1860 München:"Hasan zahlt alles!"

03 11 2018 Fussball 3 Liga 2018 2019 14 Spieltag Preußen Münster TSV 1860 München im Preußen; 1860-Theater

"Vernünftiges" und "verbessertes" Verhältnis zu Ruhdorfer: Vizepräsident Hans Sitzberger (links) und Präsident Robert Reisinger.

(Foto: Cathrin Müller/M.i.S./imago)

Was ist bei 1860 wirklich los? Der SZ liegt nun endlich das Protokoll der sagenumwobenen Aufsichtsratssitzung nach dem Rücktritt von Daniel Bierofka vor.

Glosse von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Wir befinden uns im Jahre 2020 n.Chr. Ganz Fußball-Deutschland ist von der Winterpause gelähmt... Ganz Fußball-Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Romantikern und Geschäftsleuten besetzter Verein an der Grünwalder Straße hört nicht auf, jedem Eindringling, der eine andere Meinung hat, Widerstand zu leisten. Bereits Anfang November hatte Trainer Daniel Bierofka keine Lust mehr auf seinen Job beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München und flüchtete, die Wandlung von Darlehen des Investors Hasan Ismaik in Genussscheine stand aus, um die Insolvenz zu verhindern, und in kürzester Zeit zauberte der Klub Michael Köllner als neuen Trainer aus dem Hut. Die darauf folgende Aufsichtsratssitzung mit Gästen, in der Köllner sich vorstellte, hat die SZ exklusiv, illegal und fiktiv mitprotokolliert.

Es treten auf:

Michael Scharold, Geschäftsführer Finanzen an der Grünwalder Straße.

Robert Reisinger, Präsident des TSV 1860 München und Freund des sogenannten Konsolidierungskurses.

Hans Sitzberger, Vize-Präsident beim TSV 1860 München und Betreiber der AHD Sitzberger GmbH, die unter anderem Straßenreinigungsdienste anbietet.

Thomas Heigl, Vorstand beim Versicherer Die Bayerische, Hauptsponsor bei 1860 und Namensrechteinhaber im Grünwalder Stadion ("Die Bayerische Haupttribüne") sowie am Nachwuchsleistungszentrum ("Die Bayerische Junglöwen").

Karl-Christian Bay: Unternehmensberater. Ehrenamtlich tätig bei 1860, sitzt für die Vereinsvertreter im Aufsichtsrat und hilft immer dann, wenn andere auf sein umfassendes Wissen angewiesen sind.

Saki Stimoniaris: Betriebsratsvorsitzender bei MAN, nebenbei aktiv als Lebensabschnittskumpel von 1860-Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik und dessen Mann im Aufsichtsrat. Hat sich vergeblich für das Amt des Präsidenten beworben.

Anthony Power: Ismaiks rätselhafter starker Mann an der Grünwalder Straße. Geht gerne ins Fitnessstudio. Außerdem Geschäftsführer der Merchandising-Firma bei 1860, die zu 100 Prozent Ismaik gehört.

Michael Köllner: Fußballtrainer mit interessantem Dialekt aus der Oberpfalz.

Vorhang auf Scharold: Verehrte Herren, als Geschäftsführer Ihres gemeinsamen Unternehmens heiße ich Sie herzlich willkommen! Wie Sie alle wissen, haben wir einen neuen Trainer, der sich heute...

Stimoniaris: (ruft dazwischen) Daniel Bierofka war ein echter Löwe! Der letzte echte Löwe, der letzte echte Grünwalder! Und was sind wir Löwen alle? Echte Grünwalder! Der Biero hätte ein zweiter Jürgen Klopp werden können, er war fast schon ein zweiter Jürgen Klopp, aber er wurde weggeekelt! Der Hasan war traurig, sehr, sehr traurig. Er sagt: 1860 ist wie die DDR.

Reisinger: (grinst) Die DDR hätte der Bierofka aber nicht verlassen dürfen.

Scharold: Wir bitten also nun Herrn Köllner, sich vorzustellen.

Köllner: Wouboudouwoubou. Boudou. Bou, woudou.

Reisinger: Hä?

Scharold: Er sagt wahrscheinlich, dass er sich irre freut, nach Stationen in Herzogöd, wo er geboren wurde, und Weiden, wo er die Klosterschule besuchte, und Nürnberg, wo er zum Trainer reifte, nun endlich in München angekommen zu sein.

Stimoniaris: Ja sicherlich, aber ich sehe das anders. Völlig anders! Sechzig muss wieder in die Bundesliga und ein Derby...

Köllner: Spaaaaß! Ich habe doch noch gar nichts gesagt. War nur eine Oberpfälzisch-Parodie.

Sitzberger: Hehehe, köstlich.

