Süddeutsche Zeitung

Amateurfußball:Ein Profi in der achten Liga

Florian Hahn, einst Geschäftsführer bei Wacker Burghausen, wird Trainer und Manager beim Traditionsklub Wacker München - und soll den Kreisligisten wieder nach oben führen.

Von Stefan Galler

Wenn Liebende ihre Leidenschaft nicht ausleben dürfen, dann mündet die Sehnsucht nicht selten in eine tragische Geschichte. Insofern passt das Vereinsmotto, das sich der FC Wacker gegeben hat, ganz gut zur Entwicklung der vergangenen Jahre. "Münchens heimliche Liebe" nennt sich der Verein, der einst die dritte Kraft in der Landeshauptstadt gewesen ist und sich noch früher, in den 1920er Jahren, sogar einige Male aussichtsreich um den deutschen Meistertitel bewarb.

Zurzeit sind sie in Sendling darum bemüht, sich nach einer Achterbahnfahrt inklusive Insolvenz in den Neunzigerjahren wieder nach oben zu orientieren. Und dazu soll ein Mann beitragen, der über viel Erfahrung im Profifußball verfügt: Florian Hahn, 40, der ehemalige Geschäftsführer des SV Wacker Burghausen, wird Sportlicher Leiter und Trainer des Kreisligisten.

"Ich habe mich gefragt, ob ich das machen will. Aber es war mir auch klar, dass die Tür zu einem hauptamtlichen Job im Fußball für mich zu ist, weil ich zu lange aus dem Geschäft bin", sagt Hahn.

Vor achteinhalb Jahren war der gebürtige Eggenfeldener, dessen aktive Karriere nach vier Kreuzbandrissen vorzeitig endete, noch in Burghausen tätig. Damals scheiterte der Klub knapp am Wiederaufstieg in die dritte Liga. Zur gleichen Zeit stand in München das Finale dahoam in der Champions League vor der Tür. Weil man um diese Zeit bei Wacker München eine vorbildliche Integrationsarbeit für Flüchtlinge betrieb, schenkte die Uefa dem Klub einen neuen Mini-Kunstrasenplatz. Und dazu schaute an der Demleitnerstraße viel Prominenz vorbei, darunter der damalige Uefa-Präsident Michel Platini, sein Generalsekretär, ein gewisser Gianni Infantino, heute Chef des Weltverbands Fifa, oder der 2012 neu gewählte (und 2015 zurückgetretene) DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Auch Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge waren da, und sogar eine Delegation des FC Barcelona. Sie alle saßen in der urigen Vereinsgaststätte, es war ein unglaublicher Aufmarsch.

Wer damals dachte, Wacker München, das damals sportlich allenfalls durch die Frauenmannschaft in Erscheinung trat, könnte durch dieses Ereignis eine Renaissance erleben, sah sich getäuscht. Bis heute haben es die Männer nicht geschafft, wenigstens das Minimalziel, die Rückkehr in die Bezirksliga, zu bewerkstelligen. Dabei sieht der aktuelle Vereinsvorsitzende Florian Bamminger das Potenzial des Klubs durchaus in den Sphären wie vor 30, 40 Jahren: "Wir haben eine riesige Tradition. Dieser Verein gehört nicht in die Kreisliga, sondern langfristig wieder in die Landes- oder Bayernliga." Dort spielte Wacker zuletzt in der Saison 1988/89. Immobilienunternehmer Bamminger, 36, war bereits als Sponsor präsent gewesen, ehe er 2016 das Ruder bei Wacker übernahm. Damals spielte der Verein sogar noch eine Etage tiefer als heute, in der Kreisklasse. "Nichts gegen Integration, aber ich wollte dann den Fokus wieder etwas mehr auf den Fußball legen."

Die Verpflichtung von Florian Hahn unterstreicht das. "Für mich als Vorstand ist es toll, dass er zu uns kommt. Von ihm kann ich viel lernen, was Sportliche Leitung oder Sponsoring angeht", sagt der Wacker-Präsident. Als Trainer arbeitete Hahn einst für die U 14 und U 15 des FC Bayern sowie beim TSV Großhadern. Von 2009 bis 2014 war er Geschäftsführer und später zusätzlich Sportlicher Leiter in Burghausen, danach ein knappes Jahr Marketingchef beim österreichischen Erstligisten SV Grödig und schließlich als Vertriebsleiter beim FC Augsburg vor allem für Sponsoring und Events zuständig. Streckenweise parallel dazu arbeitete er als Sportlicher Leiter beim Bayernligisten FC Ismaning, bei dem es bisweilen "chaotisch" zugegangen sei, wie Hahn betont. Seit Januar 2019 und noch bis Juni 2021 ist er nun hauptberuflich außerhalb des Fußballs unterwegs, als Geschäftsführer einer Papierwarenfabrik in Marktl am Inn.

Dass er bei Wacker München den durchaus erfolgreichen Trainer Adis Letica ablöste, war überraschend, schließlich hatte die Mannschaft unter dem Bosnier von neun Spielen in Liga und Pokal acht gewonnen und kein einziges verloren. Groß äußern will sich Vorstand Bamminger nicht zur Trennung von dem 42-Jährigen. Es habe nicht am sportlichen Bereich gelegen, sagt er nur, die Chemie habe einfach nicht mehr recht gestimmt zwischen Team und Coach, weshalb dieser intern bereits angekündigt hatte, im nächsten Sommer seinen Hut nehmen zu wollen.

Hahn hält es angesichts von acht Zählern Rückstand auf Relegationsplatz zwei nicht für realistisch, dass er mit dem FC Wacker nach der coronabedingt verlängerten Winterpause bereits 2021 aufsteigt. Präsident Bamminger hat den Plan indes noch nicht aufgegeben: "Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Ligapokal, darüber könnten wir es schaffen." Die Mannschaft habe jedenfalls Potenzial, allen voran Kapitän Norbert Bzunek, der in den bisherigen 18 Saisonspielen schon 13 Tore erzielt und weitere 15 vorbereitet hat. Der 30-Jährige ist zudem Trainer der erfolgreichen U 13, die in der Bezirksoberliga spielt und der Vorbote sein soll für eine schon bald prosperierende Jugendarbeit. Bamminger sagt: "Für Norbert gab es schon viele Angebote, aber er ist uns immer treu geblieben." Zumindest an dieser Liebe ist nichts heimlich.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2020
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