat es vorvergangene Woche verschriftlicht: Irwin soll in der kommenden Saison Trainer bei den Tölzer Löwen werden. Es gebe eine mündliche Zusage. Irwin bestätigte daraufhin der Mittelbayerischen Zeitung, er habe mit Tölz zwar "gesprochen". Aber - kleiner Unterschied - nicht "verhandelt". Davon wiederum wollte Hubert Hörmann, Vorsitzender des EC Bad Tölz (ECT) und Mitglied des Wirtschaftsbeirats der Tölzer Eissport Gesellschaft (TEG), nichts wissen: "Weder das Präsidium noch der Beirat haben ein einziges Wort mit Doug Irwin geredet." Ohne miteinander zu sprechen, könne man ja schlecht verhandeln, geschweige denn eine Zusammenarbeit vereinbaren.

Als nun der Eishockey-Oberligist EV Regensburg am vergangenen Freitag in Bad Tölz zum Punktspiel gastierte (und nach 0:3-Rückstand noch 4:3 nach Penaltyschießen gewann), griff Hörmann während der Pressekonferenz wütend zum Mikrofon und kanzelte vor versammelter Runde den Verfasser des Artikels ab, der seiner Meinung nach bewusst Unruhe habe stiften wollen. Am Ende reichte Hörmann Irwin die Hand, um zu demonstrieren, dass nicht mal eine Brieftaube ausgetauscht wurde: "Wir lernen uns jetzt kennen: Servus." Gelächter im Raum. Sogar Irwin, der stets ein seriöses Gesicht zur Arbeit trägt, knipste ein Lächeln an. Polt hätte sein typisches "Hehe" gekeckert.

Axel Kammerer, Trainer des Eishockeyklubs EV Landshut. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Für Hörmann kommt die Episode zur Unzeit, belegt sie doch, wie verquer die Tölzer Eishockeywelt aktuell ist. Gespräche mit "dem vielleicht teuersten Trainer der Liga" (Hörmann) wären angesichts der prekären Lage ein ziemlich unpassendes Signal. Denn seit Ende Januar ist auch bekannt: Die Löwen haben sich bei der Saisonplanung verkalkuliert. Am Ende der Spielzeit könnte ein sechsstelliger Betrag fehlen. Frei nach Polt: Eine Pleite ist ohne Geld sehr wohl denkbar.

Die Löwen haben bereits zwei Insolvenzen hinter sich, 2003 und 2009. Manche fühlen sich in diesen Tagen ungut an die Situation vor acht Jahren erinnert, als ein ehrgeiziger Geschäftsführer hoch hinaus wollte und den Traditionsklub in die Zahlungsunfähigkeit steuerte. Trainer damals war ein gewisser Axel Kammerer, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Denn der aktuelle Trainer in Bad Tölz heißt: Axel Kammerer.

Der Geschäftsführer der TEG heißt seit 2014 Thomas Maban. Mitte Dezember stand der Tegernseer im VIP-Raum der Tölzer Arena und blickte stolz hinunter auf die Eisfläche. Dort überrannten die Löwen gerade den hoch gehandelten EV Regensburg 4:1. Maban sprach über seinen Dreijahresplan, den "nächsten Schritt" im kommenden Jahr, den geplanten Aufstieg in die DEL 2. Die Mannschaft spielt so gut wie lange nicht, zuletzt hat sie sich bis auf einen Zähler an Spitzenreiter Selb herangeschoben. Das Team wird getragen von eigenen Nachwuchsspielern und erfahrenen Rückkehrern, die einst in Tölz das Spiel gelernt haben - ein Hauch von Eishockey-Romantik.

Das ist vielleicht die bitterste Pointe dieser Geschichte: dass sie so verheißungsvoll begann. Doch im Dezember, als man 24 von 27 möglichen Punkten holte, muss etwas gekippt sein. Nach SZ-Informationen sprach Maban mit Irwin und gab dem Gerücht, man wolle den "vielleicht teuersten Trainer der Liga" verpflichten, den Nährboden. Intern fiel unterdessen zum ersten Mal auf, dass die TEG diese Saison deutlich mehr ausgeben als einnehmen würde. Und es verfestigte sich schnell die Erkenntnis, dass ziemlich simple Fehler gemacht wurden.

Taxiert die Lage: Doug Irwin, EV Regensburg, der gerüchteweise der Nachfolger von Axel Kammerer werden soll. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Maban hat, so erzählt es Hörmann, bei der Höhe des Etats die Empfehlung des Beirats ignoriert. Der Beirat soll als Kontrollgremium der TEG eigentlich verhindern, dass die für den Spielbetrieb der Oberliga-Mannschaft zuständige GmbH Schulden anhäuft. Doch obwohl die Mannschaft auf dem Eis glänzt, kommen zu den Heimspielen weniger Zuschauer als erwartet, 1141 im Durchschnitt. Geplant hatte Maban mit 1200. Auch Sponsorenerlöse blieben aus. Als das größte Problem erweist sich freilich die Gehaltsstruktur. "Der Kader ist zu teuer", stellt Hörmann fest. Wie im Eishockey üblich sind mit den Spielern Nettogehälter vereinbart. Anders als bei Bruttogehältern trägt dabei der Klub ein hohes Risiko, denn das reale Gehalt hängt von der Steuerklasse des Spielers ab. Weder Maban noch die Kontrollinstanzen - ein Steuerberater und ein Controller - haben bemerkt, dass deutlich höhere Löhne fällig werden als ursprünglich gedacht.

Maban ist seit Januar krankgeschrieben. Hörmann sagt: "Es gibt keinen Kontakt, er ist für uns nicht erreichbar." Auf SZ-Anfrage sagt Maban immerhin, dass er sich zur Sache nicht äußern werde. Laut Hörmann hat inzwischen Birgitt Breiter die Vertretung der TEG übernommen. Das Spezialgebiet der Rechtsanwältin aus Holzkirchen: Insolvenzrecht.

Zwar sei die Lage nicht akut, versichert der ECT-Präsident, aber "wir brauchen schon eine Rettungsaktion, die nicht ganz ohne ist". Statt die neue Saison zu planen, muss Hörmann die aktuelle retten: "Wir können noch keine Verträge scharf machen, wenn wir nicht wissen, ob wir am Ende erfolgreich sind." Dass Axel Kammerer seinen auslaufenden Vertrag gerne verlängern würde, ist kein Geheimnis. Den Trainer nerven die ständigen Fragen nach seiner Zukunft und die Turbulenzen im Umfeld: "Das können wir überhaupt nicht brauchen. Jetzt, wo es in die heiße Phase geht." Stattdessen muss Kammerer in den Playoffs ohne Athletik- und Torwarttrainer auskommen. Von beiden hat sich der Klub aus Kostengründen getrennt. Kammerer sagt, er wolle sich "nur auf den Sport konzentrieren". Ohne Geld ist allerdings auch Spitzensport schwer vorstellbar.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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