Süddeutsche Zeitung

Basketball:Eins mit Händchen

Sein Trainer Robert Scheinberg sieht in Oscar da Silva eines der größten deutschen Basketball-Talente. Für seinen Traum, an der Stanford University Sport und Studium zu verbinden, hat der 18-jährige Flügelspieler des Regionalligisten MTSV Schwabing sogar den Bayern abgesagt

Von Matthias Schmid

Unter der Kapuze trägt Oscar da Silva noch eine Strickmütze. Es schneit, und die Launen des Winters lassen die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, als der 18-Jährige draußen die Tür zur Morawitzkyhalle in Schwabing öffnet. Die wärmende Daunenjacke legt er erst drinnen in der kleinen Trainerkabine ab. In den nächsten Jahren wird sich der Basketballer des Regionalligisten MTSV Schwabing nicht mehr so einpacken müssen, als würde er gleich zu einer Expedition ins Himalaja-Gebirge aufbrechen. In den nächsten Jahren wird da Silva in San Francisco leben, studieren und spielen. An der Pazifikküste Kaliforniens, wo die Temperaturen auch in den Wintermonaten so anziehend sind, dass man bisweilen im T-Shirt an der Promenade flanieren kann, ganz ohne dicke Winterjacke. Ende Juli wird da Silva übersiedeln, um die meiste Zeit des Tages an der Stanford University zu verbringen. "Ich freue mich riesig darauf", sagt er.

Da Silva kann so gut mit dem Basketball umgehen, dass er sich seinen neuen Wohnort aussuchen konnte. Der Einser-Abiturient konnte zwischen mehreren Eliteuniversitäten der Vereinigten Staaten wählen. Zwischen Princeton, Berkeley und Stanford. Für San Francisco entschied er sich, "weil ich hier die akademische und sportliche Laufbahn am besten verbinden kann", wie er es ausdrückt. Für sein Alter spricht da Silva schon sehr geschliffen, druckreif, er wirkt viel erwachsener als viele Gleichaltrige. "Schon der Campus hat mich bei meinem Besuch im Oktober beeindruckt", erzählt da Silva und schildert die baulichen Vorzüge der im spanischen Kolonialstil gehaltenen, von roten Ziegeln bedeckten Gebäude, die von vielen Grünflächen umgeben sind.

Weil es sich um eine Privatuniversität handelt, geht in Stanford alles familiärer und ruhiger zu als an anderen Universitäten. Ganz billig ist die exklusive Ausbildung 60 Kilometer südöstlich von San Francisco natürlich nicht, 42 000 US-Dollar kostet ein Studienjahr dort. Für Oscar da Silva kostet es nichts. "Ich bekomme ein 100-prozentiges Stipendium", sagt der 2,05 Meter groß gewachsene Münchner.

Vor drei Jahren schon reifte eine lose Idee zum festen Entschluss, ein College in den USA besuchen zu wollen und Studium und Sport ernsthaft zu kombinieren. In Deutschland sei das ja nicht möglich. Für "irgendetwas mit Medizin" will er sich einschreiben, erzählt da Silva. Vielleicht Bio-Chemie. "Das Sportlerleben ist zu kurz, sagt mein Vater immer", fügt er lächelnd hinzu. Er selbst hätte es aber nicht schöner formulieren können. Mit den Jugendteams des MTSV Schwabing reiste der Flügelspieler im Sommer stets nach Amerika, um sich mit den besten Mannschaften des Landes zu messen und auf sich aufmerksam zu machen. Initiiert hat das alles Schwabings Trainer Robert Scheinberg. Da Silva hat dort schnell erkannt, dass sein Basketball sich gut mit dem amerikanischen verträgt. Dabei unterscheiden sich die beiden Lehrschulen beträchtlich. "In den USA wird sehr viel schneller und athletischer gespielt als in Europa, wo alles strukturierter ist und der Teamgedanke im Vordergrund steht", sagt da Silva: "Ich komme mit beiden Stilen gut zurecht."

Den 18-Jährigen zeichnet ein natürliches Selbstbewusstsein aus, ohne Hang zur Überheblichkeit. Wie er spricht, so spielt er auch Basketball: forsch und unerschrocken. Oscar da Silva ist für seine Größe ein sehr beweglicher und vielseitiger Spieler, er kann in Korbnähe punkten und auch von außen werfen. Alles sieht bei ihm irgendwie lässig aus, leicht und spielerisch. Er tänzelt sich in der Zone an seinen Gegenspielern vorbei. "Oscar ist eines der größten Talente, die es im deutschen Basketball gibt", findet Scheinberg.

Natürlich haben sich auch die großen deutschen Mannschaften FC Bayern oder Brose Bamberg mit dem Jugend-Nationalspieler beschäftigt und dem Hochbegabten einen Wechsel nahegelegt. Doch er sagte ihnen ab, "weil das keine Option für mich war, in Deutschland zu bleiben". Ein bisschen hin und her gerissen war er allerdings zunächst schon, er hätte sich auf die USA gerne bei einem Klub in der ProA oder ProB eingestimmt, wie er zugibt. Deshalb hatte er sich noch mal mit den Bayern unterhalten, deren zweite Mannschaft in der drittklassigen ProB spielt. "Die ist qualitativ hochwertiger als die Regionalliga", sagt da Silva. Doch er kann verstehen, dass der Klub ihn nicht mehr wollte, wenn er im Sommer den Verein schon wieder verlässt. Am liebsten würde er sich aus München, wo er geboren und aufgewachsen ist, ohnehin mit einem Meistertitel verabschieden. Möglich ist das, denn mit der Schwabinger U19 führt er in der Nachwuchs-Bundesliga NBBL die Tabelle vor dem FC Bayern an. "Unser Ziel ist es ganz klar, die Endrunde der besten Vier zu erreichen", sagt Oscar da Silva: "Und auch dort haben wir gute Siegchancen."

Mit und ohne Meistertitel sieht er sich aber bestens präpariert für seine erste Saison am College. Mit dem Cheftrainer wechselte er schon die ersten Worte. "Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass er meine Vielseitigkeit schätzt", sagt da Silva. Er hofft, dass seine Karriere weiter ohne Bruch verläuft, er hat nämlich ganz genaue Vorstellungen von seiner Zukunft als professioneller Basketballer, der nebenbei einen ordentlichen akademischen Stanford-Abschluss aufweisen kann. "Ich kann mir gut vorstellen", sagt da Silva, "nach zwei Jahren bei einem guten Angebot in die Bundesliga zu wechseln." In solch einem Fall würde er das Studium sogar später nachholen, nach dem Sportlerleben. So wie Casey Jacobsen, der 287-mal in der NBA auflief und mit Bamberg fünf Meisterschaften gewann. Jacobsen studiert inzwischen wieder an seiner alten Uni: in Stanford. Ihm würde Oscar da Silva gerne nacheifern.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2017
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