Dritte Liga:Wie die kleinen Kinder

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Zweikampf mit dem Matchwinner: Hachings Moritz Heinrich (links) gegen Doppel-Torschütze Heinz Mörschel. (Foto: Stefan Brauer/imago)

Arie van Lent, Trainer der SpVgg Unterhaching, übt nach der 1:3-Niederlage beim KFC Uerdingen scharfe Kritik an seiner Mannschaft, die sich einmal mehr in der Offensive harmlos und dazu defensiv anfällig präsentiert.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Noch Minuten nach dem Spiel stand das Unterhachinger Trainerteam auf dem Platz des Düsseldorfer Fußballstadions und versuchte sich an einer Analyse der vor allem im zweiten Durchgang so missratenen Darbietung ihrer Mannschaft gegen den KFC Uerdingen. 1:3 (0:0) hieß es am Ende des Drittligaspiels, es war die vierte Niederlage in Serie für die SpVgg, weshalb man diesen Montag sogar auf einen Abstiegsplatz abrutschen könnte, falls Lübeck in Verl punkten sollte.

Angesichts der Negativspirale, in der sich die Rot-Blauen befinden, war es auch mit der Diplomatie nach dem Spiel vorbei. Der neue Trainer Arie van Lent wurde ja unter anderem deshalb geholt, weil ihm Klubpräsident Manfred Schwabl zutraut, öfter mal auf den Tisch zu hauen, wenn sich in der Wohlfühloase Unterhaching Bequemlichkeit breit macht. Und so sagte der Niederländer nach dem Spiel bei Magenta Sport folgenden bemerkenswerten Satz: "Ich hoffe, dass jeder heute Abend in den Spiegel schaut und sich fragt: War ich das, der so eine Scheiße gespielt hat oder war es doch mein Nebenmann. Und wenn sie dann rausgefunden haben, dass sie es selbst waren, geht es sicherlich aufwärts."

Zuletzt hatte Haching zwei Spieltage lang zuschauen müssen, nachdem die Partien in Halle (wegen eines falsch positiven Coronatests im eigenen Team) und gegen Verl (wegen positiver Fälle beim Gegner) abgesagt werden mussten. Wer nun gehofft hatte, die chronisch anmutende Sturmschwäche der Vorstädter hätte sich in der spielfreien Zeit in Luft aufgelöst, sah sich getäuscht: Zwar schafften sie es auch gegen Uerdingen, das Spiel zumindest optisch an sich zu reißen, doch diese sporadische Überlegenheit wurde dadurch konterkariert, dass dabei kaum Torchancen heraussprangen.

So plätscherte die Partie vor der Pause vor sich hin, mehr als ein Schuss von Niclas Anspach deutlich neben das Tor (34.) und ein gewaltiger Freistoß von Moritz Heinrich, den KFC-Torwart Hidde Jurjus über die Latte lenkte (45.), sprang für Unterhaching nicht heraus. "Wir hatten oft den Ball, aber da war leider wieder das alte Manko, dass wir im letzten Drittel sehr ungefährlich waren", bilanzierte Ex-Stürmer Arie van Lent. Die passiven Gastgeber waren vor allem durch Mittelstürmer Muhammed Kiprit gefährlich, bei seiner besten Gelegenheit zirkelte er den Ball aus acht Metern rechts am Tor vorbei (36.).

Nach der Pause sah es nur wenige Minuten lang so aus, als wäre Haching auch weiterhin spielbestimmend. Uerdingens Trainer Stefan Krämer attestierte seiner Mannschaft einen "schlafmützigen" Start in den zweiten Durchgang. "Ein Glück, dass wir das Tor zum richtigen Zeitpunkt gemacht haben", sagte der Coach zum 1:0 durch Heinz Mörschel, der nach glänzender Vorarbeit von Hans Anapak freistehend abschließen konnte (53.). Die Hachinger klappten nun in sich zusammen. "Das war sehr wild, wir haben uns wie kleine Kinder benommen, wie Jugendspieler", analysierte van Lent schonungslos. Zunächst verhinderte Torwart Nico Mantl, der beste Hachinger an diesem Samstag, mit zwei starken Paraden gegen Kiprit (64., 69.) das 0:2, dann war auch er machtlos, als Kolja Pusch einen Eckball zur Mitte schlug und abermals Mörschel per Kopf via Innenpfosten für den KFC erhöhte (76.).

Zwar kamen die Gäste nach Flanke von Markus Schwabl und Kopfball des eingewechselten Patrick Hasenhüttl noch einmal heran (80.), eine Aufholjagd wurde es jedoch nicht mehr, stattdessen entschied der frühere Sechziger Adriano Grimaldi die Partie nach Ballverlust von Christoph Greger und schnellem Konter über Fridolin Wagner endgültig für Uerdingen (90.).

Ratlose Hachinger prägten das Bild nach Spielende, auch das spontane Krisengespräch van Lents mit seinen Assistenten Roman Tyce, Robert Lechtleiter und Torwarttrainer Sebastian Wolf wirkte nicht gerade wie ein Innovationsworkshop in einem optimistischen Start-up-Unternehmen. Nach nur acht Partien ist die erste Krise da, weil sich zur Ladehemmung auch noch Abwehrschwächen gesellen. Oder wie es Kapitän Markus Schwabl ausdrückte: "Weil wir es sowohl vorne wie auch hinten beschissen gemacht haben, verlieren wir hier. Du kannst nicht gewinnen, wenn du hinten jedes Mal einen frisst und vorne keinen triffst."

© SZ vom 16.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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