Beachvolleyball:Starke Lehrmeisterin

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Elena Kiesling trainiert das Lohhofer Beachvolleyball-Duo Dollinger/Kulzer - und spielt selbst erfolgreicher als ihre Zöglinge auf der deutschen Tour.

Von Sebastian Winter, München

Es gibt wohl wenige Konstellationen im Leistungssport, in denen Trainer besser in der Rangliste positioniert sind als ihre Schüler. Bei Armin Dollinger, Simon Kulzer und Elena Kiesling, die alle für den SV Lohhof starten, ist das aber genau so. Alle drei sind Beachvolleyballer, Dollinger, 28, und Kulzer, 21, bilden ein Duo, das in diesem Jahr um die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft in Timmendorfer Strand kämpft. Es wird eng, sehr eng sogar, Dollinger und Kulzer sind zurzeit 15. der Zulassungsliste für die DM, an der die jeweils 16 besten deutschen Frauen- und Männer-Duos teilnehmen dürfen. Zwei Turniere sind es nur noch bis Timmendorf, in Zinnowitz an diesem Wochenende sind sie im Hauptfeld, in Kühlungsborn eine Woche darauf sind sie bislang nur erster Nachrücker. Kommen sie dort nicht ins Hauptfeld, gehen ihnen wichtige Qualifikationspunkte verloren.

Und Kiesling, ihre Trainerin? Sie ist zurzeit mit der Melanie Gernert zehntbestes deutsches Frauenduo, ganz dicht hinter den Siebtplatzierten. Sie spielt also gerade erfolgreicher als ihre Schützlinge auf der deutschen Tour im Sand. Für die DM ist das Duo schon sicher qualifiziert, über die Chancen von Dollinger-Kulzer sagt Kiesling: "Das wird ein knallhartes Rennen."

Mit 37 und 32 haben sie sich zusammengetan - und mischen die Szene auf

Man kann sagen, dass Kiesling und Gernert, die für den SV Lohhof starten, die zweite Reihe bilden, hinter Nationalteams wie Borger/Sude, Ittlinger/Laboureur, Ludwig/Kozuch und Bieneck/Schneider, die alle gerade bei der Europameisterschaft sind. Es ist eine erstaunliche Geschichte, aus vielerlei Hinsicht. Denn es ist ihre erst zweite gemeinsame Saison, nach rund 15 Jahren auf der deutschen Tour, in denen sie stets Gegnerinnen im Sand waren. Jetzt, mit 37 (Kiesling) und 32 (Gernert), haben sie sich zusammengetan - und mischen die Szene auf. Ende August 2018 wurden sie Fünfte bei der DM, auch dieses Jahr ist ihre Bilanz bislang herausragend: Platz vier in Münster, Platz eins in Düsseldorf, Platz zwei in Nürnberg, jeweils Platz fünf in Dresden und St. Peter-Ording: Die Ergebnisse stimmen, im Gegensatz zu jenen von Dollinger/Kulzer, die sich eher durch die Saison quälen. Das Erstaunliche ist auch, dass Kiesling und Gernert fast noch nie zusammen trainiert haben. Unter der Woche lebt und arbeitet Gernert in Berlin, Kiesling ist Athletiktrainerin beim SV Lohhof und Coach von Dollinger und Kulzer. Sie trainieren dann eben getrennt mit anderen Beachvolleyballerinnen.

An den Wochenenden haben die Männer für Kiesling klare Priorität, oft spielen sie zugleich bei den Turnieren parallel mit den Frauen. In Düsseldorf sah das dann so aus, dass Dollinger/Kulzer und Kiesling/Gernert bis ins Halbfinale kamen. "Da bin ich dann von Court zu Court gerannt", sagt Kiesling, zu ihren eigenen Spielen, und als Coach von Dollinger/Kulzer. Die Männer schieden im Halbfinale aus, sie selbst erreichte mit Gernert das Finale und siegte.

"Melanie ist eine der überragenden Abwehrspielerinnen in Deutschland, wir haben beide ein ganzes Stück an Erfahrung und werden nicht so schnell nervös wie die jungen Teams. Und athletisch sind wir immer noch vorne dabei. Außerdem lieben wir diesen Sport, fahren an coole Orte, setzen uns kein Ziel", sagt Kiesling.

Vielleicht ist diese Gelassenheit ein entscheidender Unterschied zu Dollinger/Kulzer, deren Ziel die Olympiateilnahme 2024 oder 2028 ist, die sich aber erst noch finden müssen. So etwas kann Jahre dauern, Kiesling und ihr Team, zu dem Psychologinnen, Fitness- und Taktikcoaches gehören, arbeiten fieberhaft daran. "Wir müssen zwei sehr, sehr unterschiedliche Spieler zusammenbringen, Simon ist sehr detailverliebt und analytisch, Armin eher der Stratege. Wir haben mit Hürden zu kämpfen, aber weichen nicht von unserem Weg ab. Harte Arbeit zahlt sich irgendwann aus", sagt Kiesling.

"Der Weg nach oben war mir nicht klar und mir hat ihn auch niemand aufgezeigt."

Eine große Hürde ist gerade das Ende der Halle Beach 38 am Ostbahnhof, die am 31. Juli die Pforten schloss und für neue Immobilien abgerissen wird. "Das ist eine riesen Katastrophe für uns Beachvolleyballer in München und extrem schlecht", sagt Kiesling - eine weitere solche Halle mit ihren Trainingsmöglichkeiten hat die Stadt so zentral nämlich nicht zu bieten. Künftig weichen sie nach Aschheim in die Halle Roberto Beach an der Wasserski-Anlage aus, die ihnen eine Kooperation angeboten hat.

Dort möchte sich auch Kiesling fit halten für die nächsten Turniere.

Gernert und sie sind so etwas wie Dinosaurier auf der Tour, das ist nicht despektierlich gemeint. Für Gernert wäre es Ende August die zehnte DM-Teilnahme, für Kiesling die vierte. 2011 war Gernert Europameisterschafts-Neunte, 2013 wurde Kiesling als Interimspartnerin von Karla Borger, der Nationalspielerin und Olympia-Neunten von Rio, ebenfalls Neunte bei der EM in Klagenfurt. Sie spielten damals vor 8000 Zuschauern auf dem Center Court gegen die Schwaiger-Schwestern aus Österreich, die späteren Europameisterinnen, und verloren knapp in zwei Sätzen. Das zweite und letzte internationale Turnier gewann Kiesling gar im selben Jahr in Seoul.

Warum sie so spät richtig gut geworden ist, mit um die 30? "Ich bin eine der Spielerinnen, die durchs Raster gefallen sind. Im Kader war ich nicht, der Weg nach oben war mir nicht klar und mir hat ihn auch niemand aufgezeigt." Sie hatte auch einige andere Dinge zu tun, beim Hallen-Zweitligisten Bad Soden war sie lange Zeit Spielertrainerin, später wechselte sie als Trainerin an den Beachvolleyball-Stützpunkt in Stuttgart, bevor sie nach München zog.

Kiesling ist im Reinen mit sich, sie liebt ihren Sport zu sehr, um nicht mehr im Sand zu spielen. Auch wenn ihre Schulter schmerzt. Und auch wenn sie weiß, dass es im Fördersystem für sie wohl sogar in Richtung Nationalteam gegangen wäre und damit auch ins internationale Rampenlicht. Das Schöne ist: Kiesling kann genau dieses Verlangen nun weitergeben an ihre beiden Schüler - die sie dann aber bald auch bitte überholen sollen.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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