EHC Red Bull München:Tragende Stütze

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Sieger-Sandwich: Der spielentscheidende Torschütze Yasin Ehliz, eingeklemmt zwischen Keith Aulie (l.) und Kapitän Patrick Hager. (Foto: Jan Huebner/imago)

Als das Spiel in Wolfsburg zu kippen droht, legt Yasin Ehliz einfach mal einen Keil unter: Sein siebter Saisontreffer, in Unterzahl, entscheidet - "ein großes Tor", sagt EHC-Trainer Don Jackson.

Von Christian Bernhard

Das Schriftsteller-Ehepaar Johanna Paungger-Poppe und Thomas Poppe hat es mit seinem Buch "Vom richtigen Zeitpunkt" geschafft, das Wissen um die Mondrhythmen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. "Das Ergebnis unseres Tuns" hänge nicht nur vom "Vorhandensein der nötigen Fähigkeiten und Hilfsmittel" ab, sondern entscheidend auch vom Zeitpunkt dieses Tuns, schreiben sie.

Ob das Buch in der Kabine des EHC Red Bull München ausliegt, ist nicht bekannt. Fakt aber ist: Der EHC hat das Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Am Donnerstag geriet der souveräne Tabellenführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in Wolfsburg auf kuriose Art und Weise in Rückstand, ehe er scheinbar komfortabel 3:1 führte. Die Niedersachsen aber ließen nicht locker, sie spielten gut, setzten die Münchner unter Druck und glichen aus. Die Partie schien zu kippen. Dann aber - der richtige Zeitpunkt, das richtige Tun - schafften es die Münchner in Unterzahl, sich aus dem eigenen Drittel zu befreien. Yasin Ehliz ging der Scheibe mit explosiven Schritten hinterher, gewann das Laufduell gegen Wade Bergman und spitzelte den Puck einen Sekundenbruchteil, bevor der aus seinem Tor geeilte Felix Brückmann klären konnte, am Wolfsburger Torwart vorbei. Dann schob er ihn zum 4:3 ins leere Tor. Zu spielen waren da noch etwas mehr als sieben Minuten.

"Jeder macht seinen Job, jeder spielt für die Mannschaft." Der Lohn: 15. Sieg im 16. Spiel

Für Ehliz war es ein weiterer sehr guter Moment in dieser Saison. Münchens Trainer Don Jackson lobte schon mehrfach Ehliz' Einsatz, sein starkes Spiel in den Ecken, das seinen Kollegen Scheibengewinne beschert, seine Dynamik und Laufstärke. Jetzt kann er sich zusätzlich auch noch regelmäßig über Tore des Nationalspielers freuen. Mit sieben Liga-Toren ist der 26-Jährige Münchens erfolgreichster Torschütze, in 15 Spielen hat er 14 Mal gepunktet und damit nur einmal weniger als in seinen 35 Hauptrundenspielen der vergangenen Spielzeit. Damals hatte Ehliz nach seinem Wechsel aus Nordamerika einige Wochen gebraucht, um Jacksons anspruchsvolles System zu verinnerlichen. "Der größte Vorteil ist, dass ich das Spielsystem kenne", sagte Ehliz kürzlich. Am Anfang sei das schwieriger gewesen, "da habe ich noch viel überlegt". Mittlerweile sitzen die Automatismen. "Jetzt fällt mir alles einfacher. Ich muss weniger überlegen und kann einfach drauflos spielen."

Ehliz ist eine der Münchner Allzweckwaffen, er steht bei Fünf gegen Fünf, in Überzahl und Unterzahl auf dem Eis. Jackson vertraut dem Tölzer: Seine Eiszeit von knapp 18,5 Minuten pro Partie ist die dritthöchste unter den EHC-Stürmern.

Das Vertrauen zahlt der Angreifer nun auch in Toren zurück. Ehliz trifft in Überzahl (drei), in Unterzahl und auch, wenn es besonders gefragt ist: Der Treffer in Wolfsburg war bereits sein zweiter spielentscheidender in dieser Saison. Zudem agiert er trotz seiner körperlichen Spielweise sehr diszipliniert - erst zwei Mal musste er auf die Strafbank - und bildet zusammen mit Kapitän Patrick Hager ein eingespieltes Duo. "Wir spielen gut. Jeder macht seinen Job, jeder spielt für die Mannschaft", sagt Ehliz. Das kann man ruhig mal so sagen. In Wolfsburg gelang dem EHC im 16. Saisonspiel Sieg Nummer 15.

Zwar wackelte der EHC, obwohl er nach Treffern von Trevor Parkes (9.), Hager (11.) und Maximilian Daubner (33.) 3:1 führte und speziell Danny aus den Birken damit eine Freude bereitete: Der Nationaltorhüter hatte beim 0:1 in der zweiten Minute eine äußerst unglückliche Figur abgegeben, als Jeff Likens ihn mit einem Schlenzer von der Mittellinie überraschte; Sebastian Furchner (36.) und Alexander Johansson (45.) glichen für die Niedersachsen aus. Doch als das Spiel zu kippen drohte, erwies Ehliz sich als tragende Stütze. Frank Mauer machte 13 Sekunden vor Schluss mit einem Schuss ins leere Tor alles klar.

"Wir haben nicht 60 Minuten perfekt gespielt", sagte Jackson, "aber wir haben ein großes Tor von Yasin bekommen." Für Wolfsburgs Trainer Pat Cortina war der Treffer ein sehr ärgerlicher. "Wir haben alle gesehen, dass uns diese individuelle Sache das Spiel gekostet hat", sagte er.

Am Sonntag empfängt Ehliz mit seinen Mannschaftskollegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven (Olympia-Eishalle, 19 Uhr). Danach kann er durchschnaufen. Für den Deutschland Cup vom 7. bis 10. November in Krefeld ist er nicht nominiert. Bundestrainer Toni Söderholm gönnt ihm und anderen erfahrenen Nationalspielern wie Hager und Yannic Seidenberg eine Pause. Auch er weiß, was er an Ehliz hat.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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