Bay: Ich finde, wir sollten die Vorstellung von Herrn Köllner etwas verschieben und uns erst einmal dem wichtigsten Thema der Tagesordnung widmen, der Wandlung von Darlehen des Gesellschafters Hasan Ismaik in Genussscheine, um eine Strafzahlung an den Deutschen Fußball-Bund...

Sitzberger: (singt) Alle Jahre wieder / wird ge-he-wa-han-delt...

Reisinger: (grinst) Muss ja nicht, Hans. Aber dann sind wir schön pleite.

Köllner: Was sind denn Genussscheine?

Sitzberger: Da leiht man sich Geld und sagt, dass man es zurückzahlt. Das macht man dann aber einfach nicht. Weil man irgendwie doch nicht muss. Hehehe!

"Mit Frauenfußball von 1860 können wir den arabischen TV-Markt so richtig aufmischen"

Bay: Das ist so nicht korrekt, Hans. Ein Genussschein ist eine Urkunde, die Rechte verschiedener Art...

Reisinger: (gibt Köllner einen Knuff) Das sind Essensmarken, die der Hasan im Löwenstüberl einlösen kann.

Heigl: Apropos: Ich stelle den Antrag, das Löwenstüberl in "Das Die Bayerische ihr Löwenstüberl" umzubenennen.

Sitzberger: (singt) Der, die, das. Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.

Heigl: Im Gegenzug würden wir unser außerordentliches Engagement im F-Jugend-Bereich ausdehnen auf die Bambini...

Stimoniaris: Antrag abgelehnt!

Heigl: Warum denn?

Stimoniaris: So halt. Weil ich es kann.

Sitzberger: (singt weiter) Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu seh'n. Manchmal muss man fragen, um sie zu versteh'n.

Bay: ...vornehmlich das Genussrecht am Reingewinn oder am Liquidationserlös an einer Unternehmung unabhängig von der Rechtsform verbrieft, im Gegensatz zur Aktie, die Gesellschaftsrechte beurkundet...

Reisinger: Wir machen keinen Reingewinn bei Sechzig. Wir arbeiten mit Mischkalkulationen.

27 07 2019 Fussball 3 Liga 2019 2020 2 Spieltag Eintracht Braunschweig TSV 1860 München im E; 1860-Theater

...Merchandising-Chef Anthony Power, Sieger im Jürgen-Klopp-Ähnlichkeitswettbewerb auf der letzten Löwen-Weihnachtsfeier...

(Foto: Cathrin Müller/imago/MIS)

Stimoniaris: (zu Reisinger) Ja, Du kannst es halt nicht! Oberlöwe sein! Ich könnte es viel, viel besser!

Reisinger: Du kommst doch ohne Deinen Chauffeur nicht mal unfallfrei von Deinem MAN-Gelände gerollt!

Bay: ... grundsätzlich unterscheidet man Genussscheine nach der Form: Sie können Nominalpapiere sein, die auf eine bestimmte Summe lauten. Oder Quotenpapiere, die auf den prozentualen Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös lauten...

Scharold: Apropos Quotenpapiere: Verehrte Herren, haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, ob nicht auch der Turn- und Sportverein von 1860 im 160. Jahr seines Bestehens eine Damenmannschaft ins Leben rufen sollte? Überlegen Sie nur: Frauen dürfen wählen. Sie dürfen inzwischen sogar Auto fahren. Warum sollte man ihnen nicht auch beim Fußballspielen zusehen und dafür Eintrittsgeld bezahlen? Wir könnten mehr Einnahmen generieren! Vielleicht sogar mehr als diese Spielvereinigung in Unterhaching!

Power: Hasan verkauft den Klub nicht. Niemals. Seine Kinder auch nicht. Also hört auf, ihn zu ärgern!

Sitzberger: Hehehe. Sonst was?

Power: Sonst werden die gelben Karten nicht mehr von deiner Putzklitsche präsentiert. Sondern von meiner Merchandising Company!

Reisinger: (grinst) Also ich finde die Idee gut. Mit Frauenfußball von 1860 können wir den arabischen TV-Markt so richtig aufmischen.

Power: Auch die Kinder von Hasans Kindern werden den Klub niemals verkaufen.

Bay: ...Genussscheine lassen sich auch nach ihrem Inhalt unterscheiden: Geben sie Anspruch auf Gewinnbeteiligung? Geben sie Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös? Geben sie Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Summe?

Sitzberger: Es gibt keinen Anspruch. Hasan kriegt nix, gar nix! Hehehehe!

Scharold: Die Herren: Wir sollten uns alle dringend an einen Tisch setzen und die Zukunft planen. Ich habe verschiedene Modelle auf einer Powerpoint-Folie zusammengestellt, für die wir uns entscheiden können. A) Wir führen eine Kapitalerhöhung durch und holen uns einen zweiten liquiden Investor an Bord. So wie es Hertha BSC in der Hauptstadt gemacht hat.

