Basketball:Am Anfang eines Puzzles

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Manchmal unverschämt lässig – und bei engen Spielständen unverschämt effektiv: Der Münchner Danilo Barthel kam gegen Vechta auf 23 Punkte und sieben Rebounds. Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Der FC Bayern gibt beim 79:66-Heimdebüt gegen Vechta noch nicht das Bild ab, das Trainer Dejan Radonjic vorschwebt. Am Ende ist aber auch der neueste Zugang Derrick Williams zufrieden.

Von Matthias Schmid, München

Derrick Williams' Erregungsgrad überstieg nicht das Level eines gemütlichen Fernsehnachmittags zu Hause auf der Couch. Träge kaute er während der Vorstellung auf seinem Kaugummi herum und zeigte ansonsten so viele Emotionen wie kurz vor dem Einnicken vor dem Bildschirm. Auch als Rasta Vechta kurz vor Schluss noch mal auf drei Punkte herankam (66:69) und sich anschickte, der Begegnung eine irrwitzige Wendung zu geben, blieb der Amerikaner unaufgeregt, die Hände vor der Brust verschränkt, auf seinem Platz auf der Stirnseite sitzen, wo er es sich neben den Rekonvaleszenten und Verletzten bequemgemacht hatte.

Williams, ein langjähriger Profi in der amerikanischen Basketballliga NBA und mit den Cleveland Cavaliers 2017 sogar Finalist um die Meisterschaft, ist die neueste Attraktion im ohnehin schon exklusiven Kader der Basketballer des FC Bayern. Der 27-jährige Flügelspieler hat nach seinen letzten noch ausstehenden Medizinchecks nun einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben. Was er beim ersten Spiel seiner neuen Mannschaft am Tag der Deutschen Einheit am Mittwochnachmittag zu sehen bekam, gefiel ihm. "Es war unglaublich", sagte er nach dem Spiel mit jenem leichten Übermaß an Pathos, das nicht wenigen Amerikanern zu eigen ist: "Ich habe große Energie und Anstrengung gesehen."

In der Tat war der Aufsteiger aufmüpfiger aufgetreten, als viele zuvor geglaubt hatten. Am Ende waren die Parallelen zum Auftaktspiel in Ulm verblüffend, es war nicht schön, was der deutsche Meister zeigte, aber erfolgreich. Mit 79:66 (38:26) gewannen die Bayern ihr erstes Heimspiel dieser Saison. "Das war das wichtigste heute", bestätigte Cheftrainer Dejan Radonjic anschließend bei der Pressekonferenz. "Ich kann mich nur wiederholen: "Wir machen noch viel zu viele Fehler und haben jede Menge Arbeit vor uns, um so zu spielen, wir ich mir das vorstelle."

Auch Williams war es natürlich nicht entgangen, dass die Münchner noch lange nicht ihr bestes Leistungsniveau erreichten. Nach nur wenigen gemeinsamen Trainingstagen mit dem kompletten Kader offenbarten sich noch gravierende Mängel im Zusammenspiel. So begann Petteri Koponen die Begegnung mit zwei Fehlpässen, die sogleich zu Korberfolgen von Vechta führten, dem Aufsteiger gelangen nicht nur die ersten Punkte, er lag zunächst auch vorne, 7:6, ehe Danilo Barthel seine Mannschaft in Führung brachte - der neue Kapitän war in der ersten Hälfte auch auffälligster Bayern-Profi, für kleine, aber feine Kabinettstückchen bekam er Szenenapplaus. Einmal legte er kurz vor dem Ring blitzschnell den Ball von der rechten in die linke Hand, um seinen Gegenspieler abzuschütteln. Das sah unverschämt lässig aus und war vor allem unverschämt effektiv. 13 seiner am Ende 23 Punkte sammelte der beste Werfer allein in der ersten Hälfte. Das rang auch Williams draußen auf der Bank ein anerkennendes Kopfnicken in Richtung seines neuen Mitspielers ab.

Von solch hübscher Kleinkunst gab es aber nicht allzu viele Szenen, der Auftritt der Münchner war eher schwerfällig, langsam und fehlerhaft. Vor allem in der Offensive tat sich für die Gäste aus Niedersachsen immer wieder unverhofft so viel Platz für Spaziergänge zum Korb auf, den sie sonst nur von zu Hause aus dem Naturschutzgebiet Boller Moor und Lange Lohe kennen.

Radonjic wechselte oft, probierte viel, man merkte, dass der Montenegriner noch auf der Suche nach den passenden Puzzleteilen im großen Ganzen, im Gesamtbild ist. Auch Robin Amaize, Zugang aus Bayreuth, erlebte seine ersten Minuten für den FC Bayern auf dem Parkett, nachdem er beim Auftakterfolg in Ulm noch das komplette Spiel von der Bank aus hatte ansehen müssen.

Als die Bayern dann mal ein wenig energischer verteidigten, physischer und mit wild fuchtelnden Armen, kamen sie zu leichten Punkten, vor allem nach dem Seitwechsel klappte das phasenweise ganz ansehnlich. Schnell wuchs ihr Vorsprung auf 19 Punkte an (54:35). Sie gewährten den Zuschauern aber nur einen kurzen Einblick in ihr Können, danach fielen sie wieder in die fehlerhaften Verhaltensmuster der ersten Hälfte zurück, sodass Vechta Punkt um Punkt aufholte und nur noch mit 66:69 zurücklag. Dann tat sich wieder Barthel hervor, wie schon in den Playoffs der abgelaufenen Saison war er der verlässlichste Spieler seines Teams, als es darauf ankam. Entschlossen und effizient machte er die einfachen Punkte unterm Korb. Und Williams? Reihte sich nach der Schlusssirene bei der obligatorischen Ehrenrunde einfach hinter Vladimir Lucic ein und klatschte die Fans in der Halle ab. Nebenbei kritzelte er schon seinen Namen auf Bälle und Trikots und sagte strahlend: "Ich kann es kaum erwarten, bis ich endlich mitspielen darf."

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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