Süddeutsche Zeitung

Basketball:Renitent bis kurz vor Schluss

Die Bayern-Basketballer liegen bei ZSKA Moskau lange Zeit in Führung, verlieren das Euroleague-Spiel aber doch.

Von Matthias Schmid, Moskau/München

Der kleine Bub auf dem Arm seines Vaters hatte keine Lust auf ein Interview. "No", entgegnete der Sohn von Will Clyburn mit grimmigem Blick auf die Frage eines Reporters, ob er etwas sagen wolle. Er hoffte, auch sein Papa würde endlich aufhören, in so ein blödes Mikrofon zu plappern. Doch Clyburn, der frühere Ulmer Basketballer, war am Donnerstagabend beim Sieg von ZSKA Moskau gegen den FC Bayern nun mal der gefragteste Spieler des Abends, weil er im Schlussviertel entscheidend mitgeholfen hatte, dass Moskau gegen die lange renitenten Münchner in den letzten zehn Minuten erstmals in Führung ging. "Es war wichtig, dass wir gewonnen haben", fand Clyburn, der 20 Punkte sammelte. "Wir haben den Sieg für unser Selbstvertrauen gebraucht, besonders nach der letzten Heimniederlage."

Dass das Spitzenteam nicht unverwundbar ist für die Konkurrenten in der höchsten europäischen Spielklasse, hatte in der Woche zuvor schon Tel Aviv bewiesen. Nun zeigten auch die Münchner, dass sie der Auswahl mit einigen internationalen Spitzenkräften auf Augenhöhe begegneten. Sie piesackten sie gehörig, in der Anfangsphase dominierten sie die Partie sogar und konnten ein bisschen enteilen, auf 19:6, weil sie ihre Würfe trafen und lästig verteidigten, während die Moskauer mit ihren Würfen haderten. "Wir hatten uns einen Vorteil erarbeitet", sagte Bayern-Cheftrainer Dejan Radonjic. Im letzten Viertel aber, als Sergio Rodriguez seine Mannschaft 66:64 in Führung brachte, entschieden Kleinigkeiten die Partie. "ZSKA hat dann in ein paar Minuten Fehler von uns mit seiner großen Erfahrung und Qualität ausgenutzt", stellte Radonjic enttäuscht fest. Ein bisschen mehr als zwei Minuten benötigten die Russen nur, um sich nach einem Dreier von Rodriguez einen zweistelligen Vorsprung zu erspielen (75:64). "Wenn du nicht die kompletten 40 Minuten aufpasst, zieht so ein Topteam eiskalt weg", sagte Münchens Center Leon Radosevic.

Die Bayern mussten in dieser kurzen Phase leidvoll erfahren, wie es sich anfühlt, wenn der Kontrahent angesichts der Ausfälle der Langzeitverletzten Milan Macvan und Devin Booker sowie kurzfristig Vladimir Lucic (Infekt) die besser besetzte Bank besitzt. In der Bundesliga sind es normalerweise die Münchner, die frische Profis einwechseln können, die dem Spiel noch eine Wendung geben können. Doch diesmal mussten sie tatenlos zusehen, wie Joel Bolomboy mit einem Verzweiflungsdreier und einem spektakulären Dunk neben Clyburn großen Anteil daran hatte, dass Moskau das Spiel noch zu drehen vermochte. Erschwerend kam im Schlussviertel hinzu, dass Münchens Kapitän Danilo Barthel (fünftes Foul) und Spielmacher Maodo Lo (Kniebeschwerden) nicht mehr mitwirken konnten. Radonjic vermisste in der Verteidigung vor allem den vielseitigen Lucic. "Er hat uns gegen Clyburn gefehlt", hob der Montenegriner hervor. Clyburn zeichnet neben seiner Treffsicherheit und Athletik vor allem auch die Fähigkeit aus, sich in Korbnähe mit dem Rücken zu kleineren Gegenspieler aufzuposten, um so zu leichten Punkten zu kommen.

Lucic soll am Dienstag wieder mitspielen können. Der Spielplan führt den FC Bayern dann in der Bundesliga nach Göttingen, bevor sich der Tross abermals aufmacht nach Moskau, wo die Bayern-Basketballer dann am Freitag bei Khimki antreten müssen.

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SZ vom 19.01.2019
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