Baseball:Balkonien soll blühen

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Caribes-Spielertrainer Nick Angstmann (r.) weiß, wie schwer es sein Klub in der ersten Liga hätte. (Foto: Robert Haas)

Erstmals geben die München Caribes den Aufstieg in die erste Liga als Ziel aus. Nach mehreren Absagen überwiegt nun doch die Neugier, ob sie dort mithalten könnten.

Von Christoph Leischwitz, München

Der Eingang liegt direkt an der U-Bahnstation Oberwiesenfeld, aber so ein Besuch bei den München Caribes ist ein wenig wie ein Urlaub auf Balkonien. Die Zuschauer verstecken sich unter Sonnenschirmen, Burger, Hot Dogs kann man auf Bierbänken verzehren. In den Spielpausen wippt ein älterer Herr seinen Kopf zu den Klängen von Rage Against the Machine. Und kurz vor Ende des zweiten Spiels geht eine Frau zu dem kleinen Häuschen auf Stelzen am Spielfeldrand, in dem die Scorer das Spiel dokumentieren, und hängt einen Topf Geranien dran. Wenn es nur nicht so verdammt heiß wäre. Aber die Baseballspieler geben ihr Bestes, damit die Leute nicht zu lange schwitzen müssen.

Im ersten Spiel am Sonntagnachmittag gegen die Ingolstadt Schanzer führen die Caribes nach dem ersten Inning 5:0, nach dem dritten 10:3, am Ende kann die Partie dank des klaren Vorsprungs von 27:4 vorzeitig beendet werden. Bis zu Spiel zwei sucht sich jeder für eine knappe Stunde einen Schattenplatz. Dieses Spiel der Caribes hat sozusagen Lichtschutzfaktor 27.

Am Wochenende feiert der Verein 25. Geburtstag

Gegner Ingolstadt ist keine Laufkundschaft, vor allem der Pitcher für Spiel zwei gehört zu den Besseren in der zweiten Liga. Aber auch das gewinnen die Caribes deutlich, 8:0. Genauso deutlich führen sie jetzt die Tabelle an. Es läuft bereits die Rückrunde. Klar, dass da Fragen aufkommen. Die Frau mit den Geranien weiß alles. "Weil die Frage sowieso kommen wird, sage ich es gleich: Ja, wir wollen."

Die Vorsitzende Nixie Zarate-Trassl kümmert sich hier nicht nur um die Blumen. Sie organisiert alles, sie hat auch schon die Kindermannschaft trainiert und einst im Frauenteam mitgespielt. Sie steht am Verkauf, sie putzt, sie begrüßt die Gäste. Doch jedes Mal, wenn den Caribes ein Punkt gelingt, hat sie, scheinbar ohne hinzusehen, sofort eine Holzratsche in der Hand, dreht und jubelt. Es war ein wichtiger Doppelsieg, mit nunmehr 14 Siegen bei zwei Niederlagen setzen sich die Caribes ab. Zarate-Trassl geht aufs Feld, stellt sich vor die Männer und sagt, dass sie jedem ein Bier spendiert. Applaus.

Am kommenden Wochenende feiern die Caribes ihren 25. Geburtstag, der lateinamerikanisch geprägte Verein hat Piñatas für die kleinen Besucher und eine Cocktail-Bar für die Großen, es dürfte etwas mehr los sein als an einem gewöhnlichen Spieltag. Zarate-Trassl ist die Freude auf die Feier anzumerken, sie ist von Anfang an dabei. Jetzt ist sie zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht mehr kategorisch Nein sagen kann zur höchsten Spielklasse. Die vergangene Saison sei "miserabel" gewesen, sagt sie, aber das war eine Ausnahme, die Caribes spielen sonst immer vorne mit. "Nach dreimal absagen muss irgendwann diese Ansage kommen", sagt sie. Man habe auch gute Nachwuchsspieler, diesen könne man dann auch eine bessere Perspektive bieten; einen 15-Jährigen haben sie vergangenes Jahr an den Bundesligisten Haar Disciples verloren.

Neue Spieler würde der Klub sicher finden. Aber sie müssten auch irgendwie bezahlt werden

Die Disciples, früher die Gauting Indians und die Baldham Boars - erstklassiger Baseball war seit jeher Sache der Vororte. Ein Aufstieg in die erste Liga wäre für die Stadt München durchaus etwas Besonderes, auch wenn die Caribes deswegen ganz sicher nicht zu einem Eventklub verkommen werden, um möglichst viele Zuschauer anzuziehen. Doch der Sprung wäre groß, und so herrscht noch ein wenig Skepsis. Die Ausgaben steigen allein durch die weiteren Reisen. "Dann spielst du auf einmal an einem Freitagabend in Mainz. Dafür müssten wir alle einen Tag freinehmen", sagt Werfer und Trainer Nick Angstmann. Der Pitcher-Kader, da sind sich der Coach und Zarate-Trassl einig, müsste vergrößert werden. In der zweiten Liga dauert die zweite Partie nur sieben Innings, in der ersten Liga gehen beide Partien über neun Durchgänge. Das hört sich kaum erwähnenswert an, in Wahrheit bedeutet das einen riesigen Unterschied: In der Schlussphase eines engen Spiels kann es dann passieren, dass zwei oder gar drei zusätzliche Werfer gebraucht werden.

Zarate-Trassl sagt, wegen der traurigen politischen Lage in ihrem Heimatland Venezuela kämen zurzeit viele gute Baseballspieler nach Europa. Es fiele gerade einem Latino-Klub wie den Caribes also wohl gar nicht schwer, die Familie zu vergrößern. "Aber diese Menschen müssen natürlich etwas verdienen", weiß sie. Womöglich bräuchte man dann noch zusätzliche Sponsoren, um sie zu bezahlen.

Für den Moment möchte Angstmann Meisterschaft und Aufstieg erst noch getrennt voneinander behandeln. Wenn Ersteres feststeht, werde es Gespräche geben. Er grinst ein wenig bitter. Er weiß: Für einen Verein wie die Caribes ist die erste Liga schwer zu stemmen. Aber zugleich würden sie schon gerne wissen, ob ihr Familienbetrieb unter den deutschen Halbprofis mithalten kann.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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