American Football:Andere Ansprüche

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Die Munich Cowboys haben lange gebraucht, um sich zu finden. Nach einer Saison voller Widrigkeiten stehen sie nun im Playoff-Viertelfinale

Von Christoph Leischwitz, München

Es war das letzte Mal in dieser Saison, dass die Mannschaft durch den engen Gang zwischen den Tribünen in Richtung Kabine lief, und diesen Lauf werden einige Spieler so schnell nicht vergessen. Gut 100 der mehr als 1000 Zuschauer formten ein Spalier, sie jubelten und klopften den Spielern voll Anerkennung auf ihre Schulterpolster, und einige sangen sogar: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin." Wie im Fußball wird auch im American Football alljährlich in Berlin das Finale ausgetragen, und theoretisch können die Munich Cowboys es auch noch erreichen, immerhin haben sie nun das Playoff-Viertelfinale erreicht. Wahrscheinlicher ist zwar, dass sie als Zuschauer nach Berlin reisen werden. Aber: Es ist schon jetzt eine erfolgreiche Saison gewesen. Und das war lange Zeit nicht unbedingt zu erwarten.

Es ist schwer, eine Football-Mannschaft bei Laune zu halten. Das Testosteron ist ja immer noch da, wenn man kurz an die Seitenlinie geschickt wird, und schnell führt da ein Wort zum anderen, zum Beispiel mit den Schiedsrichtern. Im Falle der Cowboys soll auch schon einmal eine Sitzbank durch die Luft geflogen sein. Dann wäre da noch die schiere Kadergröße, die jegliche Planungen erheblich erschwert. Wenn die Zahl der anwesenden Spieler im Training zudem stark schwankt, zum Beispiel zwischen 20 und 50, kann schnell Missgunst aufkommen.

Das Training selbst war dieses Jahr bei den Cowboys auch ein großes Problem. Zum Saisonauftakt hatten sie keinen Platz gehabt und sich zwischen Fußball spielenden Studenten an der Pinakothek oder im Englischen Garten fit gehalten. Die Ansprüche an die eigene Leistung waren hoch, das Ambiente amateurhaft, kurz: Die Stimmung war schlecht. Das schlug vor allem auf die Leistung im Angriff durch. "Wir hatten in dieser Saison wirklich einige Herausforderungen zu meistern", sagt Quarterback Blake Bolles. Aber: "In den letzten vier Spielen hat sich gezeigt, wie belastbar dieses Team wirklich ist", meint der US-Amerikaner. Die Playoff-Chance sei schon fast weg gewesen, man habe alle vier Spiele gewinnen müssen. Und so kam es dann auch.

"In den letzten vier Spielen hat sich gezeigt, wie belastbar das Team wirklich ist": Cowboys-Quarterback Blake Bolles denkt wie ein Profi. (Foto: Johannes Simon)

Gegen Ende der Saison war irgendetwas passiert. Das konnte man auch am letzten Spieltag in der Partie gegen die Marburg Mercenaries sehen. Nicht nur auf dem Spielfeld, wo die Cowboys dank einer erstarkten Offensive 54:29 gewannen. Auch am Seitenrand fiel etwas auf: Der gesamte Trainerstab trug Lederhosen. "Gekauft, nicht geliehen, selbstverständlich", sagte Headcoach James Craig. Er habe die Idee zunächst albern gefunden, als die Spieler damit ankamen. "Aber am letzten Spieltag habe ich mir gedacht: Vielleicht ist das gar nicht so blöd. Und als wir vor dem Spiel in die Kabine kamen, waren die Spieler ganz euphorisch", erzählt der Coach. Erst am Ende der Saison wurden sie zu der eingeschworenen Gemeinschaft, die sie von Beginn an sein wollten. Dazu passte dann auch der Auftritt von Daniel Martin, Abwehrspieler und Schatzmeister der Cowboys, bei der Pressekonferenz nach dem Marburg-Spiel. Dies sei wahrscheinlich seine letzte Partie gewesen, es werde aus zeitlichen Gründen immer schwerer. "Ich spiele jetzt seit 18 Jahren Football, der Sport wird immer in meinem Herzen bleiben", sagte er. Und kämpfte mit den Tränen.

Es ist nun noch lange nicht alles harmonisch bei den Cowboys. Es habe dieses Mal "Probleme mit der Defensive Line" gegeben, deutete Craig an. Wie sehr die Mannschaft wirklich zusammengewachsen ist, wird das Viertelfinale am 20. September beim Nord-Meister Braunschweig zeigen. Dort wolle man sich gut verkaufen, sagen die Cowboys. Insgeheim hoffen sie, von den Lions unterschätzt zu werden.

Der Münchner Teamgeist wird auch schlicht an der Zahl der Spieler ablesbar sein, die für ein fast hoffnungsloses Unterfangen das Wochenende opfern und in den Reisebus steigen. Einer sendet schon einmal ein Zeichen: Kicker Robert Werner, am vergangenen Wochenende bei zwei missratenen Extrapunkt-Versuchen schmerzlich vermisst, will seinen viermonatigen USA-Aufenthalt unterbrechen und einfliegen. Gleich nach dem Spiel steht für einige der zweite Treuetest an. Quarterback Blake Bolles sagt zum Beispiel, er habe seinen Rückflug in die USA erst für die Zeit nach der German Bowl in Berlin gebucht. Bis dahin will Bolles auch ein weiteres Detail geklärt haben: ob er im kommenden Jahr wiederkommt.

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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