Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Ein Ei und rohe Gewalt

Unterhaching unterliegt in Zwickau durch ein Tor kurz vor Ende 1:2. Saisonübergreifend ist die SpVgg nun schon seit elf Spielen ohne Sieg.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Dreimal versuchte es die Reporterin vom übertragenden Streamingdienst. So sehr interessierte sie sich für die "Baustellen", die Arie van Lent in den nächsten Wochen in seiner Mannschaft angehen müsse. Doch so sehr sich der niederländische Trainer der SpVgg Unterhaching bemühte: Im infernalen Jubellärm der 2621 Anhänger des FSV Zwickau war die zarte Stimme der Interviewerin partout nicht zu verstehen. Schon kurios, dass sich feiernde Sachsen in den Armen lagen, während der Coach mit gut zwei Meter Abstand zur Gesprächspartnerin stand. Aber was ist schon normal in Corona-Zeiten.

Dass Haching zum Auftakt der neuen Drittligasaison bei den Zwickauern, die vor gut zwei Monaten mit gerade mal einem Tor Vorsprung auf den ersten Absteiger Chemnitz die Klasse hielten, mit 1:2 (0:1) verlor, lag jedoch nicht am Virus, sondern daran, dass die Rot-Blauen ihre spielerische Überlegenheit nicht nutzen konnten. Und am Ende das Opfer eines Gewaltschusses des Zwickauers Manfred Starke wurden. Der Mittelfeldspieler, vor der Saison vom 1. FC Kaiserslautern gekommen, zog aus gut 20 Metern ab, SpVgg-Torwart Nico Mantl sah den Ball auf sich zukommen, konnte ihn dennoch nicht abwehren - der Siegtreffer für den FSV in der 88. Minute. "Ich weiß nicht, ob er ihn halten muss", sagte van Lent in der Pressekonferenz nach dem Spiel, doch man hatte das Gefühl, dass er es sehr genau wusste.

Das späte 1:2 war die unglückliche Schlusspointe aus Hachinger Sicht in einer Partie, die schleppend begann, zumindest was Torszenen betraf. Ein harmloser Schuss von Zwickaus Felix Drinkuth, der seinen besser stehenden Kollegen Morris Schröter übersah, ein schön anzusehender, aber ungefährlicher Fallrückzieher von Dustin Willms und auf der Gegenseite eine Flanke von Max Dombrowka, an der Lucas Hufnagel knapp vorbei rutschte - das war es schon in der ersten halben Stunde. Dann wurde Hachings Alexander Fuchs beim Versuch, den Ball aus dem eigenen Strafraum zu klären, empfindlich gestört, seine Kollegen stellten kurzzeitig den Spielbetrieb ein und reklamierten (vergeblich), während Drinkuth diesen Moment gedankenschnell nutzte und die Kugel aus 18 Metern flach neben den Pfosten ins Hachinger Tor drosch (37.). "Vielleicht gibt es Schiedsrichter, die das pfeifen", sagte van Lent. "Aber mich hat geärgert, wie meine Spieler auf die Szene reagiert haben. Da fehlt eine Zehntelsekunde, in der man sich in den Schuss hätte werfen können."

Weniger selbstkritisch äußerte sich Markus Schwabl, in Abwesenheit von Josef Welzmüller (Kreuzbandriss) Kapitän der Hachinger, bei MagentaTV: "Wir kriegen so ein beschissenes Eiertor. Für mich ein klares Foul, aber mit dem Schiedsrichter konnte man darüber sowieso nicht reden."

Im zweiten Durchgang steigerten sich die Gäste, doch es dauerte, bis es im Zwickauer Strafraum gefährlich wurde. Hufnagel ließ Marco Schikora stehen, der FSV-Verteidiger holte den Unterhachinger unsanft von den Beinen und der für den diesmal harmlosen Felix Schröter eingewechselte Dominik Stroh-Engel blieb beim folgenden Elfmeter ganz cool; er erzielte das 65. Drittligator seiner Karriere zum 1:1-Ausgleich (67.). Zugang Patrick Hasenhüttl kam übrigens nicht zum Einsatz.

Die Begegnung hätte nun auch gut und gerne kippen können, vor allem als Stroh-Engel eine Flanke von Markus Schwabl perfekt vor die Füße von Felix Müller köpfelte und jener freistehend über den Ball stolperte (79.). Auch Zwickau hatte ein paar Gelegenheiten, etwa einen Kopfball von Maximilian Wolfram, der über das Tor ging, ehe dann Starke mit seinem finalen Distanzschuss die Partie für die Gastgeber entschied.

Damit blieb Haching auch im elften Spiel in Serie saisonübergreifend sieglos. Trainer van Lent stellte nach seinem Pflichtspieldebüt auf der Unterhachinger Kommandobrücke dennoch die positiven Aspekte heraus: "Es war ein bisschen mehr drin für uns. Spielerisch haben wir größere Teile der Partie beherrscht", sagte er. "Bitter, dass es so gelaufen ist, ein Punkt wäre sicherlich in Ordnung gewesen", meinte van Lent.

Am Ende bekam dann auch die Fernsehreporterin noch ihre Antwort, wenn auch nicht vom Coach. Kapitän Markus Schwabl lieh ihr sein Ohr und konnte schließlich die Frage nach den "Baustellen" verstehen. "Wir müssen einfach mehr Tore machen, aber andererseits musst du dich über vorne nicht unterhalten, wenn du hinten zwei kassierst. Und da bin ich selbst mitverantwortlich."

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Quelle:
SZ vom 21.09.2020
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