Süddeutsche Zeitung

Basketball:Unter Freunden

Der FC Bayern reist mit Respekt zum Euroleague-Spiel bei Fenerbahce Istanbul. Was auch am letztjährigen Kollegen Derrick Williams liegt.

Von Ralf Tögel

Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, dem ehemaligen Kollegen eins auszuwischen? Der das Team noch dazu entgegen seiner Ankündigung nach nur einem Jahr wieder verlassen und bei einem finanziell potenteren Klub in Europa angeheuert hat? "Nein, nein", sagt Danilo Barthel, "die Freude überwiegt eindeutig." Die Rede ist von Basketball-Profi Derrick Williams, der in der vergangenen Saison noch mit dem FC Bayern deutscher Meister wurde und danach zu Fenerbahce Istanbul weitergezogen ist. Dass er das deutlich lukrativere Angebot aus der Türkei angenommen hat, darüber ist ihm in München niemand böse, auch Bayern-Kapitän Barthel ist die Wertschätzung für den Kollegen anzumerken. "Wir wissen um seine Stärken", sagt Barthel, wir haben ja viel miteinander trainiert." Aber im Low Post, also im Spiel unter dem Korb, da sehe er einen kleinen Vorteil bei sich. Der Austausch von Nettigkeiten wird eine Randnotiz bleiben an diesem Freitagabend (Spielbeginn 18.45 Uhr) in der 13 500 Zuschauer fassenden Ülker Sports Arena, wenn sich Fenerbahce und der FC Bayern am siebten Spieltag der Euroleague gegenüberstehen.

Der türkische Topklub verkörpert die europäische Elite wie wenige Konkurrenten, in den vergangenen fünf Spielzeiten stand Istanbul stets im Final Four, 2017 nahmen sie die Trophäe der Königsklasse mit nach Hause. Aktuell allerdings stottert das ansonsten so hochklassige Spiel des türkischen Serienmeisters, der in der vergangenen Saison jedoch vom ungeliebten Stadtrivalen Anadolu Efes überholt wurde. Efes gewann nicht nur die Meisterschaft, sonder kegelte Fenerbahce auch im Halbfinale aus der Euroleague. Der Klub nahm also nochmals ordentlich Geld in die Hand, auch um die Weggänge von Nicolo Melli und Marko Guduric zu kompensieren, die beide in die NBA gingen. Es kamen unter anderen Nando de Colo und eben Williams.

Greg Monroe führt beim FCB fast alle Statistiken an und sagt: "Ich kann viel besser spielen"

Die Qualitäten von Williams, der ja mit der Empfehlung von 428 NBA-Spielen an die Isar gekommen war, sind hinlänglich bekannt, so einen Akteur hatte die Basketball Bundesliga (BBL) bis dahin noch nicht gesehen. De Colo, der selbstredend auch über NBA-Erfahrung verfügt, war maßgeblich am Euroleague-Triumph von ZSKA Moskau im Vorjahr beteiligt, beim 87:80-Erfolg gegen Baskonia Vitoria-Gasteiz Mitte Oktober gab er mit 39 Punkten eine Kostprobe seiner Fähigkeiten. Gegen die Spanier unterlagen die Bayern bekanntlich vor Wochenfrist mit 60:93. Dass Fenerbahce aber seine fünf weiteren Spiele verlor, rückt sie in den Bereich des schlagbaren Konkurrenten. Das sieht auch Barthel so. Man trete ohnehin jeden Europatrip mit dem Ziel an, siegreich heimzukehren, "alles andere wäre der falsche Ansatz". Allein der Triumph gegen Real sollte diese These stützen, wenngleich der FCB ein paar Probleme mitnimmt.

Neben den verletzten T. J. Bray, Josh Huestis und Mathias Lessort, deren Rückkehr eine offene Frage ist, steht auch hinter dem Mitwirken von Nihad Djedovic ein Fragezeichen. Während Barthel im Kreise der Kollegen schwitzte, machte Djedovic ein paar Übungen mit dem Athletikcoach, Teamtraining war nicht möglich. Trainer Dejan Radonjic wollte daher keine belastbare Prognose wagen, noch sei Zeit, man werde abwarten. Der personelle Aderlass sei indes ein Grund für die Leistungsschwankungen, die sein Personal derzeit offenbare. Auch der fordernde Spielplan komme der personellen Situation nicht entgegen, aber "richtig wichtig wird es zum Ende der Saison". Auch Barthel sieht so früh in der Spielzeit wenig Anlass, der Partie am Bosporus richtungsweisenden Charakter zuzuordnen, ein Erfolg und die damit positive Bilanz von 4:3 Siegen wäre dem Selbstvertrauen aber schon dienlich.

Bayern-Center Greg Monroe hat eine recht einfache Sicht der Dinge: "Wir kümmern uns nur um das nächste Spiel", sagt der Amerikaner, angesichts des Spitzenspiels am Sonntag gegen Alba Berlin, dem Duell der beiden ungeschlagenen BBL-Kontrahenten. Der 29-Jährige ist ja mit einer noch größeren Reputation als Williams zum FCB gekommen. Und Monroe erfüllt die Erwartungen, der 2,11-Center erzielt in der Euroleague für sein Team die meisten Punkte, sammelt die meisten Rebounds und gibt - untypisch für einen Center - auch die meisten Assists. Und er sagt: "Ich kann definitiv viel besser spielen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4668934
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.