ASV Dachau:Junggemüse-Pracht

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Drittligist Dachau gewinnt sein erstes Ligaspiel gegen Absteiger Dresden 3:0 und - noch erstaunlicher - den bayerischen Volleyball-Pokal gegen Zweitligist Eltmann 2:0.

Von Sebastian Winter, Dachau

Es ist Kürbis-Zeit, das ist am Samstag auch den 300 Zuschauern in der Georg-Scherer-Halle nicht entgangen. Ein paar Eltern von Dachaus Drittliga-Volleyballern hatten sich vor dem Heimauftakt gegen den VC Dresden die Mühe gemacht, ein paar Exemplare des Gemüses in den blauen Vereinsfarben anzumalen, mit dem ASV-Schriftzug zu versehen und in der Halle zu drapieren. Da standen sie dann, die Kürbisse, als stumme Zeugen eines erstaunlichen Erfolges.

Mit 3:0 (26:24, 25:18, 25:19) Sätzen hatten die jungen Dachauer, von denen immerhin acht unter 18 sind und nur einer über 22, Zweitliga-Absteiger Dresden besiegt. Und weil sie tags darauf auch noch bayerischer Pokalsieger wurden, bei den Erwachsenen wohlgemerkt, mit einem noch erstaunlicheren 2:0 (25:20, 25:23)-Erfolg gegen den aktuellen Zweitligameister Eltmann, sprechen sie im Klub nicht ganz zu Unrecht von einem "Sensationswochenende". ASV-Trainer Dominic von Känel formuliert es so: "Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit einem 3:0 und 2:0."

Nur zum Verständnis: Dresden spielte bis vor drei Jahren erste Liga. Und Eltmann ist jener Klub, der sich im Sommer lange Zeit Gedanken darüber machte, in die erste Liga aufzusteigen, es dann aber wegen des finanziellen Risikos bleiben ließ. Zwei Volleyball-Hochkaräter also, die von Dachau fast gedemütigt wurden. Dabei fehlten dem ASV in Außenangreifer Simon Pfretzschner (Bundespokal) und dem zweiten Zuspieler Andreas Wittmann (Meniskusriss) zwei wichtige Akteure, im Pokal verletzte sich auch noch Mittelblocker Sebastian Hartmann am Knöchel. Nun steht die Mannschaft durch den Erfolg gegen Eltmann im Achtelfinale des DVV-Pokals, zum ersten Mal seit 13 Jahren. Dort erwarten Dachaus Talente am 8. November den Erstligisten SVG Lüneburg, der 2015 im Pokalfinale stand. Möglicherweise ändert sich der Termin noch, da am selben Tag das Achtelfinale von Unterhaching gegen Herrsching stattfindet.

Der Altersschnitt der ASV-Spieler liegt bei 17,84 Jahren. Selbst der Trainer ist gerade einmal 23

Der neue Drittligatrainer von Känel, der seine Funktionen im Klub womöglich bald selbst nicht mehr zählen kann, hatte seine Bedenken, ob es klappt mit dem Komplettumbruch. Ob man die vielen zweitligaerfahrenen Stammspieler, die in den letzten Jahren so langsam ihren Biss verloren, einfach durch Grüngemüse ersetzen kann, das dann geschlossen in der dritthöchsten deutschen Spielklasse in die Lehre geht. Zumal ohne seinen Führungsspieler Lukas Pfretzschner, Simons Bruder, der sich im Sommer an den Berliner Bundesstützpunkt verabschiedet hat. Den Saisonstart in Zschopau verlor Dachau gleich, "da dachte ich, wir brauchen noch ein bisschen", sagte von Känel. Am Montag war er dann einer der glücklichsten Menschen, die zur Arbeit gingen - neben Jens Kaiser: "Wann waren zum letzten Mal so viele Zuschauer da?", fragte Dachaus stellvertretender Abteilungsleiter, und wurde grundsätzlich: "Das ist ein Neuanfang."

Tatsächlich ist eine Zeitenwende angebrochen in Dachaus Volleyball. Die "Männer-Mannschaft" ist im Schnitt 17,84 Jahre alt, ihr Trainer von Känel ist auch erst 23. Doch sie schaffen es, endlich wieder mehr Publikum in die alte Halle zu locken, in der sich in der vergangenen Saison bei Heimspielen vielleicht 20 oder 30 Zuschauer verloren. Sie schaffen es auch deshalb, weil sie sich als Einheit definieren, die schon ihre ganze Jugendzeit miteinander verbrachte - und mit den Trainern von Känel und Josef Wolf DM-Titel in Serie sammelte. Und die nun als extrem motivierte Herrenmannschaft fünf- bis sechsmal unter ihm trainieren. Nicht nur das: Die Spieler verteilen Werbeflyer in Dachau, Mittelblocker Thomas Öster organisiert nebenbei die Heimspiele, Angreifer Vincent Graven kümmert sich um den Facebook-Auftritt. Ihre Schulfreunde sitzen auf der Tribüne, ihre Eltern verkaufen unten Kuchen.

Es ist aber nicht nur das Drumherum, was das erste Heimspiel zu einem Festakt werden ließ - sondern vor allem Dachaus Qualität auf dem Feld. Sagstetter, 16 lenkt das Spiel, als wäre er 26. "Er steht als absolute Führungspersönlichkeit auf dem Feld", sagt von Känel. Libero Luis Klimke hatte gegen Dresden und Eltmann eine Annahmequote nah an der Perfektion. Dachaus Angreifer, wie Fabian Bergmoser, sind nicht besonders groß, aber in der Lage, den hohen gegnerischen Block immer wieder clever anzuschlagen. Und im Aufschlag war Jonas Vogl das Sinnbild des Dachauer Erfolgs: Vogl, eigentlich zweiter Libero, kam im ersten Satz gegen Dresden beim Stand von 24:24 als Aufschläger aufs Feld. Es gibt dankbarere Aufgaben. Und was machte Vogl? Ein Ass. Simon Pfretzschner hat das alles übrigens aus der Ferne beobachtet, beim Bundespokal in Mömlingen, den er, man ahnt es, mit der Bayernauswahl gewann.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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