Süddeutsche Zeitung

Behindertensport:Team Deutschland

Laura Fürst und Johanna Welin starten mit den Iguanas in die Rollstuhlbasketball-Bundesliga - und sind Teil eines Pilotprojekts.

Von Sebastian Winter

Der Sommer war bronzefarben bei den RBB München Iguanas. Und wenn Laura Fürst, Johanna Welin und Kim Robins an diesem Wochenende zum Auftakt der Rollstuhlbasketball-Bundesliga nach Hamburg, in die Stadt ihrer Ende August gewonnen WM-Medaillen, zurückkehren, werden sie sicher auch wieder daran denken. Fürst und Welin, die beiden Frauen im gemischten Münchner Erstligateam, hatten mit Deutschland Platz drei erreicht, Robins den gleichen Rang mit Australien. Nun kehrt langsam wieder der Alltag ein bei den Leguanen, die am Samstag bei den BG Baskets Hamburg auch nicht mehr vor Tausenden Zuschauern spielen werden. Die Ambitionen sind dennoch groß bei den Iguanas mit ihren drei erfolgreichen WM-Teilnehmern. Nach Platz sechs im Vorjahr und den knapp verpassten Playoffs wollen sie diese nun erreichen.

Ein neuer Modus spielt dem Team von Trainer Benjamin Ryklin in die Karten. Haben sich früher nur die besten vier Klubs fürs Halbfinale qualifiziert, gibt es nun Pre-Playoffs des Dritten bis Sechsten um den Halbfinaleinzug. Die beiden Erstplatzierten sind direkt fürs Halbfinale qualifiziert. Das erhöht auch die Chancen für die Münchner, zumal sie kaum verändert in die neue Saison starten, samt Schlüsselspielern wie Sebastian Magenheim oder Florian Mach. Einziger Zugang ist Urs Rechtsteiner, der 18-Jährige spielte zuletzt in der zweiten Liga für Sabres Ulm. Außerdem gewann er Anfang September mit Bastian Kolb, einem weiteren Iguanas-Spieler, Silber bei der Junioren-Europameisterschaft. Ryklin war auch dabei - als Assistenztrainer. "Urs kann Aufbau oder Flügel spielen, ist ausgefuchst und hat eine hohe Spielintelligenz", sagt Ryklin. Allerdings fehlt Rechtsteiner den Münchnern wegen einer noch nicht verheilten Wunde voraussichtlich noch vier Wochen. Kathrin Rieder und Thomas Palaver, der bereits nach der Hinrunde der vergangenen Saison verletzungsbedingt nicht mehr gespielt hatte, verlassen die Iguanas hingegen in Richtung ihres früheren Klubs RSC Tirol.

Während im Kader der Iguanas einige Beständigkeit steckt, hat sich um das Aufsteigerteam von 2017 herum einiges verändert. Der Etat steigt langsam, aber stetig auf nun rund 35 000 Euro, was Ryklin zufolge immer noch den letzten Platz in diesem Bundesliga-Ranking bedeutet. Eine lokale Brauerei ist neu hinzugekommen - und in sportdeutschland.tv auch ein Sender, der die Spiele überträgt. Zwar nur als Livestream im Internet, aber immerhin.

Die größte Neuerung betrifft aber gar nicht die Iguanas in der Bundesliga, sondern in der Oberliga. Dort spielte, bei den Männern wohlgemerkt, schon vergangene Saison die einzige deutsche Frauenmannschaft - die Iguanas schafften den Klassenerhalt. Nun haben sich Verband, Verein und der gut vernetzte Ryklin auf ein ambitioniertes Pilotprojekt verständigt: Die Frauen bleiben in der Oberliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse, gehen aber als neues Team Germany Iguanas an den Start - quasi als Nationalmannschaft im Ligabetrieb. In Osnabrück soll das ebenfalls neu gegründete Team Nord nach demselben Prinzip im dortigen Ligabetrieb antreten. Der Sinn dahinter ist, die Nationalspielerinnen, die bislang hauptsächlich bei Männer-Erstligisten Nebenrollen innehatten, in zwei reinen Frauenteams zusammenzuziehen - und auf den Positionen spielen zu lassen, auf denen sie dann auch bei Welt- und Europameisterschaften oder den Paralympics zum Einsatz kommen.

Etwa einmal pro Monat soll es Lehrgänge in München samt Ligaspielen geben, zu denen Nationalspielerinnen wie Catharina Weiss (Ulm) anreisen; für Laura Fürst und Johanna Welin, die für die Iguanas in der Bundesliga und auch im Oberliga-Frauen-Team spielen, ist der Weg dann nicht ganz so weit. Auch nicht für Tanja Baier, die sich ebenfalls den Iguanas angeschlossen hat und künftig im Team Süd spielt. Jeden Freitag wird zudem für die Nationalspielerinnen ein offenes Training angeboten. Teammanager der Südauswahl ist Andreas Ebertz, der einstige Trainer der Bundesliga-Iguanas. Und die 27-jährige Fürst ist nicht nur Spielerin, sondern treibende Kraft hinter dem neuen Frauenteam - samt Organisation der Trainings, Lehrgänge und Spieltage. Und die Iguanas haben als Verein auch etwas davon. Durch das neue Projekt ist in München bei ihnen nun der Leistungsstützpunkt angesiedelt - samt der entsprechenden Fördergelder. Bis zum Start des Oberligabetriebs sind es noch ein paar Wochen, insofern können sich Welin und Fürst ganz auf ihre Rückkehr nach Hamburg konzentrieren, an den Ort ihres WM-Erfolgs. Zuhause in der Säbener Halle spielen die Iguanas dann erstmals am 6. Oktober: gegen die Roller Bulls Ostbelgien.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2018
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