Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Tillman trifft

Ein 18-Jähriger bewirbt sich beim Titelanwärter FC Bayern München II um die Nachfolge des scheidenden Toptorjägers Kwasi Wriedt. In Jena ist der Teenager zweimal erfolgreich.

Von Christoph Leischwitz

So schlimm scheint es nicht gewesen zu sein, sonst würden sie sich nicht so gut verstehen. Vor ein paar Wochen erzählte nämlich der Mittelfeldspieler Angelo Stiller, dass die "neuen Jungs alle vor der Mannschaft im Hotel singen mussten". In der Woche vor dem Restart der dritten Liga war das, als sich alle Mannschaften in Quarantäne befanden. Zumindest haben diese Gesangseinlagen nicht zu weiterem social distancing geführt. Die neuen Jungs durften rein, über die Wochen hinweg auch mehr und mehr in die Startelf, und einer trumpft dabei zurzeit so sehr auf, dass sie ihm womöglich bald regelmäßig Ständchen singen, spätestens dann, wenn wieder Zuschauer zugelassen sind. Beim 2:1-Sieg des FC Bayern München II beim Tabellenletzten Carl Zeiss Jena erzielte Malik Tillman beide Treffer (8./62.). Zwölf Tage nach seinem 18. Geburtstag durfte er sein Debüt geben, seitdem hat er in sechs Partien schon fünf Tore geschossen. Und das, obwohl er bisher kein einziges Mal über 90 Minuten gespielt hat. Nein, nein, betonte er nach dem Spiel bei Magentasport, so leicht sei das nicht, in der dritten Liga Tore zu schießen, es werde ihm nur "leicht gemacht durch meine Mitspieler."

Da dürfte er Recht haben, der Tabellenführer bringt den Ball eben schnell in gute Abschlusspositionen. Trotzdem sind Tillmans Tore von Bedeutung. Denn in der Nachwuchsabteilung der Bayern fragen sie sich zurzeit, wie in der kommenden Saison Kwasi Wriedt ersetzt werden soll, der 24-Tore-Mann, der am Samstag auch den Siegtreffer für Tillman auflegte (dem Vernehmen nach soll Wriedt trotz gerade auslaufenden Vertrags auch für die verbleibenden Saisonspiele zur Verfügung stehen). Tillman reift allmählich zu einer Option heran. Die beispielsweise greifen könnte, wenn beschlossen wird, dass Joshua Zirkzee schon zu weit ist für die dritte Liga. Der nämlich sitzt zurzeit bei den Profis auf der Bank und trifft ja auch regelmäßig, wenn Robert Lewandowski mal verhindert ist.

Ganz doll zufrieden war Trainer Sebastian Hoeneß zwar nicht nach dem Auftritt des Ersten beim Letzten. Seine Mannschaft habe Kontermöglichkeiten "schlampig verspielt" und sich im Spielaufbau "leichtfertige Ballverluste" geleistet. Das Hinspiel hatten die Bayern überraschend 1:2 verloren. Die Körner gingen langsam aus, auch mental sei dieses Spiel nach dem prestigeträchtigen Derby auch nicht leicht gewesen. So strickte er zumindest keinen Vorwurf daraus, dass die Mannschaft in der Nachspielzeit einfach nur den Sieg über die Zeit bringen wollte, zur Not mit Tändeleien an der Eckfahne, gegen einen bereits feststehenden Absteiger.

Etwas anstrengender als gedacht wurde es wegen einer Unkonzentriertheit nach gut einer halben Stunde: Der in die Startelf gerückte Kilian Senkbeil verlor den Ball im eigenen Sechzehner, Jenas Maximilian Rohr schlenzte unbedrängt vom Strafraumrand ins ferne Eck (32.). Doch die Kombinationen, die zu den beiden Tillman-Treffern führten, zeigten auch: Wenn die Bayern das Tempo anziehen, ist immer etwas möglich. An diesem Mittwoch (19 Uhr), im letzten Heimspiel der Saison, könnten sie gegen den MSV Duisburg einen großen Schritt Richtung Meisterschaft machen.

Am letzten Spieltag reist die U23 des FC Bayern dann nach Kaiserslautern. Wenn es nach dem Verein geht, dann würden sie gerne einen Pokalsieg mit den Profis (im Finale gegen Leverkusen) und eine Meisterschaft mit der zweiten Mannschaft feiern, alles an nur einem Tag.

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SZ vom 29.06.2020
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