Süddeutsche Zeitung

Basketball:Dreikampf um die Nummer zwei

Im Schatten des FC Bayern starten der BC Hellenen, der TSV Oberhaching und der MTSV Schwabing in die Basketball-Regionalliga.

Von Matthias Schmid, Andreas Liebmann und Ralf Tögel

"Three days left", steht auf der Facebook-Seite des BC Hellenen, noch drei Tage. "Die Spannung steigt." Tags darauf: "Noch zwei Tage. Wir sind bereit." Inzwischen ist es noch ein Tag, man kann online gut mitverfolgen, wie der Münchner Basketball-Club dem Debüt seines Männerteams an diesem Samstag (20 Uhr) entgegenfiebert. Gegen Ansbach tritt der BC Hellenen (dessen Frauen mal ein Intermezzo in der zweiten Bundesliga hatten) erstmals in der Vereinshistorie in der 1. Regionalliga an, nach zwei Aufstiegen in Serie. Diese Liga soll noch nicht die Endstation sein für den ehrgeizigen Verein. Die Veränderungen im Kader zeigen aber vor allem eines: Wie eng es ist in München, wo sich im Schatten des übermächtigen FC Bayern nun drei Klubs um den Status der Nummer zwei bemühen: Neben Aufsteiger Hellenen sind dies die alteingesessenen Ligarivalen MTSV Schwabing und TSV Oberhaching.

TSV Oberhaching "Tropics"

Es ist natürlich Zufall, dass John Boyer am ersten Spieltag der 1. Regionalliga Südost gleich wieder in der Halle spielen wird, wo er in den vergangenen drei Jahren zu sehen war: in Vilsbiburg. Publikumsliebling war der US-Amerikaner dort, weil der Spielmacher regelmäßig mit Pässen und Dreipunktewürfen dafür sorgte, dass sein Team kaum ein Heimspiel verlor. Allerdings wird der 29-Jährige im falschen Trikot auflaufen - in dem des TSV Oberhaching-Deisenhofen. Seit neun Monaten lebt der IT-Spezialist mit seiner Familie in München, der 29-jährige frühere Profi will sesshaft werden und suchte deshalb einen Klub, der den Sport nicht ganz so ernst nimmt. Da scheinen die Tropics ideal zu sein. "Für uns alle sind Beruf, Studium oder die Familie wichtiger", hebt Philipp Först hervor. Er ist nicht nur Spielmacher, sondern auch Teammanager. "Wir sind sehr froh, dass wir einen so guten Spieler wie John bei uns haben."

Boyer ist nicht der einzige Zugang. Neun Spieler haben sich Oberhaching angeschlossen. Gezwungenermaßen, allein fünf Akteure wechselten zum Aufsteiger BC Hellenen. Mit dem neuen Team ist Först indes "super glücklich". "Wir können uns jetzt sogar höhere Ziele setzen als zunächst angenommen." Sogar ein Platz unter den ersten Drei darf es sein, sagt er, mit einer Einschränkung: "Es kommt darauf an, ob wir ohne große Verletzungen durch die Saison kommen und ob alle regelmäßig am Training teilnehmen werden." Denn das ist die Crux an der schönen Geschichte. Im Kader stehen zwar außergewöhnliche Spieler wie Boyer oder die ehemaligen Bundesligaspieler Moritz Wohlers und Peter Zeis. Aber niemand weiß so richtig, wie oft sie trainieren wollen und werden. Es ist wie bei einer Schachtel Pralinen: Man weiß nicht, was man bekommt. Nicht einmal der Trainer Mario Matic.

OSB Hellenen München

Konstantin Kirsch muss rasch durchzählen. "Ich komme auf vier", sagt der Vorsitzende des BC Hellenen. Gut, vielleicht komme ein Fünfter dazu, das sei noch nicht sicher. Jedenfalls sind es einige, die im Sommer vom TSV Oberhaching-Deisenhofen gekommen sind, allen voran Omari Knox, 31, der früher mal für die Dachau Spurs 62 Punkte in einem Spiel erzielte und den Oberhachings Trainer Mario Matic noch immer für einen der besten Akteure der Liga hält. "Er ist ein Leader", sagt Kirsch, "ganz wichtig als Persönlichkeit".

