Deutsche Eishockey-Liga:Abteilung Attacke

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Stürmende Verteidiger? Abwehrbereite Angreifer? Egal. Der EHC München kann sich in dieser Saison auf seine Defensive verlassen - auch beim Toreschießen

Von Sebastian Fischer, Berlin/München

Felix Petermann kann sich noch an Zeiten erinnern, die in München längst in Vergessenheit geraten sind. Der Füssener spielt seit 2010 für den EHC in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), keiner steht länger im Münchner Kader als der 30-Jährige. Ihm sind deshalb noch die Tage im Gedächtnis, als auf den Trikots von Münchner Eishockeyspielern noch keine Stiere miteinander kämpften und die Zielsetzung des EHC sich noch darauf beschränkte, vielleicht einmal die Playoffs zu erreichen. Zu dieser Zeit war es als Verteidiger auch noch Petermanns Aufgabe, Tore zu verhindern.

Etwa viereinhalb Jahre , nachdem Petermann von den Adlern Mannheim nach München wechselte, lag er am Sonntag in den Katakomben der O2-World, in der sein Team gerade die Eisbären Berlin 3:2 geschlagen hatte. Er lag auf einer Gummirolle, mit deren Hilfe er einen Muskelkater abzuwenden versuchte. Er lächelte. Die Zeiten haben sich geändert. Und Felix Petermann ist froh darüber.

Im Jahr 2015 wird der EHC München aller Voraussicht nach um die Meisterschaft spielen, darauf deutete nicht zuletzt der überzeugende Sieg in Berlin hin. Und zwar vor allem deshalb, weil Münchner Verteidiger nicht mehr nur noch die Aufgabe haben, Tore zu verhindern. Sondern selbst welche produzieren. "Wir haben die Scheibe gut zur blauen Linie rausgebracht und dann tief gespielt", erklärte Petermann, was der Wahrheit entsprach, aber noch recht bescheiden klang. Das 2:1 durch Kapitän Michael Wolf war zwar exakt so gefallen - Daniel Sparre hatte den Puck im Powerplay zur blauen Linie zurückgespielt, von wo Verteidiger Richie Regehr ihn mit einem perfekten Direktpass tief, also vor das Berliner Tor spielte - doch Petermann und seine Verteidigerkollegen hatten auf vielfältigere Art und Weise zum Sieg beigetragen: Vor dem 1:0 lief Florian Kettemer mit der Scheibe elegant ins gegnerische Drittel und bediente Yannic Seidenberg, das 3:1 erzielte Benedikt Brückner mit einem Schlenzer in den Torwinkel selbst.

Wenn man den derzeitigen Erfolg des EHC vereinfacht erklären wollte, dann so: Die Offensivqualitäten der Verteidiger machen den Unterschied. Auf insgesamt 50 Torbeteiligungen bringen es die Münchner Defensivspieler bislang.

Trainer Pierre Pagé hatte im vergangenen Jahr bereits gefordert, dass sich die Verteidiger besser ins Offensivspiel einbringen sollten. Genauer gesagt: Für Pagé gab es keine Verteidiger oder Stürmer. "Fünf Mann, keine Positionen", so lautete sein Credo. Und so sah das dann auch oft aus: Niemand wusste, wo oder was er spielen sollte. Erst unter Don Jackson funktioniert das System - nicht zuletzt, weil in Regehr, Kettemer, dem derzeit verletzten Jeremy Dehner und Daryl Boyle Verteidiger verpflichtet wurden, die auch das Offensivspiel beherrschen. Einen Pass, wie ihn Regehr vor dem 2:1 spielte, "den spielt in dieser Liga sonst niemand", sagte Petermann.

Benedikt Brückner, Abwehrspieler beim EHC München, erzielte am Sonntag den spielentscheidenden Treffer beim 3:2-Sieg in Berlin. (Foto: Imago)

Dass die Münchner den höchsten Etat der Liga für Spieler mit individueller Klasse ausgegeben haben, war freilich nicht die neue Erkenntnis aus dem Spiel in Berlin. Neu, jedenfalls im Vergleich zum turbulenten 4:5 in Krefeld am Freitag, war die Abgeklärtheit, mit der die Münchner ihren Vorsprung verwalteten. "Wir haben intelligent gespielt", sagte Torwart Niklas Treutle. Sie hätten sich vorgenommen, möglichst ruhig und einfach zu spielen, erklärte Petermann. Der Plan ging auf: Berlin war das aktivere Team, kämpfte, versuchte alles, was der Kader von Jeff Tomlinson derzeit hergibt. Doch es gelang wenig, was die Münchner - die besseren Schlittschuhläufer und versierteren Techniker - verunsicherte.

Auch Don Jackson, der mit den Eisbären einst fünf Meistertitel holte, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Weder von Feuerwerkskörpern, die in Berlin vor einem Spiel unter dem Hallendach explodieren, noch von seiner "emotionalen Rückkehr" in seine alte Heimat. Mehr als von ihm war später dann auch von seinem System die Rede, das die Münchner mit jedem Spiel ein wenig mehr verinnerlichen. "Wenn wir so spielen", meinte Garrett Roe, "sind wir schwer zu schlagen." Roe übrigens ist Stürmer.

© SZ vom 04.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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