Marko Pesic konnte nicht mehr hinsehen. 21,7 Sekunden waren noch zu spielen, von der Anzeigetafel leuchtete ein 79:76-Vorsprung. Der Basketball-Geschäftsführer des FC Bayern München vergrub das Gesicht in seinen Händen, er ahnte, was kommen würde. Zan Mark Sisko stand an der Seitenlinie zum Einwurf bereit, aber die Spieler der MHP Riesen Ludwigsburg verteidigten derart giftig, dass er keine Anspielstation fand und die Zeit ablief: Ballbesitz für Ludwigsburg. Jaleen Smith, mit 29 Punkten bester Werfer der Gäste, bekam den Ball und verkürzte auf 78:79 - plötzlich war der Sieg der Gastgeber in größter Gefahr.
Aber die Bayern haben ja Vladimir Lucic, der sich den letzten Rebound schnappte, dabei gefoult wurde und per Freiwurf zum 81:78-Sieg traf. Die Bayern führen nun in der Playoff-Serie 2:1 und können bereits am Freitag (20.30 Uhr), abermals in eigener Halle, das Finale um die deutsche Meisterschaft erreichen. Im zweiten Halbfinale setzte sich Alba Berlin 80:72 gegen Ulm durch und hat ebenfalls im nächsten Spiel die Chance auf den Finaleinzug.
Die Bayern haben in einer langen Saison viel Erfahrung in K.o.-Spielen gesammelt - der wohl entscheidende Vorteil
Die Erklärung dafür, dass sein Bayern-Team trotz einer zweistelligen Führung (71:60) vier Minuten vor dem Ende das Spiel fast noch aus der Hand gegeben hätte, lieferte Pesic gleich mit: "Die Jungs sind platt, ich weiß gar nicht, das wievielte Spiel das heute war." Es war Auftritt Nummer 85. Mittlerweile gibt der Wille den Ausschlag über Sieg und Niederlage, wie Gäste-Trainer John Patrick feststellte: "Die Mentalität entscheidet alles." Obwohl Ludwigsburg im Vergleich zum Euroleague-Starter München 40 Spiele weniger absolviert hat, neigten sich auch die Kraftreserven der Schwaben dem Ende zu, weil ihr Kader kleiner sei. "Wir sind sehr müde", sagte Patrick, "aber Bayern ist ein bisschen mehr müde, sie haben verdient gewonnen."
Erschöpfter Held: Vladimir Lucic war einmal mehr in der entscheidenden Phase zur Stelle und führte den FC Bayern zum knappen Sieg gegen Ludwigsburg.
(Foto: Mladen Lackovic/imago)Der Pokalsieger verfügt über mehr individuelle Qualität als der Hauptrunden-Erste Ludwigsburg. Neben Lucic sammelten Wade Baldwin (22), Leon Radosevic (13 Punkte, acht Rebounds) und Paul Zipser (10) Punkte im zweistelligen Bereich. Allerdings leidet die Qualität im Münchner Spiel, die lange Saison fordert zusehends ihren Tribut, Lucic etwa stand immer wieder gebeugt auf dem Parkett, stützte die Hände auf die Knie und pumpte wie ein Maikäfer. Doch irgendwie schafften es die Spieler, die letzten Reserven aus ihren Leibern zu pressen. Und die Münchner haben im Gegensatz zu den Riesen in Pokal und Euroleague viel Erfahrung in K.o.-Spielen gesammelt, ein entscheidender Vorteil, wie Radosevic findet: "So spielen wir ja schon die ganze Saison. Die letzten fünf Minuten sind immer ein Krimi."
Andrea Trinchieri erwartet das nächste enge Spiel: "Wir müssen bereit sein für einen weiteren Kampf."
Ludwigsburg war besser gestartet, führte zur Pause 39:37, FCB-Trainer Andrea Trinchieri fasste das Geschehen in der ersten Hälfte so zusammen: "Wir litten, sie waren besser." Doch nach der Pause steigerte sich der Favorit, erhöhte die Intensität in der Defensive und verbesserte die vorher schon ordentlichen Wurfquoten weiter. Vor allem bei den Drei-Punkte-Würfen sind die Bayern in der Liga das Maß der Dinge, Baldwin, Zipser, Lucic und Radosevic, der erneut sowohl in der Abwehr als auch im Angriff eine überzeugende Leistung bot, trafen zuverlässig.
Allerdings hatten die Gastgeber erneut die höhere Zahl an Ballverlusten, 16 Mal unterliefen dem Team Fehlpässe, Offensivfouls oder technische Fehler. Eine Folge der hohen Belastungen, Trinchieri wollte mit seinen Spielern daher nicht zu hart ins Gericht gehen: "Alle Spieler haben ihr Bestes gegeben, aber man kann nicht glänzen und den besten Basketball spielen. Das Einzige, was zählt, ist der Sieg." Mit einem 13:0-Lauf im dritten Viertel (22:14) holte sich der Favorit den letztlich entscheidenden Vorsprung.
Ludwigsburg muss nun am Freitag gewinnen. Patrick verspricht schon einmal, dass sein Team "wieder sein Bestes geben wird". Auch Kollege Trinchieri weiß, dass sich dieser Gegner, der "so hart und physisch spielt", noch nicht aufgegeben hat: "Ludwigsburg wird immer daran glauben, gewinnen zu können." Er erwartet das nächste enge Spiel: "Wir müssen bereit sein für einen weiteren Kampf."