EHC München:Heißer Ritt auf dem Balkon

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Der deutsche Meister verarbeitet die erste Niederlage auf der Wiesn. Und kann über das 3:8 in Iserlohn schon wieder lachen.

Von Christian Bernhard, München

Matt Stajan wusste gleich, welcher der beste Platz sein würde: direkt neben Konrad Abeltshauser, dem Ur-Bayern im Team. So ein erster Oktoberfest-Besuch im Leben will ja wohlgeplant sein. Dann begann das große Staunen. Immer wieder beugte sich Stajan über die Brüstung und verfolgte mit großen Augen, wie sich Wiesn-Besucher im Festzelt auf den Tisch stellten und ihre Maß Bier in einem Zug leerten. Der Foto- und Videospeicher von Stajans Smartphone näherte sich ebenso zügig seiner Obergrenze. Neben ihm saß seine Ehefrau Kathie, sie lachte und staunte und lachte und staunte.

Wie jedes Jahr, wenn der deutsche Eishockeymeister EHC Red Bull München dem Oktoberfest seine Aufwartung macht, sind es vor allem die Neuen im Team, die die größten Augen machen. Sehr wissbegierig sei Stajan, verriet Abeltshauser, "er will alles darüber erfahren". Der Tölzer konnte dem Mann aus dem fernen Ontario jede Menge über das größte Volksfest der Welt erzählen und zeigen - beispielsweise die junge Dame, die mit einem beeindruckenden Schnupftabak-Sortiment an den Tisch kam. Stajan guckte leicht fragend, ehe Abeltshausers Schnupfgeste mit dem Finger unter der Nase schnell seine Fragezeichen auflöste.

Vom Vorabend noch bedient: Torhüter Kevin Reich kassierte am Sonntag in Iserlohn acht Gegentreffer. Am Montag konnte er wieder lachen. Foto: Gepa / oh (Foto: GEPA)

Gestaunt hatte Stajan auch am Sonntag. Weniger über sein erstes DEL-Tor, das ihm in Iserlohn gelang, als vielmehr über die 3:8-Klatsche, die dem Meister eine krachende erste Niederlage bescherte und ihn die Tabellenführung kostete. Das mehr als überraschende Ergebnis war den Spielern tags darauf im Festzelt des Biersponsors allerdings nicht mehr anzusehen. Der "schwarze Tag" (Frank Mauer) und "Ausrutscher" (Maximilian Kastner) schien bereits ganz weit weg zu sein. John Mitchell stolzierte lächelnd mit seinem in Tracht gekleideten Söhnchen über den Balkon und schaute sich grinsend aus der Nähe an, wie Yannic Seidenberg, Trevor Parkes und Jason Jaffray Wiesn-Playmate Julia Prokopy für das obligatorische Schwebende-Jungfrau-Foto in die Höhe hoben. Sogar Torhüter Kevin Reich, der tags zuvor an den acht Gegentoren schwer zu schlucken gehabt hatte, lachte wieder.

Stajan verfolgte das Geschehen auf der Empore mit leuchtenden Augen. Der Kanadier hat in 1020 NHL-Spielen viel gesehen, so etwas wie das Oktoberfest aber noch nicht. Der Stürmer, der viele Jahre in Calgary gespielt hat, verglich das Treiben im Wiesn-Zelt mit dem Stampede-Festival, einer jährlich in Calgary stattfindenden Landwirtschaftsausstellung und Rodeoshow, die als "The Greatest Outdoor Show on Earth" bezeichnet wird. Ein Blick in Stajans strahlendes Gesicht verriet: "The Greatest Bierzelt Show on Earth" kann damit locker mithalten. Ist ja auch so eine Art Rodeo.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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