Messe "Spielwiesn":Auf Los geht's los

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Die Messe "Spielwiesn" lockt mit ihren zahlreichen Spielen jährlich ca. 60 000 Besucher an. (Foto: Florian Peljak)

Zur "Spielwiesn" pilgern tausende begeisterte Tüftler, Zocker und Strategen nach München - den Anfang nahm die Messe in einem Hinterzimmer. Heute ist sie die größte Spielemesse Süddeutschlands.

Von Thomas Becker

Da ist man ein Mal überpünktlich, und schon gibt es einen Tritt ans Schienbein: "Sie sind zu früh! Wieder raus!", ruft Petra Griebel durchs Büro und schickt hinterher: "Ist nur ein Spiel..." Eine Minute später ist der Gast mit Kaffee versorgt, in einer Tasse mit der Aufschrift "Gscheidhaferl", Salz und Pfeffer stehen in Form von "Mensch ärgere Dich nicht"-Figuren auf dem Tisch, Griebels Kollegin wortwitzelt sich durch den Tag ("Danke, Anke"), und wie der Riesen-Teddy am Tisch zu seinem Namen kam, ist auch schnell erzählt: Weil ein Messebesucher beim Anblick des Stoffknäuels meinte: "Das ist doch nicht euer ernst!?" Kurze Pause: "Doch, das ist unser Ernst!" Willkommen in der gut gelaunten Welt der "Spielwiesn", der mit jährlich 60 000 Besuchern an drei Tagen größten Spielemesse Süddeutschlands.

Seit 28 Jahren organisiert Petra Griebel diesen Freizeitgipfel im Münchner Veranstaltungscenter MOC. Von Freitag bis Sonntag stehen vier Messehallen im Zeichen von Brettspielen und Begeisterung für MINT-Disziplinen (Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik). Angekündigt ist ein "Erlebnisfestival für die ganze Familie, für Bluffer, Strategen und Glücksritter, Forscher, Tüftler und Wissenwoller".

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Zum zehnten Mal gesellt sich zum Zockerparadies "Spielwiesn" das Entdeckerreich namens "Forscha" und bietet einen Blick in die Arbeitswelt der Zukunft. Während die "Spielwiesn" ein Mix aus Spiele-Festival, Wettkampf, Info- und Kaufveranstaltung ist, sollen Junge und Junggebliebene auf der "Forscha" entdecken, wie viel Spaß es macht, spielerisch zu lernen und dass Naturwissenschaften ganz bestimmt nicht langweilig sind.

Angefangen hat alles im Hinterzimmer vom Pschorr-Keller, mit 400 Spiele-Fans. Griebel erinnert sich: "Ich kannte jemanden aus der PR-Abteilung von Siemens, der in der Jury von ,Spiel des Jahres' war und mir von den Spielfesten in Wien und Essen erzählt hat. Wir fragten uns: Warum gibt es so was nicht in München?" Beim Pschorr ging es dann los, unterstützt vom Spielkreis Haar, völlig ohne kommerziellen Hintergedanken. "Nachmittags haben die Kellner mitgespielt."

Der Münchner Spieleverleger Bernd Brunnhofer riet Griebel damals, weitere Verlage anzusprechen - und schon bei der dritten "Spielwiesn" musste man ins Forum der Technik im Deutschen Museum umziehen. Bald waren selbst dort drei Etagen nicht genug, sodass es ins MOC ging, und auch dort sind die Hallen oft sehr voll. Die "Fridays for Future"-Demonstration dürfte in dieser Woche mager ausfallen, es ist ohnehin schulfrei auf der "Spielwiesn": 2000 Schüler und Lehrer haben sich angemeldet. Griebel sagt: "Pädagogen bekommen bei uns Anregungen für einen innovativen Unterricht: Digitalisierung, Robotics, Maker-Szene."