Reisinger: (haut sich mit der flachen Hand auf die Stirn) Spitzenidee! Der Typ ist so dubios, dass ihn die Berliner "Windhorst" getauft haben.

Scharold: Das ist kein Spitzname. Der heißt wirklich so.

Power: Wie bei mir. Da glauben auch immer alle, dass ich Power genannt werde, nur weil mein Oberarm so dick ist.

Stimoniaris: (zu Reisinger) Nicht mal lesen kannst Du!

Reisinger: Wer lässt sich denn auf einen Investor ein, der Windhorst heißt?

Sitzberger: Wer kauft sich denn einen Fußballklub in Deutschland, obwohl es da nur 50+1 und lecker Genussscheine gibt? Hehehehe!

Power: Auch Hasans Welpen werden den Klub nicht verkaufen, sollten sie eines Tages die Nächsten in der Erbfolge sein...

Fußball: 3. Liga, Saison 2019/2020, 20. Spieltag, Preußen Münster - TSV 1860 München am 21.12.2019 in Münster (Nordrhei

...und Michael Köllner (rechts), Trainer mit klaren Ansagen.

(Foto: Marco Steinbrenner/imago)

"No Champions League, kapitschko?"

Scharold: Wem Modell A nicht gefällt, dem sagt vielleicht Modell B zu: Wir betrachten Fußball ab sofort als reinen Nebenerwerb. Beziehungsweise Nebenverlust. Stattdessen investieren wir in Sportarten und Technologien, mit denen sich noch Geld verdienen lässt. Wir gründen Start-ups, die sich auf künstliche Intelligenz spezialisieren, und gliedern sie aus, damit das Finanzamt nicht an die Gewinne kommt.

Stimoniaris: (reibt sich nachdenklich das Kinn) Plan B hat gewissen Charme...

Reisinger: Klar, Du glaubst, künstliche Intelligenz wäre deine Rettung!

Köllner: Künstliche Intelligenz? Das klingt nach Teufelszeug.

Bay: Künstliche Intelligenz, auch artifizielle Intelligenz, englisch: artificial intelligence, ist ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen befasst. Der Begriff ist insofern nicht eindeutig abgrenzbar, als es bereits an einer genauen Definition von "Intelligenz" mangelt.

Power: (haut mit der Faust auf den Tisch) Ist das gegen Hasan gerichtet?

Stimoniaris: Ich bin für Modell C - C wie Champions League. Hasan zahlt alles! Er hat schon immer gezahlt!

Scharold: Modell C geht doch ganz anders.

Power: (flüstert zu Stimoniaris) Der Scharold ist kein Anführer, der ist schwach.

Scharold: Meine Herren, bei 1860 wird nicht getuschelt! Darf ich um Aufmerksamkeit für Plan C bitten: Bei diesem Modell fahren wir unsere Kosten so weit runter, dass 1860 keinen Verlust mehr macht.

Power: Wie weit runter fahren wir?

Scharold: Nun, nicht weit. Unser Vorbild wären die Woolpack Wanderers auf den Scilly Inseln vor der Südwestspitze Englands. Dort wird die kleinste Fußball-Liga der Welt ausgetragen. Die Woolpack Wanderers spielen einmal die Woche gegen ihren einzigen Gegner, die Garrison Gunners. Immer sonntags um halb elf.

Reisinger: Ich bin für Plan C! Wir spielen einfach nur noch gegen Türkgücü.

Stimoniaris: Klar, Hauptsache, Grünwalder Stadion.

Reisinger: (grinst) So ein Quatsch. Von mir aus spielen wir auch auswärts im schönen Türkgücü.

Stimoniaris: (brüllt) Die spielen doch auch im Grünwalder!

Reisinger: Die künstliche Intelligenz wirkt scheinbar schon.

Köllner: Also, es ist ja bisher wirklich ein ganz tolles Kennenlernen, ein unheimlich kurzweiliger Austausch. Aber wenn sowieso über nichts abgestimmt wird, könnte ich mich doch noch kurz vorstellen und...

Bay: Für Vorstellungsrunden ist es zu spät, schauen Sie mal auf die Uhr. Das machen wir beim nächsten Mal.

Scharold: Und die Umwandlung?

Stimoniaris: Auch nächstes Mal.

Scharold: Und Plan A, B oder C?

Stimoniaris: C wie Champions League!

Reisinger: C wie Türkgücü, zefix.

Sitzberger: Äh...

Stimoniaris: Ä gibt es nicht!

Reisinger: Champions League gibt es auch nicht! No Champions League, kapitschko?

Scharold: Also, dann: Planentscheidung nächstes Mal. Oder wann anders.

Köllner: Goudounoudoun.

Sitzberger: Hehehe, köstlich, diese Oberpfälzisch-Parodien!

Scharold: Er hat doch nur eine gute Nacht gewünscht.

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