Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Lawinenwarnung

Die Trennung zwischen den Tölzer Löwen und Geschäftsführer Donbeck ist die Konsequenz aus dem Richtungsstreit um Hauptsponsor Wee: Wie umgehen mit einem Geldgeber, der nicht zahlen kann? Der wehrt sich und will nicht "der Buhmann" sein, sagt Cengiz Ehliz.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Manchmal geht es schnell. Am Mittwoch hatten die Tölzer Löwen ihre Fans für 18 Uhr zu einem virtuellen Stammtisch geladen. Man wollte über die sportliche Lage sprechen und, ja, auch über den Hauptsponsor, über den es zuletzt beunruhigende Meldungen gegeben hatte. Eine Minute vor dem Start, um 17.59 Uhr, luden die Löwen dann aber diese Meldung auf ihrer Homepage hoch: "Es tut uns sehr leid, doch der für heute Abend geplante Fanstammtisch muss aus technischen Gründen ausfallen. Wir arbeiten am Problem." Schon da war klar, dass "technische Gründe" eine Schutzbehauptung sein dürften und das "Problem" größer ist. Bereits am Nachmittag hatte sich der Wirtschaftsbeirat des Eishockey-Zweitligisten zu einer Besprechung versammelt. Deren Ergebnis verschickten die Löwen am Donnerstag (die Technik funktionierte wieder einwandfrei), es lautete: "Christian Donbeck verlässt die Löwen." Der Geschäftsführer der Tölzer Eissport GmbH (TEG) habe auf eigenen Wunsch "seine Stellung aufgegeben". Der SZ sagte Donbeck: "So was kommt manchmal schneller als ein Wetter im Gebirge."

Über den Grund der Trennung und die Modalitäten vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Donbeck sagt über die vergangenen vier Jahre: "Es war eine unglaublich emotionale und kräftezehrende Zeit." 2017 gelang dem zweimaligen deutschen Meister nach acht Jahren die Rückkehr in die zweite Liga, aktuell steht das Team von Trainer Kevin Gaudet auf Rang zwei. Nicht nur sportlich, auch organisatorisch habe sich Tölz zu einem Spitzenklub der DEL 2 entwickelt. Zentrales Thema der Unterredung am Mittwoch mit dem TEG-Beirat war denn auch nicht die sportliche, sondern die wirtschaftliche Lage, genauer gesagt: die Partnerschaft mit Hauptsponsor Wee, die seit Wochen an den virtuellen Stammtischen die Meinungen spaltet.

2019 kürt die Münchner CSU Wee-Gründer Cengiz Ehliz zum "Unternehmer des Jahres". 2020 verurteilt ihn ein belgisches Gericht wegen Betrugs

Das Unternehmen um den Gründer und gebürtigen Tölzer Cengiz Ehliz, 50, engagiert sich seit 2017 als Hauptsponsor bei den Löwen. Das Team spielt in der Wee-Arena, auf den Trikots prangt das große rote W. In den ersten drei Jahren hat das Unternehmen laut Ehliz rund drei Millionen Euro in den Standort investiert, in die Mannschaft und in Infrastruktur. Für die laufende und die kommende Saison sollen die Löwen insgesamt rund eine Million Euro erwarten. Geflossen sind davon bislang dem Vernehmen nach aber nur etwa 20 000 Euro. Aktuell warten die Löwen auf einen mittleren sechsstelligen Betrag, etwa 450 000 Euro.

Kurz vor Weihnachten 2020 meldete die Wee Business GmbH Insolvenz an. Dieser Schritt sei die Folge eines "knallharten Restrukturierungsprogramms" innerhalb der weitverzweigten Firmengruppe, wie Unternehmenssprecher Tilmann Meuser damals formulierte. Im Januar 2021 bekam dann auch Meuser, ein langjähriger Vertrauter von Ehliz, diese Härte zu spüren und musste gehen.

