Spione, Agenten, Anschläge:Blutspur durch München

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1968 fand man drei Leichen in einem Büro an der Paul-Heyse-Straße, die Männer waren vom jugoslawischen Geheimdienst erschossen worden. (Foto: SZ Photo)

Zur Zeit des Ost-West-Konflikts schlugen immer wieder Attentäter in der Stadt zu. Vor allem die jugoslawische Geheimpolizei mordete wohl wie kein zweiter Dienst

Von Jakob Wetzel

Spione verschickten Paketbomben, Agenten sprengten Redaktionsräume und Druckereien in die Luft, Auftragskiller ermordeten Dissidenten und politische Gegner. Als am 21. Februar 1981 Terroristen einen Bombenanschlag auf die Rundfunksender Radio Free Europe und Radio Liberty an der Oettingenstraße verübten und dabei acht Menschen zum Teil schwer verletzten, war es nicht das erste Mal, dass Geheimdienste Attentäter nach München sandten. Und es war nicht das letzte Mal.

Aus dem öffentlichen Bewusstsein ist heute weitgehend verschwunden, was in der Zeit des Ost-West-Konflikts in München geschehen ist. Nur selten fällt ein Schlaglicht auf diese Vergangenheit; zuletzt etwa 2018, als bekannt wurde, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) jahrelang eine Sendeanlage im Nordturm der Frauenkirche genutzt hatte. Dabei ist München jahrzehntelang immer wieder Schauplatz brutaler Gewalt von Geheimdiensten gewesen.

Zufall war das nicht. München war Sitz der amerikanischen Militärregierung für Bayern gewesen, der BND hatte Pullach als Sitz für sein Hauptquartier auserkoren, und in München sammelten sich schon wegen der geografischen Nähe osteuropäische Exilanten, die Konflikte aus ihren Heimatländern mitbrachten. Manche Emigranten arbeiteten in von den USA finanzierten Radioredaktionen, die in ihre Heimatländer sendeten. Andere druckten antikommunistische Magazine, schmiedeten Pläne für den Umsturz daheim - und gerieten ihrerseits ins Visier der Machthaber.

Einem der ersten Geheimdienstmorde im Kalten Krieg in München fiel ein Kommunist zum Opfer. 1953 ließ der sowjetische KGB den tschechisch-deutschen Trotzkisten Wolfgang Václav Salus umbringen. Als Todesursache galt lange eine Lungenentzündung; erst in den Neunzigerjahren deckte eine Journalistin auf, dass ihm der Stasi- und KGB-Spion Otto Freitag ein langsam wirkendes Gift verabreicht hatte. Der KGB steckte auch hinter mindestens zwei weiteren Morden in München in den Fünfzigerjahren. Am 12. Oktober 1957 tötete der KGB-Killer Bogdan Staschinski am Karlsplatz den nationalistischen ukrainischen Politiker und Publizisten Lew Rebet mit einer Blausäurepistole, die er in einer zusammengerollten Zeitung verborgen hatte. Ärzte konnten zunächst lediglich Herzversagen feststellen. Am 15. Oktober 1959 ermordete derselbe Attentäter mit derselben Methode den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera vor dessen Wohnung an der Kreittmayrstraße 7. Bandera ist heute als Nazi-Kollaborateur umstritten. Aufgeklärt wurden die Anschläge erst, nachdem der Attentäter 1961 überlief und auspackte. 1962 stand Staschinski vor Gericht; er erhielt acht Jahre Haft wegen "Beihilfe zu einem Tötungsdelikt". Nach vier Jahren kam er frei.

Staschinskis Attentate fallen aus der Reihe: Morde und Anschläge von Geheimdiensten sind selten von Polizei und Gerichten aufgeklärt worden, vieles ist vage geblieben. Das gilt auch für zwei Sprengstoffanschläge: Am 18. April 1958 und am 12. April 1961 explodierten Sprengsätze an der Zeppelinstraße 67 in der Au. In dem Gebäude wurde die Wochenzeitung Šljach peremohy ("Der Weg des Sieges") von Banderas Vereinigung Ukrainischer Nationalisten herausgegeben. Die Redakteure verdächtigten als Urheber der Anschläge den sowjetischen Geheimdienst.

Jugoslawiens Staatschef Tito ließ einen "Spezialkrieg" gegen seine Feinde im Westen führen

In München ließen jedoch auch andere Geheimdienste ihre Gegner beiseiteschaffen. Am 5. Juli 1955 etwa detonierte im Postamt an der Agnesstraße in Schwabing-West eine Paketbombe und tötete den slowakischen Politiker Matúš Černák sowie zwei zufällig anwesende Kunden. Drahtzieher war wohl der tschechische Geheimdienst. Und unter anderem an der Paul-Heyse-Straße 25 mordete 1968 der jugoslawische Dienst: Im vierten Stock, in einem als Privatwohnung getarnten Büro der rechtsextremen Terrorgruppe "Bund der vereinigten Kroaten", wurden drei Leichen gefunden: Mile Rukavina, der Präsident des "Bundes", Kresimir Tolj, Chefredakteur einer kroatischsprachigen Zeitung, und ein Mann namens Vid Maricic. Alle drei waren erschossen worden.

Gerade die jugoslawische Geheimpolizei UDB mordete in München wohl wie kein zweiter Dienst. Im April 1969 zerriss eine Bombe den kroatischen Wirt Mirco Curic in Mittersendling. Eine gute Woche später erschoss ein Attentäter den serbischen Journalisten Ratko Obradović, der für das exilkroatische Kampfblatt Iskra ("Funke") gearbeitet hatte. Jugoslawiens Staatschef Josip Broz Tito ließ die UDB nach einem Aufstand 1972 einen "Spezialkrieg" gegen seine Feinde im Westen führen - und dieser Krieg erfasste nicht zuletzt München. Am 8. Juli 1974 etwa wurde Jakov Ljotić, Herausgeber und Chefredakteur von Iskra, in seiner Wohnung mit seiner Krawatte erdrosselt. Er hatte angekündigt, über Titos Gefängnisse zu schreiben. Im März 1983 fanden Passanten Đuro Zagajski, Mitglied einer revolutionären kroatischen Vereinigung, erschlagen im Fasangarten. Und im Juli 1983 ließ die UDB auch den prominenten Regimekritiker Stjepan Đureković ermorden. Er starb in seiner Garage an der Sauerlacher Straße in Wolfratshausen. Diktator Tito war da schon seit drei Jahren tot.

© SZ vom 20.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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