Süddeutsche Zeitung

Basketball:Harte Zeiten

Enger Spielplan: Sonntag gegen Crailsheim, Donnerstag in Tel Aviv, Sonntag drauf geht es gegen Göttingen weiter.

Von Ralf Tögel

Es ist ein Moment der Ruhe, von denen gibt es derzeit nicht viele im Leben des Basketballprofis Danilo Barthel. Gerade wurde er noch vom Trainer über das Parkett im Audi Dome gescheucht, nun sitzt er verschwitzt da und soll ein paar erhellende Worte über den nächste Gegner sagen. Am Sonntagabend noch wurde er von einer Horde Crailsheimer Basketballer durch die Halle gehetzt, die partout nicht einsehen wollten, dass man beim deutschen Meister gefälligst zu verlieren hat. Haben sie dann doch, deutlich mit 63:82 Punkten, standesgemäß. Denn Danilo Barthel und seine Kollegen vom FC Bayern München sind das Beste, was der deutsche Basketball derzeit zu bieten hat - vielleicht jemals zu bieten hatte. In den vergangenen 17 Tagen wurden die Münchner Basketballer achtmal von ihren Gegnern über das Parkett gescheucht, an diesem Donnerstag steht bereits die nächste Partie an, bei Maccabi Tel Aviv, einer der besten Mannschaften Europas.

Auf die Frage, ob sein Akku wieder einigermaßen voll sei, entfährt dem Münchner Kapitän ein Seufzer: "Bei dem Programm kann man nicht von einem vollen Akku sprechen." Die Chance auf Regeneration ist obendrein recht überschaubar. Bis Weihnachten stehen weitere sechs Pflichtspiele auf dem Programm, mit Gegnern wie dem FC Barcelona oder Alba Berlin. Zwischen Weihnachten und Neujahr gastiert in der Euroleague Zalgiris Kaunas, in der Bundesliga geht es nach Bamberg. Wenig Platz für Müßiggang und Völlerei, woran sich auch im neuen Jahr nichts ändern wird. Allein im Januar haben die Bayern-Profis neun Spiele vor der Brust, mit teils anstrengenden Reisen nach Belgrad, Athen und Mailand. Zum Vergleich: Die Kollegen der Fußballsparte müssen im Januar dreimal ran, die Auswärtsfahrten führen nach Nürnberg und Berlin.

Barthel empfindet es daher bereits als willkommene Entlastung, wenn der Spielrhythmus ihm und den Kollegen ein paar Tage zum Luftholen lässt. Nach dem Heimspiel am kommenden Sonntag (15 Uhr) gegen Göttingen bleiben den Bayern doch tatsächlich vier ganze Tage, um sich auf St. Petersburg vorzubereiten, sprich: den Akku wieder nachzuladen. Für den Trainer kein Trost. Dejan Radonjic stöhnt schon lange unter der Belastung der beiden parallel laufenden Wettbewerbe. Er würde solche Phasen gerne für harte Trainingseinheiten nutzen, stattdessen muss er den Spielern Zeit zum Regenerieren geben. Das Programm sei geradezu brutal, verletzte Spieler erschweren selbstredend die Aufgabe. Zugang T.J. Bray hat noch kein einziges Spiel für die Bayern absolviert, er hofft auf ein Comeback vor Silvester. Nihad Djedovic aber fehle an allen Ecken und Enden.

Wann der Münchner Topscorer zurückkommen kann, ist nach wie vor unklar. Während die Kollegen sich im Training auf dem Spielfeld abmühen, sitzt Djedovic hinter der Bande auf dem Ergometer. Radonjic hofft, dass der 29-Jährige bald wieder ins Mannschaftstraining einsteigt. In Tel Aviv könnte er den Guard gut gebrauchen, denn Djedovic ist außerdem einer der besten Abwehrspieler im Münchner Kader. Einer, der Extrakönner wie Shane Larkin an die Kette legen kann. Der Efes-Guard hatte ja ausgerechnet im jüngsten Spiel gegen die Bayern einen neuen Rekord in der Euroleague aufgestellt - mit 49 Punkten. Und der israelische Rekordmeister hat einen Spielmacher von ähnlichen Zuschnitt: Scottie Wilbekin.

Den haben die Münchner sowieso in unguter Erinnerung. Im März 2018 warf der 26-Jährige die Münchner nahezu im Alleingang aus dem Eurocup-Halbfinale, als er zum entscheidenden Sieg im Audi Dome 41 Punkte beisteuerte. Seither spielt der Amerikaner mit türkischem Pass bei Tel Aviv, gewann mit Maccabi in der vergangenen Euroleague-Saison zweimal gegen den deutschen Meister. Bei der jüngsten 70:77-Heimniederlage im vergangenen März war Wilbekin bester Schütze der Israelis mit 19 Punkten. Wie also soll dieser Mann gestoppt werden? Im Kollektiv, hofft der Trainer: "Wir müssen gegen solche Gegner als Team besser verteidigen", sagt Radonjic, der eine "physisch starke, gleichmäßig gut besetzte und sehr heimstarke Mannschaft" erwartet.

Barthel ergänzt, dass es nicht genüge, einen Spieler auszuschalten, denn in der Euroleague "sind die Gegner extrem vielseitig besetzt". Sollte Wilbekin mal einen schlechten Tag erwischen, gibt es genügend Kollegen, die in die Bresche springen können: Der israelische Nationalspieler Omri Casspi etwa, der amerikanische Guard Nate Wolters, die beide eine NBA-Vergangenheit haben, oder Center Othello Hunter, der in der vergangenen Saison mit Moskau die Euroleague gewann. Dann steht Barthel auf und geht langsam zum Duschen. Danach will er ein bisschen ausruhen.

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SZ vom 05.12.2019
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