Eishockey:Der kleine Unterscheider

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Mit 38 Jahren braucht Keith Aucoin ab und an eine Pause. Im richtigen Moment ist der Mittelstürmer des EHC München aber zur Stelle und öffnet die Tür zum Halbfinale.

Von Christian Bernhard, München

Der vermeintlich schwierigsten Aufgabe sah sich Keith Aucoin am Ende des Tages ausgesetzt. Der Stürmer des EHC Red Bull München hatte gerade das dritte Playoff-Viertelfinalspiel gegen die Fischtown Pinguins entschieden, mehrere Interviews gegeben und wollte in die Kabine, als er bemerkte, dass er erst noch seinen Erziehungspflichten nachkommen musste. Aucoin versuchte seine zwei kleinen Söhne einzufangen, die im Trikot des Papas zwischen TV-Kameras und Kabeln herumgeschwirrt waren. Aucoin musste seine ganze väterliche Autorität in seine Stimme legen und energisch gestikulieren, bis auch seine beiden Sprösslinge beim Kabineneingang eintrudelten.

"Es hilft schon, einige entscheidende Partien gespielt zu haben", sagt Aucoin

Aucoin erwartete sie mit einem nachsichtigen Lächeln. 3:2 hatte der EHC am Sonntag Bremerhaven geschlagen, zwei der drei Münchner Tore hatte Aucoin selbst erzielt, das erste zudem vorbereitet. "Er hat heute den Unterschied gemacht", lobte Trainer Don Jackson. Der abermals knappe Erfolg gegen den Aufsteiger war Münchens dritter im dritten Spiel der Best-of-seven-Serie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Bereits am Mittwoch (19.30 Uhr) kann der EHC in Bremerhaven den Halbfinaleinzug klarmachen.

Beide Tore entsprangen Aucoins individuellen Qualitäten: Beim 2:1 (27.) beförderte der Amerikaner die Scheibe mit der Präzision eines Lasermessgeräts aus spitzem Winkel über die Fanghand des starken Pinguins-Torhüters Jani Nieminen unter die Latte. Beim 3:2 (46.) beeindruckte, mit welcher Ruhe und Abgeklärtheit er den Puck nach einem etwas übermotivierten Ausflug von Nieminen stibitzte und an zwei Bremerhavener Verteidigern vorbei ins leere Tor schob: ein Unterzahltor in einer kritischen Phase, das auch noch das Spiel entscheidet - mehr geht nicht.

Nur 1,73 Meter, aber große Übersicht: Keith Aucoin (li.), Doppel-Torschütze im dritten Viertelfinale gegen Bremerhaven (re. Jason Bast). (Foto: Buthmann/Imago)

Die Ruhe kommt nicht von ungefähr. 38 Jahre hat Keith Aucoin mittlerweile in den Knochen, 16 davon hat er als Profi gespielt, 165 Mal in der NHL. Er hat einen Meisterschaftsring für den Gewinn des Stanley Cups mit den Carolina Hurricanes, wenngleich er in den Playoffs nie zum Einsatz kam. Dafür gewann er zwei Mal den Calder Cup der AHL mit den Hershey Bears. "Es hilft schon, einige entscheidende Partien gespielt zu haben", sagt Aucoin. Der 1,73 Meter kleiner Center ist der typische Spielmacher, er bringt seine Teamkollegen mit Übersicht und feinen Zuspielen in gute Schusspositionen. Einer wie er braucht nicht Tore, um sein Selbstwertgefühl zu bestätigen, eine schöne Vorarbeit ist ihm genau so viel wert. Und doch waren die zwei Tore gegen Bremerhaven wichtig für den Mann aus Waltham, Massachusetts. Münchens Topscorer während der Hauptrunde war in den ersten zwei Viertelfinalspielen ohne Scorerpunkt geblieben und mit seiner Leistung nicht zufrieden gewesen. Da kommt selbst ein so erfahrener Mann ins Grübeln. "Frustriert" sei er gewesen, erzählte Aucoin, "hinter den Kulissen war ich nicht wirklich ruhig." Seine Reihe mit Mads Christensen und Brooks Macek hatte zwar einiges probiert, aber noch nicht getroffen. Deshalb freute sich der Routinier besonders über die Vorstellung in Spiel drei: "Wir haben das als Linie gebraucht."

Aucoin weiß: "Alle gute Spieler steigern sich in den Playoffs, das macht sie zu großen Spielern." So wie er selbst in der vergangenen Saison, als er auf eine starke Hauptrunde noch stärkere Playoffs folgen ließ. Darauf bauen seine Mitspieler auch in diesem Jahr. Aucoins Präsenz sei sehr hilfreich, sagt Nationalspieler Dominik Kahun, er mache "sehr wichtige Dinge für uns". Das Sonntagsspiel habe gezeigt, "dass er auf einmal den Schalter umlegt, drei Punkte macht und uns das Spiel gewinnt". Kahun will nun in Spiel vier den Sack zumachen, "um den anderen im Fernsehen in Ruhe zuzuschauen, wie sie darum kämpfen weiterzukommen."

Der schnelle Viertelfinal-Erfolg würde auch ein paar freie Tage bedeuten. "Wir haben ein paar alte Jungs hier, wir brauchen etwas Pause", hatte Aucoin nach dem Ende der Hauptrunde gewitzelt. So wie es aussieht, bekommt er die schon bald. Das Halbfinale startet erst am 24. März.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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