Basketball:Reifeprüfung

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Die Basketballer des FC Bayern schicken ihre besten Talente zur Konkurrenz. Dort sollen sie die Spielpraxis sammeln, die sie beim Meister nicht bekommen.

Von Ralf Tögel

Derrick Williams, Stefan Jovic, Devin Booker. Diese drei Namen genügen, um zu verdeutlichen, wie schwer es werden dürfte, in den Kader des FC Bayern München zu kommen. Denn der deutsche Basketball-Meister gedenkt keinesfalls, seine Ansprüche angesichts der abgewanderten Spitzenkräfte zu senken. Das hat Marko Pesic umgehend verdeutlicht, als die Personalien öffentlich wurden, er verstehe diesen Umbau vielmehr als Möglichkeit, die Mannschaft weiter zu verstärken. Und Pesic hat Wort gehalten, in Flügelspieler Josh Huestis und Center Greg Monroe wurden zwei Akteure aus der NBA verpflichtet, die amerikanische Profiliga gilt nicht umsonst als die mit Abstand weltbeste. Weitere Zugänge sind der international erfahrene französische Nationalcenter Mathias Lessort, aus Vechta kam T.J. Bray, in der abgelaufenen Bundesligasaison zum zweitbesten Spieler gekürt. Neu ist auch Guard Diego Flaccadori, der Italiener ist Nationalspieler, beim deutschen Meister kommt er erst mal über den Status "Ergänzungsspieler" nicht hinaus.

Schöne Nachrichten sind das für den Klub, weniger schöne für die eigenen Talente - im Basketball zeichnet sich angesichts der längst formulierten Ambitionen in Richtung Europas Spitze eine ähnliche Entwicklung ab wie in der Nachbarabteilung der Fußballer. Zwar werden keine irrwitzigen Ablösesummen aufgerufen oder Gehälter bezahlt, aber es wird zusehends schwerer für die eigenen Talente, sich einen Platz in der Profimannschaft zu ergattern. Und das, obwohl die FC-Bayern-Nachwuchsabteilung in der vergangenen Saison erfolgreich war wie nie zuvor.

Die zweite Mannschaft stieß in der zweiten Liga ProB erstmals in das Playoff-Viertelfinale vor, die U19 und die U16 wurden jeweils deutscher Meister. Was natürlich neben der ständig steigenden Professionalität im Nachwuchsbereich zuvorderst an den Hochtalentierten lag, die der FC Bayern mittlerweile in schöner Regelmäßigkeit hervorbringt. Spieler wie die beiden U-20-Nationalspieler Bruno Vricic, 18, und Kilian Binapfl, 19, Führungskräfte in der U-19-Auswahl und bereits in der ProB-Reserve erprobt. Spieler aber auch, die im Kader eines ambitionierten Euroleague-Teilnehmers - das regelmäßige Erreichen der Runde der besten Acht ist das erklärte internationale Ziel der Bayern -, überfordert wären. Und nicht zuletzt Spieler, denen die zweite Mannschaft in der ProB, die ja nach BBL und ProA eigentlich die dritte Liga ist, perspektivisch nicht genug Herausforderung bietet.

U-19-Kapitän Vrcic unterschrieb daher für zwei Jahre bei den Frankfurt Skyliners, wo er auf Richard Freudenberg treffen wird, der ebenfalls dem Nachwuchsprogramm des FCB entstammt. Binapfl hat für zwei Jahre bei den Baskets Bonn unterschrieben, soll dort behutsam in den Kader integriert werden. Zu gut für die Zweite, zu schlecht für die Profis? Von solchen Aussagen nimmt Pesic Abstand, zumal Binapfl in Rhöndorf auch ProB im Farmteam spielen wird. Dass solche Talente nicht zu halten sind, hat indes meist vielschichtigere Gründe, als der Abstand zum Profikader: "Als sie kamen, hatten sie keine Berater, jetzt haben sie welche", erklärt Pesic, es gebe noch andere Einflüsse. Pesic werde die Werdegänge der Spieler genau verfolgen, gerade bei Vrcic könne er sich eine Rückkehr vorstellen: "Viele Wege führen nach Rom", sagt er, essenziell sei zunächst viel Spielpraxis.

Nach diesem Muster verfährt der FC Bayern auch mit Akteuren, die bereits eine Stufe weiter sind. Die beiden U20-Nationalspieler Marvin Ogunsipe und Nelson Weidemann gehörten bereits in der abgelaufenen Saison dem Profikader an, beide hatten Einsatzzeiten in der Bundesliga. Weidemann wird für die beiden kommenden Spielzeiten an Brose Bamberg ausgeliehen, wo er Bundesliga und Champions League spielen wird. Danach hat der 20-Jährige noch ein Jahr Vertrag nebst Option auf eine Rückkehr nach München. Das Leihgeschäft nach Bamberg verdeutlicht, wie weit der FC Bayern der nationalen Konkurrenz mittlerweile entrückt ist. Bis vor zwei Jahren wurden die Münchner vom ehemaligen Serienmeister noch regelmäßig in die Schranken gewiesen, nun leiht Bamberg Talente aus München.

Auch Marvin Ogunsipe soll nach dem Wunsch von Marko Pesic an die Isar zurückkehren. Der 23-jährige Wiener mit deutschem Pass geht zunächst aber eine Saison zum BBL-Aufsteiger Hamburg Towers, um dort eine tragende Rolle zu spielen. Pesic hat einen genauen Plan, wie sich der österreichische Nationalspieler weiterentwickeln soll. "Wir hatten mit Hamburgs Trainer Mike Taylor gute Gespräche", erzählt der FCB-Geschäftsführer, Hamburg verspreche also für die kommende Saison viel Spielzeit auf erstklassigem Niveau. Danach "kommt Marvin zu 100 Prozent zurück", so Pesic. Der athletische 2,04-Meter-Forward hatte sich in jener Phase, als in Devin Booker ein großer Spieler verletzt fehlte, bewährt.

Für Karim Jallow dagegen wird es keine Rückkehr geben. Vorerst, wie Pesic betont. Für das FCB-Eigengewächs war ein ähnlicher Weg vorgesehen, nach dem Leihjahr in Ludwigsburg sollte der Weg des A2-Nationalspielers zurück nach München führen, doch die abgelaufene Saison verlief nicht nach Wunsch. Jallow reifte in Ludwigsburg nicht zu jenem Akteur, der dem Meister weiterhelfen kann. Der Vertrag wurde aufgelöst, fortan soll sich der 22-Jährige bei den Löwen Braunschweig zum Leistungsträger entwickeln: "Dort wird er die Spielzeit haben, die er bei uns nicht bekommen kann", sagt Pesic. Auch Jallow werde er nicht aus den Augen verlieren: "Karim ist doch unser Kind", sagt Pesic in Anspielung darauf, dass der gebürtige Münchner beim FC Bayern groß geworden ist und alle Jugendteams durchlaufen hat. Beim Playoff-Viertelfinal-Gegner des Vorjahres, den die Münchner auf dem Weg zur Titelverteidigung mit 3:0 aus dem Rennen geworfen hatten, unterschrieb der Power Forward daher für drei Jahre - genug Zeit für einen Reifeprozess vom Hochtalentierten zum gestandenen BBL-Spieler. Dann ist Jallow gerade mal 25, im besten Basketballalter also, dann werde man sehen.

Marko Pesic weiß natürlich, wie viele Konjunktive seine Gedankenspiele begleiten, er ist aber auch überzeugt, dass langfristig eigene Talente im Profiteam spielen werden. Das ist nicht nur im Fußball die Vision: die großen Namen selbst zu entwickeln.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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