Die Messe wurde von Petra Griebel ins Leben gerufen. (Foto: Florian Peljak)

Letztes meint Menschen, die mithilfe von neuester Technik selbst Dinge herstellen, beispielsweise Drohnen. Das Publikum sei neugierig, aufgeschlossen, auch viele ältere Leute, die wissen wollen, wie sich das Ingenieursfeld entwickelt hat. "Wie digital ist die Bauwirtschaft? Die suchen ja händeringend Nachwuchs." Griebel und ihr Team geht mit Initiativen auch in Schulen und Kindergärten: Zum Beispiel mit "Harry Hammer und Nicki Nagel"; da zimmern Paten aus der Innung Vogelhäuschen mit Kindern.

Das Besondere an der "Spielwiesn" ist laut Griebel die verlagsunabhängige Spielfläche, auf der 80 ehrenamtliche Helfer geduldig die mehr als 3000 Spiele erklären, die nach dem Testspiel auch zu kaufen sind. Spieleautoren bekommen eine kostenlose Fläche gestellt, der jüngste Autor ist gerade mal zehn. In dem Alter hat auch Reiner Knizia mit dem Erfinden angefangen. Heute ist der 61-Jährige einer der erfolgreichsten Spieleautoren, ausgezeichnet mit vielen Preisen. Von seinen 700 Spielen wurden mehr als 20 Millionen verkauft. "Als Kind war ich fasziniert von den Geldstapeln im ,Monopoly'. Die habe ich mir dann selbst gezeichnet", erzählt der Münchner, der zum schwarzen Anzug eine sehr bunte Puzzle-Fliege trägt.

Einen Hang zum Statistischen hat der Doktor der Mathematik schon immer gehabt: "Ich habe Matchbox-Autos durch Röhren gejagt und gemessen, wie weit die gerollt sind." Mit acht entwickelte er Spiele um Autorennen, Burgen und kämpfende Ritter. Erste Ambitionen, etwas zu veröffentlichen, gab es mit Ende 20, aber erst mit 40 hängte Knizia seinen Job zugunsten der Spiele an den Nagel: "Ich habe mir sozusagen die Freiheit geschenkt. Die Leute in der Softwareindustrie oder im Bankenwesen, wo ich lange gearbeitet habe, sind alle ähnlich gestrickt. In der Spielebranche haben die Leute die unterschiedlichsten Hintergründe: Grafiker, Naturwissenschaftler, eine ungeheure Vielfalt."

Reiner Knizia hat schon im Alter von zehn Jahren mit dem Erfinden angefangen, heute ist er einer der wichtigsten Spieleautoren. (Foto: Florian Peljak)

Knizia sieht sich als Teil der Unterhaltungsindustrie: "Ich stehe aber nicht auf der Bühne, sondern packe meine Unterhaltung in Schachteln - das ist die Kunst. Wenn die Leute die Schachtel aufmachen, bin ich nicht da. Heißt: Ich muss diesem Spiel alles mitgeben, damit es funktioniert." Zum Beispiel das Kartenspiel Lama, nominiert als "Spiel des Jahres 2019", also unter den besten drei der rund 1000 Neu-Erscheinungen pro Jahr - "und alle 1000 wollen sich abheben", ruft Knizia, "da sind Sympathieträger wichtig: Zur Zeit sind Lamas in, Einhörner wieder out, Narwale und Faultiere wieder im Kommen." Er hatte das Spiel mit Moskitos geplant, denn einige Karten stechen besonders scharf, doch der Verlag meinte: zu negativ. Dann also Lamas, was dann auch "Lege alle Minuspunkte ab" heißen kann. Auf der Messe wird es mit dem Qualitätssiegel "Generationenspiel" ausgezeichnet werden.

Petra Griebel und ihr Team stehen lange Tage bevor. Freitags bis 23 Uhr, "aber danach gehen die Ehrenamtlichen nicht heim - die spielen weiter", erzählt Griebel, "aus dem MOC müssen sie raus, ziehen in ein Brettspielcafé im Olympiadorf um und spielen bis morgens um fünf durch". Samstags steht die sogenannte Geek-Night bis Mitternacht, und auch am Sonntagabend werde noch nicht Schluss sein, meint Griebel und lacht: "Nach dem Abbau gehen wir zum Griechen ums Eck, ich verkünde erste Zahlen und verteile Lob, aber wenn ich nicht schnell genug anfange zu reden, spielen die einfach los. Das sind Wahnsinnige!"

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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