Süddeutsche Zeitung

EHC Red Bull München:Der nächste Triumph

Neun Spiele, neun Siege: Nach dem 3:0 bei den Kölner Haien müht sich der EHC am Sonntag in Bremerhaven zu einem 2:1-Erfolg - und stellt den Startrekord der Nürnberg Ice Tigers ein.

Von Christian Bernhard

Danny aus den Birken fühlte sich sichtlich wohl. Mehrmals winkte er ins Publikum, sein rechter Daumen und kleiner Finger formten eine Telefon-Geste. Dabei lachte er. Der Torhüter des EHC Red Bull München hatte große Freude daran, knapp 600 Kilometer von seiner Wohnstätte entfernt Freunde und Familie zu erblicken. Aus den Birken fühlte sich in Köln so wohl, dass er am Freitagabend eine persönliche Premiere in der noch relativ frischen Saison der Deutschen Eishockey Liga (DEL) feierte: sein erstes Zu-null-Spiel.

Dieses war gleich ein ganz besonderes, denn es war sein 46. in der DEL, wodurch er nun alleiniger Rekordhalter in Deutschlands höchster Spielklasse ist. Schön sei das, sagte der DEL-Spieler des Jahres 2019 dazu, "hoffentlich ist es noch nicht vorbei."

Das ist schwer vorstellbar. Der EHC überzeugte am Freitagabend bei den vor der Saison hoch gehandelten Kölnern vor allem defensiv und gewann auch das achte Ligaspiel der Saison, diesmal mit 3:0. Daraus ergab sich für ihn am Sonntag die Chance, den Startrekord der Nürnberg Ice Tigers aus dem Jahr 2013 einzustellen, neun Siege aus neun Partien. Allerdings in Bremerhaven, ausgerechnet, denn die Fischtown Pinguins hatten sich in jüngerer Vergangenheit doch zu einer Art Angstgegner für die Münchner entwickelt. Dort allerdings begann nicht aus den Birken, sondern Kevin Reich im Tor. Auch er kassierte nur einen Gegentreffer: Mit einem 2:1-Sieg sicherte sich der EHC den Rekord.

"Die Jungs haben es mir leicht gemacht", sagte aus den Birken am Freitag in Köln, "sie haben dominant gespielt und wenig zugelassen." Auch Kölns Nationalspieler Frederik Tiffels musste eingestehen: "Wir sind nicht vors Tor gekommen."

"Da sind Laufwege dabei, die ich jahrelang anders gemacht habe", wunderte sich Philip Gogulla

Ganz im Gegensatz zu den Münchner Verteidigern. Blake Parlett drückte die Scheibe bereits nach 55 Sekunden zum 1:0 über die Linie und präsentierte damit bilderbuchartig eine der größten Münchner Stärken: das Miteinschalten der Verteidiger in die Offensive. Sein Treffer steht stellvertretend für das, was Trainer Don Jackson sehen möchte. Parlett leitete den Angriff im eigenen Drittel mit einem Pass ein, er ging mit nach vorne und verwertete den Abpraller von Gustaf Wesslau. Er stand dabei direkt am Torraum der Kölner - also da, wo bei den meisten DEL-Teams ein Stürmer postiert ist. In München ist das nicht so streng reglementiert, Parletts Verteidigerkollege Keith Aulie erzielte aus ähnlicher Position eine Woche zuvor einen vergleichbaren Treffer. In Jacksons auf hoher Laufintensität basierendem System tauchen auch die Verteidiger regelmäßig am gegnerischen Tor auf.

Philip Gogulla hat jahrelang gegen dieses mutige, in der DEL selten praktizierte System gespielt. Er wisse, wie schwer es sei, sich dagegen zur Wehr zu setzen, sagte er. Seit diesem Sommer ist er selbst Teil davon, was ihm anfangs einige Fragezeichen beschert hat. "Da sind Laufwege dabei, die ich jahrelang anders gemacht habe", erklärte er. Man müsse sich immer wieder ermahnen und sich bewusst machen, "was einem dieses System abverlangt". Für ihn als Stürmer war es zu Beginn "sehr erstaunlich", seine Verteidiger ganz weit im gegnerischen Drittel, oft sogar hinter der Torlinie, zu sehen. "'Was macht der Verteidiger da vorne', habe ich mich am Anfang gefragt", erzählte er. Gogulla verstand aber auch schnell, dass das System das "hergibt". Der 32-Jährige sagt über seine Abwehrspieler: "Sie sind offensiv um einiges mehr ins Spiel eingebunden. Sie wissen, dass sie mitgehen können oder sogar müssen."

Dass es funktioniert, zeigen die Statistiken. Die Münchner hatten nach dem achten Spieltag nicht nur die beste Defensive der Liga (14 Gegentore), sondern schon sieben Verteidiger-Tore erzielt, so viele wie kein anderes Team. Meister Mannheim hat erst ein Verteidigertor auf dem Konto. "Je mehr Leute die Tore schießen, umso besser ist es für die Mannschaft", sagte Gogulla. Am Sonntag war er es selbst, der den Rückstand im Mitteldrittel ausglich.

Dass die Verteidiger nicht nur blind nach vorne laufen, sondern zumindest meistens auch die Balance stimmt, macht die Tatsache deutlich, dass der EHC in dieser Saison erst in einer DEL-Partie mehr als zwei Gegentore kassiert hat. "Die Offensive beginnt in der defensiven Zone", erklärte Stürmer Maximilian Daubner. "Steht man hinten gut, kann man offensiv agieren." Dafür ist auch eine gute physische Form nötig. Gogulla betont, "dass wir läuferisch immer bei 100 Prozent sein müssen", um Jacksons System umzusetzen. Und die Kondition stimmt. In den ersten acht Ligaspielen erzielten die Münchner in den Schlussdritteln zwölf Treffer, kassierten aber nur zwei. "Wir sind fit, und das zahlt sich am Ende aus", sagte Stürmer Yasin Ehliz. Die weiteren Tore in Köln erzielten Trevor Parkes (10.) und Maximilian Kastner (35.), in Bremerhaven war es Mark Voakes (53.).

Zumindest die Reiserei hat für die Münchner jetzt erst einmal ein Ende, in dieser Woche stehen gleich drei Partien zu Hause auf dem Programm. Den Anfang macht am Dienstag das letzte Heimspiel der Champions-Hockey-League-Gruppenphase, mit einem Sieg gegen Färjestad Karlstad aus Schweden (19.30 Uhr) stünde der EHC sicher in der K.-o.-Runde. Dass es defensiv auch international klappt, haben die Münchner bereits in den ersten vier Gruppenspielen bewiesen: Da kassierten sie insgesamt nur vier Gegentore.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2019
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