Spitzenkandidaten:Rote Prominenz und grüne Welle

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Oberbürgermeister Dieter Reiter soll erst im Herbst offiziell als Kandidat der SPD gekürt werden, seine Herausforderin von den Grünen, Katrin Habenschaden, wurde von ihrer Partei bereits im März nominiert. (Foto: Sebastian Gabriel, Stephan Rumpf)

Dieter Reiter will im OB-Rennen von seinem Amtsbonus profitieren, Katrin Habenschaden vom Schwung ihrer Partei - doch auch die kleinen Parteien schicken Bewerber ins Rennen

Von Heiner Effern, München

Die SPD ist auch in München zweifellos in großer Aufregung und Sorge um ihre Zukunft. Das zeigt zum Beispiel die Plakataktion nach der Europawahl, als die Sozialdemokraten flugs auf den noch herumstehenden Ständern ihre Verdiensten um die Stadt plakatierten. Doch in einem Punkt bleibt die SPD gelassen, und das auch gut begründet. Sie wird ihren Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl erst im Herbst küren, weil es nicht einmal den Hauch einer Diskussion um diese Personalie gibt. Und bekannt machen muss sie ihren Favoriten in einem langen Wahlkampf auch nicht mehr. Dieter Reiter wird nach seinen ersten sechs Jahren als Oberbürgermeister wieder antreten.

Ob Reiter auch nach innen so gelassen ist, wie er sich nach außen gibt, lässt sich schwer sagen. Stadträte der Hauptkonkurrenten CSU und Grüne sticheln immer wieder, dass der OB gerade recht dünnhäutig wirke. Nach dem letzten Debakel seiner Partei bei der Europawahl wollte er sich öffentlich zunächst nicht äußern. Auf keinen Fall in diesen Berliner und Brüsseler Negativstrudel hineinziehen lassen, so lautete wohl die Devise. Doch auf Nachfrage bezog er doch Stellung und lebte seiner Partei ein Selbstvertrauen vor, das viele Sozialdemokraten gerade händeringend suchen. Die SPD müsse mit ihrer Bilanz in München nicht "in Sack und Asche" gehen, sagte der Oberbürgermeister. Sie setze die richtigen Themen und müsse die nun auch den Bürgern nahebringen. Reiter weiß, dass der direkte Kontakt mit den Menschen eine seiner großen Stärken ist. Er wird seine Prominenz als OB deshalb nutzen, um möglichst nicht mit einer Rumpffraktion dazustehen, die keine vernünftige Regierungsbeteiligung erlaubt.

Die anderen Parteien in München haben gegen Reiter als Amtsinhaber in puncto Prominenz automatisch einen Startnachteil. Das wissen sie, deshalb absolvierten die CSU und die Grünen ihre Kandidatenkür viel früher. Von der internen Auswahl haben die Bürger nichts mitbekommen, beide Parteien präsentierten zur Aufstellung nur mehr eine Kandidatin, auf die sie sich schon vorab festgelegt hatten. Die erste Marke setzten dabei die Grünen, die Katrin Habenschaden schon im März zu ihrer OB-Kandidatin wählten. Das Selbstbewusstsein bei ihnen nimmt gerade die Gegenrichtung der SPD. Habenschaden soll nach den jüngsten Erfolgen bei der Bundestags-, Landtags- und Europawahl in München nicht auf Platz spielen, sondern auf Sieg. Das ist der jetzigen Fraktionschefin im Stadtrat bewusst, schon bei ihrer Rede vor der Kandidatenkür bekannte sie sich dazu. "Wir haben eine einzigartige Chance, wie es sie noch nie gab", sagte sie. "Wir wollen regieren, und ich möchte die erste grüne Oberbürgermeisterin in München werden."

Habenschaden wird dabei nicht ihre Partei mitziehen müssen, sondern sie wird hoffen, dass die starke Grundstimmung für die Grünen auch sie als Spitzenkandidatin beflügelt. Noch hat sie, wie auch die CSU-Bewerberin Kristina Frank, einen langen Weg vor sich, bis ihr Gesicht auch für ihre Partei steht. Beide werden hart dafür arbeiten müssen, im besten Fall läuft es für sie dann auf einen offenen Dreikampf mit Reiter hinaus. Doch sie werden nicht die einzigen Gegnerinnen des Oberbürgermeisters sein. Die kleineren Parteien werden auch Kandidaten stellen, obwohl sie wissen, dass sie chancenlos sind. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit bei der Kommunalwahl richtet sich stark auf das Spitzenpersonal, mit einem OB-Kandidaten auf einem prominent besetzten Podium lässt sich oft mehr erreichen als mit stundenlangem Herumstehen an Infoständen. Bei der Bayernpartei wird es dem Vernehmen nach auf Richard Progl hinauslaufen. Er ist in einer mittlerweile sechs Köpfe starken Fraktion der einzige Stadtrat, der von Anfang an für die Bayernpartei in den Stadtrat einzog. Der Rest sind Überläufer aus anderen Parteien. Die Spitzenkandidatur würde Progl zumindest beste Chancen eröffnen, wieder in den Stadtrat zu kommen. Offiziell aufgestellt werden soll er im Sommer. In der FDP sollen drei Männer an der Spitzenkandidatur interessiert sein, der Stadtvorsitzende Fritz Roth und die beiden Stadträte Thomas Ranft und Jörg Hoffmann. Interne Vorstellungsrunden laufen, die Entscheidung soll auf der Stadtversammlung am 29. Juni fallen. Auch die ÖDP wird wohl wieder einen OB-Kandidaten aufstellen. Nach derzeitigem Stand wird es der über die Partei hinaus anerkannte Stadtrat Tobias Ruff sein. Die endgültige Wahl wird die ÖDP wie die SPD erst im Herbst treffen.

Noch offen ist die Frage einer Spitzenkandidatur bei der Linken. Auch dort liebäugelt man mit der Stimmen-Staubsaugerwirkung eines OB-Bewerbers. Momentan läuft die Debatte noch. Die Entscheidung, ob jemand und, wenn ja, wer antreten wird, fällt in der Stadtversammlung Ende Juli.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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