Eishockey:Vertrackte Kontrakte

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Ein Verfahren gegen ehemalige Geschäftsführer der Tölzer Löwen offenbart eine dubiose Abrechnungspraxis im Profisport.

Matthias Köpf

Bei der Nachwuchsabteilung des EC BadTölz wird demnächst eine Überweisung in Höhe von 1000 Euro eintreffen. Anweisen wird das Geld Manfred Gröger, der die Geschäfte der Tölzer Löwen in der Eishockey-Oberliga führt und dies in der Saison 2005/06 schon einmal getan hat. Die Summe wird jedoch nicht aus dem in eine GmbH ausgelagerten Lizenzspielbetrieb der Tölzer stammen, sondern von Gröger selbst. Sie ist Teil der Geldbuße, gegen die das Amtsgericht Wolfratshausen am Montag ein Strafverfahren gegen Gröger und zwei weitere ehemalige Geschäftsführer der Tölzer Eissportgesellschaft (TEG) eingestellt hat. Die Anklage lautete auf "Vorenthalt und Veruntreuung von Arbeitsentgelt". Sie legte nahe, dass die TEG zu wenig Beiträge in die Renten- und Sozialversicherungen ihrer Spieler abgeführt hat - und zielte zugleich auf eine Praxis, wie sie im bezahlten deutschen Eishockey weit verbreitet ist.

Nach den Gepflogenheiten der Branche werden Spielerverträge im Profi-Eishockey auf der Basis von Netto-Gehältern plus Auto plus Wohnung ausgehandelt. Wie sich das in die von der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft (ESBG) geforderten Standardverträge übersetzen und mit dem deutschen Steuer- und Sozialrecht vereinbaren lässt, ist nicht die Sorge der Spieler und ihrer Berater, sondern die der Vereine und ihrer Geschäftsführer. So schilderten es am Montag im Zeugenstand der ehemalige Löwen-Spieler Marcel Waldowsky und Christian Urban, Diplom-Volkswirt und mittlerweile Kapitän der Mannschaft.

Die drei Angeklagten bewegten sich auf dünnem Eis. Die einander nachfolgenden Geschäftsführer Manfred Gröger, Alexander Metreweli und Horst Fussek haben das Netto-brutto-Problem in den Jahren 2005 bis 2008 offenkundig so gelöst, dass sich Spieler und Verein auf ein Netto-Gehalt nebst Auto und Wohnung einigten. Dann folgte der ESBG-Normvertrag mit einem Brutto-Entgelt, das laut dem ursprünglichen Strafbefehl zum Teil sogar unter dem Netto-Einkommen gelegen haben soll. Die Differenz sei mit pauschalen Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen ausgeglichen worden. Diese sind laut Gesetz frei von Steuern und Abgaben - jedoch nur dann, wenn sie nicht pauschal gezahlt, sondern für jeden Spieler und jeden Arbeitstag exakt abgerechnet werden.

Auf diese Praxis war eine Mitarbeiterin der Deutschen Rentenversicherung bei einer Betriebsprüfung im Jahr 2007 gestoßen, als sie unter den Akten auch die Netto-Verträge für eine Saison fand. Sie informierte den Rosenheimer Zoll, der Dutzende Aktenordner in Tölz beschlagnahmte. In all diesen Unterlagen fanden weder die Rentenprüferin noch die Zollermittler laut ihren Aussagen exakte Belege für tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertags- und Nachtarbeit, wie sie im Eishockey mit den steten Freitagabend- und Sonntagsspielen unvermeidlich ist. Stattdessen sei lediglich vor jeder Saison hochgerechnet worden, wie viel die Spieler sonntags und nachts arbeiten würden, um ihnen dann pauschal jeden Monat Zuschläge in gleicher Höhe zu überweisen. Von der tatsächlichen Zahl der Sonntagsspiele oder der Dauer nächtlicher Auswärtsfahrten schien den Ermittlern die Zahlung jedenfalls nicht abzuhängen. Grögers Argument, dass bei einer exakten Berechnung wohl noch mehr Zuschläge steuerfrei hätten gezahlt werden müssen, beeindruckte sie nicht. Laut Urban müssen die Tölzer Spieler ihre Arbeitszeiten erst seit "zwei oder drei Jahren" genau dokumentieren.

Die Anwälte der Angeklagten vermieden es am Montag tunlichst, in ihren Einlassungen über die Gehaltsvereinbarungen mit Spielern die Wörter "netto" und "Verträge" zu verwenden; die Prozessbeteiligten einigten sich in der fünfstündigen Verhandlung auf das englische Wort "contracts". Zu einer endgültigen Einigung kam es dann im Hinterzimmer: Amtsrichter Wolfgang Berger stellte mit der Zustimmung der Angeklagten das Verfahren ein. Gröger und Fussek zahlen dafür ein Bußgeld in Höhe von 90 Tagessätzen für soziale Zwecke, Metreweli kommt ob seiner kürzeren Amtszeit mit 60 Tagessätzen davon. Er habe dieser Lösung "aus ökonomischen Gründen zugestimmt", um nicht weitere Zeit vor Gericht zu verbringen, sagte der ehemalige Finanzbeamte und jetzige Steuerberater Gröger: "Gerecht ist das alles nicht."

© SZ vom 01.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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