1860:Gesicht eines Neuanfangs

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Tja, da bin ich: Zwei Tore und drei Vorlagen sind Christian Köppel bei den Profis bereits gelungen. (Foto: imago/Oryk Haist)

Seit Christian Köppel den ersten Regionalliga-Treffer für die Münchner Löwen erzielte, kennen ihn die Fans. Der Absturz der Profis war sein persönliches Glück.

Von Sebastian Leisgang

Es gibt da dieses eine Bild von Christian Köppel, seit dem er wohl auch den letzten Anhängern des TSV 1860 München ein Begriff ist. Es ist nicht so, dass ihn vor diesem Augenblick keiner gekannt hätte. Köppel konnte aber wohl etwas unbemerkter ein Eis essen gehen oder mit Einkaufstüten durch die Fußgängerzonen der Stadt schlendern.

Nun aber, seit diesem Bild, hat die Nummer elf des TSV 1860 einen Namen. Das Bild entstand in den Abendstunden des 13. Juli in Memmingen: Es zeigt Köppel, wie er auf dem Boden kniet, die Arme nach oben streckt, die Zeigefinger abspreizt und gen Himmel blickt. Kurz zuvor war ihm ein geschichtsträchtiger Treffer gelungen. Er hatte Memmingens Torwart Martin Gruber mit einem frechen Heber aus 30 Metern überlistet - das erste Regionalligator der Löwen nach dem Absturz aus der zweiten Liga.

Wer sich nach Fußballspielen mit Christian Köppel, 22, unterhält, der erlebt einen höflichen, jungen Burschen, von dem anzunehmen ist, dass er zu Schwiegermamas Liebling taugt, mit den rötlichen Wangen, der schnittigen Frisur, seinem Humor und seiner spitzbübischen Art. Das freche Tor von Memmingen fügte sich in dieses Bild. Dies ist allerdings nur das Oberflächliche. Köppel ist ein gläubiger Mensch. Er liest jeden Tag in der Bibel und betet vor den Spielen. Für den Erfolg, für seine Gesundheit und die seiner Mitspieler. Im Gespräch merkt man schnell, wie reflektiert er ist.

Das Bild des knieenden Köppel ist vielleicht auch deshalb so eindrücklich, weil es den Ausgangspunkt einer Saison markierte, in der sich die Löwen mit spektakulärer Beharrlichkeit dagegen wehren, dem Alltag der Regionalliga zu verfallen. Dass sich Sechzig dem monotonen Trott erfolgreich verweigert, ist Christian Köppel geschuldet. Zumindest teilweise.

Sascha Mölders, der Torjäger, und Timo Gebhardt, der Spielgestalter, sind zwar in aller Munde, doch im Schatten der beiden trumpft Köppel auf. Als Linksverteidiger spielt er im Gefüge von Trainer Daniel Bierofka zwar nur eine Nebenrolle, allerdings nur, was die Position anbelangt. Sonst ist er eine der zentralen Figuren bei Bierofka, nicht zuletzt wegen zwei Toren und drei Vorlagen, die er in gerade einmal acht Ligaspielen zustande brachte. "Das ist sehr ungewöhnlich", sagte er schon nach dem 5:0 gegen Illertissen, "aber ich nehme es natürlich gerne mit." So wie all das, was gerade wie in einem Film in seinem Leben abläuft.

Köppel ist ein echter Münchner. Er ist hier geboren, wuchs in Moosach auf, durchlief die Jugendabteilung der Löwen. Der Absturz der Profis aus der zweiten Liga verhalf ihm zur Beförderung. Das Unglück des Vereins war, wenn man so will, sein Glück. In der vergangenen Saison spielte Köppel zwar auch schon in der Regionalliga, allerdings für die zweite Elf. Plötzlich ist er ein fester Teil der Profis, die an diesem Freitag (19 Uhr) den FC Ingolstadt II empfangen.

Es klingt nicht nach einer Plattitüde, wenn Köppel Sätze sagt wie: "Die Stimmung war überwältigend. Die Fans haben uns einfach getragen." Solche Aussagen stehen stets unter Phrasenverdacht, aus seinem Mund klingen sie authentisch. Für ihn, den Reservespieler von gestern, ist das ja neues Terrain: der Medienrummel, vor mehr als 12 000 Zuschauern zu spielen: Nicht mehr unbemerkt Eis essen zu können. Das Tor von Memmingen trug sein Übriges dazu bei. Auch, weil es kürzlich zum Bayern-Treffer des Monats gekürt wurde.

Als er dafür die Trophäe überreicht bekam, sagte Köppel, sie werde in seiner neuen Wohnung, die er kürzlich mit seiner Freundin bezogen hat, einen würdigen Platz erhalten. Vielleicht vor der Playstation, fügte er an und lachte. Es war eine dieser Antworten, die ihn so nahbar machen.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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