American Football:Früh aus der Balance

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Startaufstellung: Die Munich Cowboys stehen vor dem Saisonauftakt Spalier. Später ließ die Ordnung nach. (Foto: Claus Schunk)

Nach einem 0:16-Zwischenstand kämpfen sich die Munich Cowboys zum Auftakt der Football-Bundesliga bis auf zwei Punkte an die Saarland Hurricanes heran. Am Ende heißt es dennoch 14:29.

Von Christoph Leischwitz, München

"Saukalt, oder?", fragte Fabien Gärtner auf dem Weg in die Kabine. Selbst auf seinen mit Schrammen übersäten Oberarmen bildete sich gerade eine Gänsehaut. Eigentlich müsste der Runningback der Munich Cowboys so kurz nach dem Spiel noch ganz gut durchblutet sein, doch in den hektischen Schlussminuten war Gärtner recht wenig zum Einsatz gekommen. Es musste schnell gehen, die Münchner waren gegen die Saarland Hurricanes einem Rückstand hinterhergelaufen. Und in solchen Phasen sind eher Passempfänger gefragt: Das Ei fangen und ins Seitenaus laufen, um so die Uhr anzuhalten, statt den Ball mühsam nach vorne zu tragen, während die Spielzeit herunter tickt.

Vielleicht lag es an der schlechten Sicht in den Schlussminuten, dass Benjamin Wilkerson seine Mitspieler nicht mehr fand - das Dantestadion hätte am späten Samstagnachmittag ein bisschen Flutlicht vertragen können. Vielleicht lag es auch an der Knieverletzung des US-Quarterbacks, die er sich bei einem gegnerischen Tackle zugezogen hatte - jedenfalls kamen seine Pässe nicht mehr an. Im Gegenteil, zweimal wurden seine Bälle in dieser Phase sogar abgefangen. Beim ersten Mal warf Wilkerson seinen geschundenen Körper in jenen des Fängers, und verhinderte so einen Touchdown. Bei der zweiten Interception aber musste er ihn laufen lassen. So stand am Ende eine verdiente, jedoch etwas zu hohe 14:29-Niederlage zum Start der neuen Bundesliga-Saison für die Münchner.

"Am ersten Spieltag ist immer echtes Chaos, viel Rumgebrülle", sagt Fabien Gärtner

Gerade weil das Passspiel gegen Ende so leicht auszurechnen gewesen war, stellte sich nach dem Spiel die Frage, ob der erfahrene Ballträger Gärtner nicht vielleicht doch etwas öfter ins Geschehen hätte eingreifen sollen. "Wir haben in der zweiten Halbzeit vielleicht ein bisschen zu viel rumprobiert, ich hatte nicht viel zu tun", sagte er, wohlwissend, dass sich der Gegner schnell auf die Laufspielzüge der Münchner eingestellt hatte. Die vielen Fehler im eigenen Spiel seien ohnehin schlimmer gewesen, fand er. In gewisser Weise sei das zwar normal, "am ersten Spieltag ist immer echtes Chaos, viel Rumgebrülle". Aber etwas mehr Ausgewogenheit, etwas mehr Balance zwischen Lauf und Pass sollte man schon anstreben.

Das Chaos, es herrschte auf beiden Seiten. "Noch nicht so ausgefeilt", nannte das Gästetrainer Tom Smythe. Er meinte damit beide Mannschaften, doch sein Team hatte die Fehler zuerst für Punkte ausgenutzt, und so waren die Cowboys im Hinterherlaufen bei der Auswahl ihrer Spielzüge immer berechenbarer geworden. Die Variabilität fehlt noch.

Garren Holley blieb noch lange nach der Pressekonferenz am Tisch sitzen, starrte vor sich in die Luft und schüttelte permanent den Kopf. Auf die Frage, woran man in der kommenden Woche bis zum Spiel am 1. Mai bei Aufsteiger Ingolstadt als Erstes arbeiten müsse, antwortete der Chefcoach der Cowboys: "Special teams." An der Harmonisierung jener elf Akteure also, die zeitlich gesehen zwischen Angriff und Abwehr auf dem Feld stehen, nach jedem Kick-off zum Beispiel oder bei Ballübergaben durch einen Punt. Nach solch einem weiten Schuss mit dem Fuß erzielten nämlich die Saarländer einen so genannten Return Touchdown, Läufer Charles Clay legte dafür 53 Yards zurück.

Ansonsten habe man ja Mittel und Wege gefunden, die Saarländer Abwehr zu knacken. Nach einem ernüchternden Zwischenstand von 0:16 hieß es innerhalb weniger Spielminuten nur noch 14:16, weil Quarterback Wilkerson die Receiver Philip Gabel und Marlon Malki für je einen Touchdown gefunden hatte. Der neue Spielmacher deutete in engen Situationen auch seine berüchtigten Läuferqualitäten an, außerdem bekam er von seinen Vordermännern oft genug Zeit, einen freien Mann zu suchen. Gärtner fand, dass Wilkerson den Ball deshalb oft etwas schneller hätte werfen können. "Wir haben uns viel zu früh in eine schlechte Situation gebracht", sagte Holley. Sein Team wirkte so, als ob es in mehr als einer Hinsicht noch Zeit braucht.

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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