Es ist vieles neu bei den Hellenen. Schon die Anschrift: An der Kapschstraße 4 empfangen sie Ansbach, in einer neuen, modernen Schulsporthalle, die auch als Veranstaltungsort genutzt wird und bis zu 400 Zuschauer aufnimmt. "Hellenendome" haben sie ihr neues Zuhause kurzerhand benannt. 22 Teams ziehen gerade dahin um, so viele hatte der Klub noch nie. Im Männer-Kader stehen 13 Neue, doch das hat nichts mit Kirschs Ziel zu tun, in die ProB vorzustoßen. "Selbst wenn wir es schaffen könnten, würde ich den Aufstieg dieses Jahr ablehnen", sagt der Vereinschef. Gerade sei er dabei, ein Helferteam zu bilden, das den aktuellen und dann auch künftigen Aufgaben gewachsen ist; also Strukturen für den nächsten Aufstieg zu schaffen.

Der Kader ist diesmal nicht für einen weiteren Durchmarsch völlig verändert worden, sondern wegen des neuen Trainers Christos Diktapanidis. Der kommt von einem griechischen Zweitligisten und bestand auf fünf Trainingseinheiten pro Woche. "Ich wusste, dass das in München kaum möglich sein wird", sagt Kirsch, "aber er will in der Lage sein, einen anderen Spielstil zu etablieren und Automatismen zu üben." Weshalb viele Leistungsträger abwinken mussten, wie Jurastudent Christian Hustert ("Der war der Hammer"), Topscorer Thomas Nibler ("tut am meisten weh") oder Dreierspezialist Stavros Tsoraklidis. Alle fort. Und doch hat sich ein Kader gefunden, der nun täglich trainiert, "und es sieht gut aus, was die spielen", findet Kirsch. Mit Knox kamen Julian Lippert, Aidan Francois-Friis und Ben Kitatu aus Oberhaching, alles starke Athleten. Geblieben sind Apostolis Diamantis, Giannis Vasileiadis, Mike Schmidbauer und Raphael Miksch. "Ich bin selbst gespannt, wohin es führt", sagt Kirsch: "Starten wir durch, weil wir fitter und eingespielter sind? Oder geht es gegen den Abstieg, weil bald alle ausgelaugt sind?" Fest steht: Sie freuen sich auf Samstag

MTSV Schwabing

Beim MTSV Schwabing bleibt alles beim Alten, was nicht bedeutet, dass der Traditionsklub mit unverändertem Personal an den Start geht. Vielmehr gehört eine gewisse Fluktuation zur Philosophie des Vereins: "Wenn die Spieler altersbedingt ausscheiden, dann stellt sich ihnen das Thema College oder Profi-Basketball", sagt Trainer Robert Scheinberg. Altersbedingt ausscheiden? Was auf den ersten Blick widersinnig scheint, ist mit der enorm erfolgreichen Nachwuchsarbeit des MTSV zu erklären. Denn der Regionalliga-Kader speist sich vornehmlich aus Talenten der Nachwuchs-Basketball-Bundesliga (NBBL) und der jüngeren Jugend-Basketball-Bundesliga (JBBL). Und wenn diese Spieler der U19 und U17 die Internationale Basketball Akademie München, wie sich die Schwabinger Nachwuchsabteilung nennt und deren Chef ebenfalls Scheinberg ist, durchlaufen haben, dann ist die vierte Spielklasse selten eine Option. Beispiele gibt es zuhauf, etwa Jugend-Nationalspieler Oscar da Silva, der Offerten vom FC Bayern und aus Bamberg widerstand, und wie Henning Ballhausen per Stipendium an eine Universität in den USA wechselt. Anthony Okao spielt fortan für Gießen in der ersten Liga, William Darouiche in der ProA für Kirchheim.

Für Scheinberg kein Grund zum Jammern, eher Bestätigung, zumal die nächsten Talente wie die Jugendnationalspieler Fynn Fischer oder Joshua Obiesie bereit stehen. Neben "Dinosaurier" (Scheinberg) Kamillo Rosenthal, der Mitte 30 ist, sollen in Chris Würmseher, Pinda Bongo, Abdu Circiroglu und Lukas Dollinger (kam vom FCB) Routiniers Verantwortung übernehmen: Sie sind alle Jahrgang 1997. Auch das Saisonziel bleibt identisch, Platz sieben wie im Vorjahr wäre genug, wichtig sei, "so schnell wie möglich den Klassenerhalt zu sichern", so Scheinberg. Warum? Weil sich gegen Saisonende die Spieler dann auf den Kampf um die deutsche Meisterschaft konzentrieren können, in der NBBL. Schwabing war im Vorjahr Zweiter.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2017
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