Basketball:Plötzlich mittendrin

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Zuschauer aus nächster Nähe: Hier muss Joshua Obiesie Münchens Braydon Hobbs ziehen lassen. Doch bei seinem Debüt für Würzburg erzielte der Teenager am Mittwoch selbst zwölf Punkte. (Foto: Christian Kolbert/imago/kolbert-press)

Ausgerechnet in seiner Heimatstadt München gibt der Basketballer Joshua Obiesie, 18, sein Profidebüt für Würzburg. Der Matchwinner beim 87:69 für den FC Bayern ist allerdings Braydon Hobbs.

Von Matthias Schmid, München

Joshua Obiesie hat Anfang November ein Euroleague-Spiel des FC Bayern besucht. Als Fan, der 18-Jährige schaute sich damals die Partie gegen Darussafaka Istanbul an. Er sah, wie Petteri Koponen beim 116:70-Erfolg der Münchner Basketballer 16 Punkte sammelte und dabei vier Dreier in seiner lässigen Art verwandelte, trocken und ansatzlos.

Obiesie, Kursteilnehmer der in Schwabing ansässigen Internationalen Basketball-Akademie in der Nachwuchs-Bundesliga NBBL, hätte damals nicht geglaubt, dass er schon in wenigen Wochen zurückkehren würde in den Audi Dome, als Spieler wohlgemerkt. Doch am zweiten Weihnachtsfeiertag war es tatsächlich soweit. Er stand im Trikot von s.Oliver Würzburg plötzlich unten auf dem Parkett im Scheinwerferlicht. Er sah Koponen nicht mehr von der Tribüne aus, sondern ließ ihn im Eins-gegen-Eins wie eine Slalomstange stehen, als er so rasant zum Korb zog, als würde er eine Abkürzung kennen, und mit einem eleganten Korbleger abschloss.

Obiesie hat an Weihnachten seinen Traum Wirklichkeit werden lassen, ein kleines Märchen ist für ihn wahrgeworden. Er hatte ja ohnehin in den vergangenen Wochen eine Karriere im Zeitraffer erlebt, zunächst unterschrieb er in Würzburg seinen ersten Profivertrag, dann lief er erstmals im viertklassigen Europe Cup für seinen neuen Klub auf, bevor er am Mittwoch schließlich mit Würzburg in der Basketball-Bundesliga (BBL) debütierte, ausgerechnet in München, seinem Heimatort. "Ich habe einige Minuten gebraucht, um meinen Rhythmus zu finden, aber dann hat es Spaß gemacht", stellte er zufrieden fest und fügte hinzu: "Überall in der Halle saßen Familie und Freunde." Dass Würzburg am Ende mit 69:87 gegen die Bayern das Nachsehen hatten - geschenkt. Für Obiesie waren seine ersten Minuten in der BBL ein kleiner Triumph. Zwölf Punkte sammelte er bei der Premiere.

Sein Einsatz war ein schöner Randaspekt, die Geschichte der Partie schrieb aber ein anderer: Braydon Hobbs, der häufig verschmähte Spielmacher des FC Bayern. Als bester Münchner Werfer kam er auf 15 Punkte. Zuletzt hatte er wenig gespielt, unter anderem wegen eines Infekts, aber vor allem deshalb, weil der Bayern-Cheftrainer Dejan Radonjic glaubt, dass der US-Amerikaner nicht die Härte und Verlässlichkeit in der Abwehrarbeit aufbringen kann, die er erwartet. Dabei ist Hobbs kein schlechter Verteidiger, er ahnt die Passwege der gegnerischen Spielmacher häufig voraus und kann so schnelle Gegenangriffe einleiten. Auch viele Zuschauer in der Halle wünschen sich, Hobbs häufiger auf dem Parkett zu sehen, denn das ist meistens ein Spektakel. Hobbs ist ein Artist am Ball, verwegen, anarchisch, immer für eine Überraschung gut, weil er nicht nur wilde Dreier probiert, sondern seine Mitspieler vorzugsweise mit No-Look-Pässen bedient.

Trotzdem hatte er zuletzt bei der Niederlage gegen Alba Berlin im Pokalviertelfinale die meiste Zeit auf der Ersatzbank ausharren müssen. Nur zwei Minuten und 55 Sekunden durfte er mitwirken, dabei hätte er in der Schlussphase seine Mannschaft mit ein paar schlauen Aktionen vitalisieren können. Er hätte mit seinem unorthodoxen Spiel der X-Faktor werden können, ermattet wirkten die Münchner da. "Die Kraft hat in den letzten fünf Minuten gefehlt", wie Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic feststellte. Aber Radonjic wechselte Hobbs nicht ein, genauso wenig wie Koponen, der in der ersten Hälfte alle seine fünf Würfe traf. Warum er besonders Hobbs und auch Robin Amaize verschmäht, ist eines der Rätsel von Radjonjic. Lust, die Gründe hierfür näher auszuführen, hat er selten. Er sagt dann, dass er die anderen noch besser findet.

Gegen Würzburg jedoch waren Hobbs und Amaize, der auf zwölf Punkte kam, die auffälligsten Bayern-Profis. Hobbs, 29, begegnete mit Ironie der Frage, warum er kaum mehr spielen dürfe. "In der ersten Hälfte habe ich mich so gefühlt, als hätte ich Beton an den Füßen." Er brauchte gegen Würzburg ein paar Minuten, um ins Spiel zu finden. Doch dann verwandelte er allein fünf Dreier. Ob er an diesem Freitag (20.30 Uhr/Audi Dome) wieder zuschauen muss, wenn es in der Euroleague gegen den Außenseiter Podgorica, den Klub aus der Hauptstadt Montenegros, geht? Hobbs ist selbst gespannt, was passieren wird.

Joshua Obiesie wird das Spiel bestimmt verfolgen. Als großer Distanzwerfer wie Hobbs tat er sich bei seinem Debüt in München nicht hervor, er verfehlte seine beiden Würfe von jenseits der 6,75 Meter entfernten Linie. Die Stärke des 1,98 Meter großen Spielers ist eine andere, er kann mit seinen schnellen Fingern Bälle klauen und rasant nach vorne rennen, um den Fastbreak abzuschließen, oder aber er zieht in Höchstgeschwindigkeit an seinem Gegenspieler vorbei zum Korb. "Er bringt schon fast das komplette Paket mit. Größe, Athletik, Schnelligkeit, Wurf, das ist alles bei ihm schon sehr ausgeprägt", sagt Robert Scheinberg. Der Schwabinger Trainer trainiert Obiesie, seit dieser elf ist. Die beiden verfolgen ambitionierte Ziele, die NBA soll es später mal werden. Jetzt hat Joshua Obiesie mit dem Debüt in der BBL immerhin eine Vorstufe erreicht. Die Euroleague darf er sich noch weiter von der Tribüne aus ansehen.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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