Die Wee-Gruppe, die über Lizenznehmer den Online- mit dem stationären Einzelhandel verzahnen will, Endkunden attraktive Rabatte verspricht sowie einen Cashback auf das eigene Girokonto (Kurs 1 Wee = 1 Euro), wirbt für sich mit Zehntausenden Partnern und Kunden weltweit. Bad Tölz soll die Pilotregion werden für eine globale Erfolgsgeschichte, in der es Wee mit Weltkonzernen wie Amazon aufnimmt. Zur Strategie gehört die Digitalisierung von Sportstadien mit hoher Kundenfrequenz. Außer in Bad Tölz ist Wee etwa auch in der Schweiz beim FC Sion und in der DEL 2 bei den Lausitzer Füchsen präsent. In Weißwasser, berichtete die Lausitzer Rundschau, sei von den 2019 angekündigten bis zu 800 000 Euro aber nie etwas angekommen.

In der Corona-Pandemie ist die Wee-Gruppe in Liquiditätsprobleme geraten. Leo Schrutt, Präsident des Verwaltungsrats der in der Schweiz ansässigen Swiss Fintec Invest AG (vormals Wee.com AG), unter deren Dach sich die Wee Nexx AG, Wee Marketplace AG, Wee Tech AG und Wee Payment AG versammeln, bat auf SZ-Anfrage um "etwas Geduld": "Uns fehlen vor allem Einnahmen aus dem Einzelhandel." Trotz Covid-19 und eines leeren Eisstadions stehe das Unternehmen aber zu seinen vertraglichen Verpflichtungen. "Interne Gründe" seien dafür verantwortlich, dass die vereinbarten Sponsoring-Zahlungen auf sich warten ließen. "Wir glauben nicht nur an das Mobile Payment Business, sondern auch an die sportliche Zukunft der Tölzer Löwen", ließ Schrutt mitteilen.

Zu den "internen Gründen" für die Verzögerungen gehört, dass das für Sportsponsoring vorgesehene Geld auf einem Konto in Tschechien liegt und zurzeit nicht verfügbar ist, weil die dortigen Behörden verschiedene "Geldflüsse überprüfen" wollten, wie Ehliz der SZ am Freitag sagte: "Wir warten täglich auf die Freigabe der Gelder. Wann das sein wird, kann ich aber nicht sagen. Das liegt bei den Behörden." Die lassen sich offenbar Zeit. Am 11. Februar 2020 wurde der Unternehmensgründer, der sich selbst als "Visionär" sieht, von einem belgischen Gericht in erster Instanz zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Das Urteil lautete auf: Betrug.

Der inkriminierte Vorgang rühre aus seiner Zeit bis 2014 bei Flexkom her, betreffe nur ihn als "Privatperson" und habe nichts mit Wee zu tun, versicherte Ehliz - und legte Berufung ein. Im Februar 2019 hatte die Münchner CSU Ehliz als "Unternehmer des Jahres 2018" geadelt, der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hielt bei einer Wee-Veranstaltung eine Eloge auf den Sohn des Freistaats.

Die Geschichte ist die klassische Aufsteigersaga: vom "Visionär", der sich aus einfachen Verhältnissen nach oben geboxt hat

Ein Leisetreter ist Ehliz sicher nicht. Nach seiner Ausbildung zum Elektrotechniker machte er sich nach eigenen Angaben 1993 mit Überwachungssystemen selbstständig. Fünf Jahre später wechselte er in die Telekommunikationsbranche. Bilder von früher zeigen einen streichholzdünnen jungen Mann, der in seiner Freizeit gerne boxte. Heute genießt er Auftritte auf der großen Bühne, liebt, wie er sagt, die Oper in Mailand und inszeniert sich im Glitzerfrack und großen Limousinen. Die Geschichte ist aber auch zu gut: von einem, der sich aus einfachen Verhältnissen nach oben geboxt hat.

Allerdings verfolgen Ehliz seit Jahren Zweifel an der Lauterkeit seiner Unternehmungen. Die Rede ist von einem Schneeballsystem. Am 24. Februar beginnt sein Revisionsverfahren in Antwerpen. Ein langjähriger Weggefährte sagt, es sei "blauäugig zu glauben, dass er da ungeschoren davonkommt". Ehliz beteuert seine Unschuld. "Wir sind der innovative und loyale Partner des stationären Einzelhandels gegen E-Commerce-Riesen wie Amazon", wirbt er für Wee. Menschen, die Ehliz kritisch begleiten, glauben: Die Lawine kommt im Tal an.

