Süddeutsche Zeitung

Dritte Liga:Dreck an den Schuhen

Die zweite Mannschaft des FC Bayern produziert auch unter dem neuen Trainerduo Schwarz/Demichelis Talente ohne Ende. Doch auch beim 0:1 gegen Rostock fehlt der sportliche Ertrag.

Von Christoph Leischwitz, München

Justin Che stand eine Viertelstunde nach Schlusspfiff am Seitenrand und schlug die Sohlen seiner Fußballschuhe gegeneinander. Klock, klock, hallte es durchs leere Grünwalder Stadion, die Mitspieler und die feiernden Gegner waren schon auf dem Weg zum Duschen. Die Szene mutete ein wenig trostlos an, dabei hatte Che, der gerade einmal 17 Jahre alt ist, soeben ein beachtliches Startelf-Debüt für den FC Bayern München II gegeben, sechs Tage zuvor hatte er gegen den FC Ingolstadt (2:2) eine Minute auf dem Feld gestanden. Ziemlich genau in dem Moment, als er sich den Dreck von den Schuhen klopfte, saß sein Trainer Danny Schwarz im Bauch der Haupttribüne und sagte über ihn: "Hervorragend, einer von unseren besten Jungs auf dem Platz." Er habe gegen erfahrene Rostocker Stürmer "top" gespielt.

Im Prinzip läuft es also ganz gut für den Nachwuchs des FC Bayern, wenn man nur mal das primäre Ausbildungsziel betrachtet. Dieses lautet ja, den Nachwuchs erfolgreich weiterzuentwickeln. Che, der im Winter vom Kooperationspartner Dallas FC nach München wechselte, scheint vom Fleck weg mithalten zu können in der dritten Liga, und nicht nur er. Lasse Günther hat nun schon zweimal in insgesamt 73 Spielminuten angedeutet, dass er dem Idealtypus eines Flügelspielers entspricht - stark am Ball und im Tempo kaum aufzuhalten. Dabei gibt Schwarz auch noch zu bedenken, dass Günther zuletzt komplett die Spielpraxis fehlte, auch eine Weile verletzt "und heute morgen noch in der Schule" war, so der Trainer am Freitag. Was bedeutet: Der gerade erst 18 gewordene Rechtsaußen hat womöglich noch gar nicht sein volles Potenzial abgerufen.

Jamie Lawrence, 18, war beim 2:2 in Ingolstadt dank seines späten Ausgleichs der Held des Spiels, hatte aber auch in der Verteidigung eine gute Leistung gezeigt; Armindo Sieb kommt wie der ein Monat jüngere Günther aus einer Verletzung und hätte eigentlich viel früher zum Einsatz kommen sollen. Im offensiven Mittelfeld gelingt ihm zwar noch lange nicht alles, doch der bei RB Leipzig ausgebildete Hallenser spielt auffällig und mutig.

Demnächst geht es vielleicht wieder gegen Pipinsried und Heimstetten anstatt gegen 1860

Doch es gibt ein großes Problem. Das primäre Ausbildungsziel ist deshalb stark gefährdet, weil die Mannschaft insgesamt zu wenige Punkte holt und in der kommenden Saison wieder eine Liga tiefer spielen könnte. Der letzte Sieg liegt nun schon sieben Partien zurück. Im Moment hat Bayerns U23 noch ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal, als einziges Ausbildungsteam im Profifußball. Dadurch ist der Campus an der Ingolstädter Straße selbst dann für junge Spieler und deren Eltern attraktiv, wenn der aktuelle Cheftrainer der Profis gerade mal nicht so stark auf den hauseigenen Nachwuchs baut. Doch Borussia Dortmund II und der SC Freiburg II sind als klare Tabellenführer der jeweiligen Regionalliga dem Aufstieg sehr nah; und die jungen Bayern könnten bald wieder gegen den FC Pipinsried und den SV Heimstetten spielen statt gegen 1860 München.

Am Freitagabend wurde besonders deutlich, was der Meistermannschaft der vergangenen Saison fehlt. Gegen Hansa Rostock, nunmehr Spitzenreiter, darf man sich schon mal ein Tor fangen, zumal dieses Tor in die Kategorie "junge Spieler dürfen auch mal Fehler machen" fällt. Torwart Ron-Thorben Hoffmann, gebürtig aus Rostock, durfte nach fünf Wochen Pause wegen einer Knieverletzung wieder ran. Sekunden vor dem Halbzeitpfiff sprintete er aus dem Kasten und erreichte den Ball nicht. John Verhoek traf, noch leicht abgefälscht, ins leere Tor (45.). "Er ist diesen halben Schritt zu spät, das hat sicher auch mit fehlender Spielpraxis zu tun", sagte Trainer Schwarz. So etwas kann passieren, und ist auch in der vergangenen Saison passiert, als die jungen Bayern bekanntlich Meister wurden.

Die Abwehr steht stabil, das Manko der Münchner ist eindeutig die Torausbeute

Viel problematischer ist allerdings die Null im Endergebnis, das 0:1 lautete; die chronische Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor, die sich zusammensetzt aus einer Mischung von falschen Entscheidungen, einem ungenauen letzten Pass und überhasteten Abschlüssen. Gerade in der ersten Halbzeit, fand Schwarz, "hat oft die Präzision gefehlt, so sind viele Chancen gar nicht erst zustande gekommen, weil wir einfach zu unsauber waren". Die Bayern verfügen trotz des Einsatzes zahlreicher junger Spieler in der Abwehr über eine stabile Defensive, sie haben sich sogar sechs Tore weniger gefangen als zur selben Zeit in der vergangenen Saison (46 im Vergleich zu 52), als sie Tabellenzweiter waren; sie haben aber nur 41 Tore geschossen, und damit 22 weniger. Außer Timo Kern (acht Treffer) hat niemand mehr als vier Tore erzielt, und Kern ist zurzeit verletzt.

Es steht nun eine, wenngleich angenehm entzerrte, englische Woche an, am Dienstag spielen die Bayern beim FSV Zwickau, am Montag dann gegen Saarbrücken. "Das Schöne ist, dass wir gar nicht lange nachdenken können", sagte Schwarz am Freitag. Nicht nachdenken - man sagt ja gerade bei Stürmern, dass dies das beste Mittel sei, um wieder erfolgreich zu sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5267949
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.