EHC München:Münchner Sorgenkindl

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Nachdenklich: Clément Jodoin, 67, war bis Dezember Cheftrainer der Berliner Eisbären. Mit dieser intimen Kenntnis soll er das Münchner Powerplay effizienter gestalten. (Foto: M. Engelbrecht / Imago)

Der Titelverteidiger muss für das sechste Spiel in der Playoff-Viertelfinalserie gegen Berlin vor allem sein Überzahlspiel verbessern.

Von Christian Bernhard, München

Don Jackson ist schon so lange im Eishockey-Geschäft, dass man meinen könnte, er müsste alle Geheimnisse dieses Sports kennen. Doch dem ist nicht so. "Eishockey ist nicht vorhersehbar", erklärte der Trainer des EHC Red Bull München dieser Tage. Aber zum Bedauern des Rekord-Meistertrainers der Deutschen Eishockey Liga (acht Titel) ist ein Element in seinem Spiel derzeit sehr wohl vorhersehbar: das Überzahlspiel.

Auch bei der 0:3-Heimniederlage gegen die Eisbären Berlin am vergangenen Sonntag, die dem EHC eine zusätzliche Reise in die Hauptstadt eingebrockt hat, wo er am Freitag mit einer 3:2-Führung in Spiel sechs der Playoff-Viertelfinalserie geht, war es wieder einmal enttäuschend, was die Münchner mit einem Spieler mehr auf dem Eis zustande brachten. Hatten sie in den vorherigen Spielen noch regelmäßig Schüsse auf den Kasten von Eisbären-Torhüter Kevin Poulin abgegeben, scheiterten sie im jüngsten Vergleich meist schon daran, überhaupt in die Aufstellung zu finden. Immer wieder konnten die Berliner die Scheibe relativ leicht aus dem eigenen Drittel befördern, weil der EHC den Puck viel zu langsam bewegte.

"Puuh, das ist eine gute Frage", sagte John Mitchell, als er gefragt wurde, was passieren müsse, damit das EHC-Powerplay endlich ins Rollen komme. Die Erfolgsquote von 6,9 Prozent kann man eigentlich kaum noch als Erfolgsquote bezeichnen; gemessen am spielerischen Potenzial, das im Kader des Titelverteidigers steckt, ist sie schlicht zum Vergessen.

Nationalspieler Patrick Hager sprach diesbezüglich von einem "Phänomen" und versuchte es kürzlich so zu erklären: Wenn viele talentierte Spieler in Überzahl auf dem Eis stünden, was beim EHC der Fall sei, dann wäre es besonders wichtig, sich an eintrainierte Abläufe zu halten, sodass der Nebenmann stets wisse, was als nächstes kommt. "Dann bist du gefährlicher", sagte Hager. Gelingen will das dem EHC derzeit aber kaum.

Abgezeichnet hatte sich das bereits in der Hauptrunde, auch da war das Überzahlspiel das Münchner Sorgenkind. Deshalb reagierte der Verein im Januar und stellte dem Trainerteam Clément Jodoin zur Seite. Der erfahrene Kanadier, der bis Mitte Dezember noch die Eisbären gecoacht hatte, wurde geholt, um das Powerplay zu verbessern. Jodoin versuche, das Überzahlspiel zu vereinfachen, sagte Hager kurz nach der Ankunft des 67-Jährigen, der mit Jackson seit vielen Jahren befreundet ist. Gelungen ist ihm das in mehr als zwei Monaten nicht. Der vermeintliche Vorteil, den Jodoin durch die Kenntnis der Berliner Spieler haben könnte, scheint zu einem Nachteil verkommen zu sein. Es wirkt, als wüssten die Eisbären genau, was die Münchner vorhaben.

Auch deshalb verwies Mitchell auf die gute alte Taktik, die Scheibe so häufig wie möglich vors Tor zu bringen und darauf zu hoffen, dass sie dort abgefälscht wird oder ein Nachschuss abfällt. Das hat bisher auch deshalb nicht wirklich funktioniert, weil Trevor Parkes, der mit seiner beeindruckenden Physis prädestiniert dafür ist, vor dem gegnerischen Tor Radau zu machen, noch kein großer Faktor in der Serie war. Maximilian Kastner, einer der besten Münchner Akteure in der Disziplin, dem gegnerischen Torhüter die Sicht zu nehmen, ist erst seit zwei Spielen wieder zurück. Er kam bisher nur auf knapp vier Minuten Eiszeit im Powerplayspiel.

Muss es halt ohne gehen, wie Frank Mauer findet. Der Nationalstürmer hatte vor den Playoffs daran erinnert, dass die Adler Mannheim, mit denen er vor vier Jahren Meister geworden war, seinerzeit auch ein "relativ bescheidenes" Powerplay hatten.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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