Das "Tischtuch zum Sponsor" dürfe nicht zerschnitten werden, warnt der Präsident des EC Bad Tölz

Hubert Hörmann, der Präsident des EC Bad Tölz (ECT) und Mitglied im TEG-Beirat, sagt, die Tölzer Löwen stünden "wegen der Situation mit dem Hauptsponsor wahnsinnig unter Druck". Zwar könne man dank einiger Einsparungen, höherer Streaming-Einnahmen und vor allem dank der staatlichen Corona-Hilfsprogramme ("Ohne die hätten wir ein wirkliches Problem") allen eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Die Mannschaft, das bestätigen Spieler, habe bislang pünktlich ihr Geld bekommen. Eine Insolvenz, wie sie die TEG in den Jahren 2003 und 2009 erlebte, sei "absolut kein Thema", versichert Hörmann. "Aber wir werden zusätzliche Sponsoren gewinnen müssen."

Zur Trennung von Geschäftsführer Donbeck dürften unterschiedliche Ansichten geführt haben, wie man sich dem Hauptsponsor gegenüber positioniert. Donbeck hatte es in einem Pauseninterview vergangene Woche mit offener Konfrontation versucht: Wee solle seinen "großen Tönen" endlich Taten folgen lassen. "Wir werden jedenfalls in keinster Weise auf nur einen Cent verzichten."

ECT-Präsident Hörmann sagt: Der Geschäftsführer sei durch die Situation "extrem belastet" gewesen. "Dass man sich Sorgen macht und dass der Ton dann auch mal rauer wird, daraus resultiert kein Vorwurf gegen Herrn Donbeck". Hörmann, durchaus ein streitbarer Geist, versucht es in diesem Fall aber lieber mit weicher Diplomatie. Man müsse mit Wee im Gespräch bleiben. Cengiz Ehliz habe seit 2017 "jeden Vertrag eingehalten". Okay, die Vision, bis 2026 um die deutsche Meisterschaft zu spielen, die hätte er sich sparen können, das müsse man "als Joke" auffassen: "Aber wir sind mit diesem Sponsor sehr gut gefahren." Es sei "anständig" von Ehliz zuzugeben, "dass er momentan nicht liquid ist". Von Tölzer Seite den Sponsoringvertrag zu kündigen, würde aber bedeuten, auf Geld zu verzichten. Lieber will Hörmann - "mit Konsequenz und vielleicht auch mit ein wenig Penetranz" - durchsetzen, dass der Sponsor zahlt: sobald er wieder kann und so viel er eben kann.

Und wenn er nicht mehr kann?

"Das muss man entscheiden, wenn es so weit ist", sagt Hörmann. Das "Tischtuch zum Sponsor" dürfe auf keinen Fall zerschnitten werden.

An diesem Tisch sitzt auch der ältere Bruder von Cengiz Ehliz, Abdullah, der sowohl im Vorstand des ECT als auch im TEG-Beirat ein "wichtiges und hochgeschätztes Mitglied" sei, wie Hörmann betont. Abdullahs Sohn Yasin Ehliz war Silbermedaillengewinner mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang und steht beim EHC Red Bull München unter Vertrag. Dort firmiert Wee als "Business Partner". Auch diese familiäre Nähe zum Eishockey und zum Standort lässt die Tölzer hoffen, dass Cengiz Ehliz seinen Verpflichtungen noch nachkommt. Der SZ sagte Ehliz am Freitag: "Ich stehe zu meinem Wort. Wenn Tölz etwas gebraucht hat, waren wir immer da. Dass ich jetzt als Buhmann hingestellt werde, kann ich nicht verstehen."

Christian Donbeck, der nun ehemalige Geschäftsführer, sagt, er wolle "erst einmal zwei, drei Tage durchschnaufen". Er hege "keinen Groll" und sei "nicht zu einem Prozent daran interessiert, Bad Tölz zu schaden". Wer ihm nachfolgen soll? Es gebe noch keine Namen, sagt Hubert Hörmann. Aber allein bis Donnerstagnachmittag hätten sich vier Kandidaten angeboten.

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