Süddeutsche Zeitung

EHC München:Disziplinierter Raser

Mit vier Toren führt Yasin Ehliz München zu zwei Siegen. Trainer Jackson beeindruckt nicht nur seine Trefferquote.

Von Christian Bernhard

Es war in der Tat schwer, den Überblick zu behalten - selbst als einer, der mitverantwortlich dafür war, dass die Partie derart turbulent vonstatten ging. Er habe "nicht wirklich" alles im Kopf, was das Spiel zu bieten gehabt habe, sagte Yannic Seidenberg, als er am Sonntagabend nach getaner Arbeit in der Münchner Olympia-Eishalle die Partie des EHC Red Bull München gegen die Iserlohn Roosters analysierte. Seidenbergs Erinnerungslücken verwunderten nicht. Der Münchner 7:5-Sieg, der nach einem 2:4-Rückstand und zahlreichen spektakulären Szenen an beiden Enden des Eises zustande gekommen war, war schlicht: wild. Und er passte zu diesem Wochenende des EHC. Am Donnerstag hatte der Tabellenführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in Bremerhaven noch 6:4 gewonnen, obwohl er bereits 0:3 zurückgelegen war. In diesen zwei Spielen konnte man den Überblick schon mal verlieren.

Yasin Ehliz behielt ihn - speziell vor dem gegnerischen Tor. Der Nationalspieler steuerte in Bremerhaven zwei Tore bei - und legte am Sonntag zwei weitere nach. Vier Tore an einem DEL-Wochenende: Ehliz konnte sich nicht daran erinnern, ob ihm das schon einmal gelungen war. "Echt gut" sei es jedenfalls, sagte er. Mit seinem zweiten Treffer gegen Iserlohn stellte der gebürtige Tölzer bereits 13 Spiele vor Ende der Hauptrunde eine persönliche Bestleistung auf: 18 Tore hat er vor den Playoffs noch nie erzielt. "Momentan fallen sie für mich rein", sagte der 27-Jährige kurz und knapp. "Wenn sie reinfallen, muss man schauen, dass man aus jeder Position aufs Tor schießt."

Nur Trevor Parkes und Jan Urbas haben in der laufenden Saison mehr Tore geschossen als Ehliz

Die Voraussetzungen dafür bringt er mit. Sein Handgelenkschuss zum 6:4 in Bremerhaven sei "vom Allerfeinsten" gewesen, schwärmte der ehemalige NHL-Spieler Christoph Schubert als TV-Experte. "So was kann man oder nicht. Und Yasin Ehliz kann es."

Aus dem spritzigen und kraftvollen Wühler in den Ecken ist ein formidabler Knipser geworden. Nur Teamkollege Trevor Parkes (21 Tore) und Bremerhavens Jan Urbas (20) haben in der laufenden DEL-Saison öfter getroffen. "Er ist stark, richtig schnell, liest das Spiel gut und hat einen guten Schuss", sagt Don Jackson. Der Trainer des EHC ist aber nicht nur vom Stürmer Ehliz entzückt. Der Linksschütze sei ein "exzellenter Offensiv- und Defensivspieler", sagte er. Seine defensive "Aufmerksamkeit", sowohl mit als auch ohne Scheibe, mache ihn zu einem "speziellen" Spieler.

Ehliz macht für seine Ausbeute zwei Faktoren verantwortlich. Da wären zum einen die Mitspieler. "Wir spielen als Reihe gut", sagt er. "Jeder kriegt die Scheibe, jeder hat die Möglichkeit zu schießen." Ehliz harmonierte wochenlang sehr gut mit Kapitän Patrick Hager und Philip Gogulla. In den letzten drei Spielen, in denen Hager verletzungsbedingt fehlte, fungierten Jason Jaffray und Maximilian Kastner als Center für Ehliz. "Wir haben eine unglaublich gute Mannschaft, nicht nur im Sturm. Da tut man sich leicht - egal, mit wem man zusammen spielt. Jeder von uns kann offensiv spielen, jeder kann Tore schießen." Dreizehn Münchner Treffer in zwei Partien belegen Ehliz' These. Wann Hager zurückkehrt, ist derweil offen. Jackson prognostizierte, dass er in dieser Woche auf dem Eis trainieren werde, bezweifelte aber, dass er am Wochenende eingreifen wird.

Ehliz' zweiter persönlicher Pluspunkt: Er findet sich in seiner zweiten Münchner Saison deutlich besser mit Jacksons anspruchsvollem Spielsystem zurecht. Seit Anfang der Saison dabei gewesen zu sein, "hilft schon enorm", betonte er. Ehliz' Tore hat der defensiv jüngst etwas wackelig agierende EHC gebraucht. "In letzter Zeit war es gar nicht so einfach", sagte Ehliz, alle Mannschaften seien hoch motiviert, wenn es gegen den Branchenprimus gehe. "Eindeutig zu viele" Gegentore habe man hinnehmen müssen, betonte der Stürmer. "Wir werden unsere defensive Disziplin verbessern. Wir wissen auch, dass wir das können."

Das müssen sie auch, um den Höhenflug der Mannheimer Adler abzuwehren. Der Titelverteidiger ist mit sieben Siegen in Serie bis auf sechs Punkte an die Münchner herangerückt und machte auch am Wochenende mit zwei deutlichen Siegen Druck. "Mannheim hat eine gute Phase, jetzt ist es wieder eng oben", sagt Ehliz. Er findet, dass jetzt "die beiden Topteams" an der Spitze seien. Dadurch wird das, was den EHC und speziell Ehliz ausmacht, weiter gefordert sein: Intensität. Iserlohns Daniel Weiß drückte es so aus: "München rast halt los." Und Ehliz vorne weg.

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SZ vom 21.01.2020
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