Basketball:Chemnitzer Party-People

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In Schieflage: Die Basketballer des FC Bayern unterlagen beim Aufsteiger Chemnitz mit der Schlusssirene, da halfen weder die Kunstwürfe von Vladimir Lucic (li.) noch seine 13 Punkte. (Foto: Alexander Trienitz/Imago)

Der FC Bayern München sieht lange wie der sichere Sieger aus. Dann häufen sich die Unkonzentriertheiten, und der unbekümmerte Aufsteiger gewinnt mit dem letzten Wurf.

Von Ralf Tögel, München/Chemnitz

Vor dem Spiel sah man Andrea Trinchieri und Rodrigo Pastore entspannt ein bisschen plaudern. Man kenne sich seit zehn Jahren, erklärte der Bayern-Coach im Vorfeld der Partie seiner FC-Bayern-Basketballer bei den Niners Chemnitz am Mikrofon des übertragenden Senders Magenta Sport. Er erinnere sich an einen "harten und schmutzigen Spieler". Als Trinchieri den Kollegen so beschrieb, musste er lachen, es war der letzte Ausdruck von Freude, der dem Italiener an diesem Abend anzusehen war. Eineinhalb Stunden später hatten die Münchner ihre vierte Saisonniederlage in der Basketball-Bundesliga (BBL) kassiert, durch einen Buzzerbeater, einen Wurf, der mit der Schlusssirene ins Ziel findet. Chemnitz gewann 85:83 und Trinchieri fand das gar nicht lustig.

Früher habe man sich oft ausgetauscht, hatte Trinchieri noch erzählt, als er selbst noch den italienischen Erstligisten Cantu trainierte und Pastore, der Argentinier mit italienischem Pass, den Schweizer Erstligisten Vacallo. Die Städte trennt zwar eine Grenze, aber nur 20 Minuten Wegstrecke, also habe man sich immer wieder getroffen. Die Karrieren allerdings verliefen recht unterschiedlich. Während Pastore einen Erstligaaufsteiger trainiert, ist Trinchieri ein respektierter Coach in der Euroleague. Und mit dem FC Bayern im Begriff, als erster deutscher Vertreter die letzten Acht der höchsten europäischen Spielklasse zu erreichen. Da passt eine Pleite beim klaren Außenseiter so gar nicht ins Konzept, zumal die Chance verpasst wurde, den Abstand zur Tabellenspitze zu verkürzen - auch Alba Berlin hatte ja in Bamberg gepatzt. Die Münchner bleiben auf Platz fünf (28:8 Punkte), hinter Oldenburg (30:8), Berlin (30:4) und Crailsheim (32:6). Primus Ludwigsburg marschiert in beeindruckender Konstanz und mit nur einer Niederlage souverän vorne weg. Diese eine Niederlage indes haben sich die Baden-Württemberger beim 70:92 in München eingefangen.

In der Euroleague sind die Bayern Fünfter, wie in der Bundesliga. Die Qualität der Gegner könnte kaum unterschiedlicher sein

Für Trinchieri spielt derzeit die Euroleague die tragende Rolle. Platz fünf im Feld der kontinentalen Elite mit einer neu zusammengebauten Auswahl, das ziert Klub und Trainer ganz hervorragend. Eine Niederlage beim Aufsteiger, noch dazu ohne Zuschauer? Kann man doch als Aufbauhilfe für den Neuling verbuchen. George King, mit 17 Punkten zweitbester Chemnitzer Werfer, hatte in der Halbzeit den Unterschied in der Bedeutung noch so beschrieben: "Wir wollen Chemnitz-Basketball spielen, Spaß haben. Für uns ist das eine große Party hier." Für die Bayern sind solche Spiele eher alltägliches Pflichtprogramm, nur sie haben etwas zu verlieren.

Entsprechend beschwingt waren die Gastgeber zu Werke gegangen, lagen nach dem ersten Viertel 28:21 vorne, zur Pause immer noch 46:45. Doch dann beorderte Trinchieri, der in der ersten Halbzeit noch Talenten und Spielern der zweiten Reihe viel Einsatzzeit gegönnt hatte, zusehends seine Euroleague-Stammkräfte aufs Parkett. Mit gewünschtem Resultat: Vor dem finalen Viertel war der Favorit in den zweistelligen Bereich enteilt und führte 71:59. Das Duell schien den erwarteten Ausgang zu nehmen, in jüngerer Vergangenheit wussten sich die Bayern stets im entscheidenden Moment zu steigern und zu gewinnen, knapp oft, nicht immer sehenswert. Doch die Chemnitzer Partycrew besann sich auf den Spaßfaktor, allen voran Marcus Thornton, der den Kopf abschaltete und einfach drauflos warf. Und traf. Und jeder Korb zeigte beim Gegner Wirkung. Schließlich vollendete Dominique Johnson mit einem Dreier in letzter Sekunde.

Kann passieren? So ticken die Bayern nicht

Kann passieren, könnten sich die Bayern nun denken, die Endrunde ist im Mai, die Gefahr, dass sie aus den acht Playoff-Plätzen stürzen, ist realitätsfern. Und wer Meister werden will, muss sowieso jeden Gegner aus dem Weg räumen. Vereine vom Zuschnitt des FC Bayern ticken aber anders, sonst wären sie nicht da, wo sie sind. Das gilt auch für Trainer wie Andrea Trinchieri, der jede Niederlage persönlich nimmt: "Wir haben in den letzten drei Minuten aufgehört zu spielen, das hat uns das Spiel gekostet. Eine Serie von Konzentrationsfehlern und falschen Entscheidungen in der Verteidigung vernichtete den schönen Vorsprung, den wir uns mit einer guten Leistung aufgebaut hatten."

Während die Chemnitzer Party in der Halle Fahrt aufnahm, war von den Münchnern nichts mehr zu sehen, Trinchieri hatte sicher noch ein paar Worte an sein Team zu richten. An Wade Baldwin etwa, der in der Euroleague bisweilen Spiele alleine trägt, in Sachsen aber uninspiriert wirkte. Nun bleibt dem FCB aufgrund der EM-Qualifikationsspiele am kommenden Wochenende Zeit, sich zu sammeln. Deutschland ist als einer der vier Gastgeber qualifiziert, die deutschen Euroleague-Klubs stellen nach Absprache keine Spieler ab. International gibt es wenige Pausen. Für die Bayern geht es schon kommenden Freitag weiter, beim französischen Meister Villeurbanne.

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