Spielhallen am Hauptbahnhof:"Die Grenze ist längst erreicht"

Fünf Bauanträge für weitere Spielhallen im Bereich des Hauptbahnhofes liegen dem Verwaltungsgericht München vor. Die Richter müssen entscheiden, ob die gewerbliche Nutzungsstruktur noch ausgewogen ist. Doch schon im Verfahren lassen sie Skepsis erkennen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Sex-Darbietungen, Tabledance und immer wieder Spielhallen - wie viele "Vergnügungsstätten" dieser Art kann München rund um den Hauptbahnhof noch verkraften, bevor dieses Kerngebiet zum Rotlichtviertel verkommt? Das Verwaltungsgericht München soll darauf eine Antwort geben. Und eigentlich hat Marion Pauli-Gerz, Vorsitzende der 8. Kammer, diese Frage schon in der mündlichen Verhandlung am Montag beantwortet: "Die Grenze ist längst erreicht."

Glücksspiel

Die Richter des Verwaltungsgerichts waren selbst im Bahnhofsviertel unterwegs, um die dort ansässigen Spielhallen zu zählen. 

(Foto: dpa)

Konkret geht es um fünf Bauanträge für weitere Spielhallen, die der Stadt vorliegen. In allen Fällen hat die Lokalbaukommission Nein gesagt: Sie beruft sich dabei auf den zuständigen Bebauungsplan. Dort steht, dass weitere einschlägige Etablissements nur zulässig seien, wenn die schon vorhandenen Vergnügungsstätten "die Erhaltung einer auch qualitativ ausgewogenen gewerblichen Nutzungsstruktur nicht wesentlich beeinträchtigen". Um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, schwärmten die drei Berufs- und zwei Laienrichter am frühen Montagmorgen in dem Karree zwischen Sonnen- und Goethestraße, Bayer- und Schwanthalerstraße aus und zählten alle einschlägigen Unternehmen. Diese dann anschließend im Sitzungssaal zu Protokoll zu geben, dauerte allein schon gut eine halbe Stunde. Ermittelt wurden an die 30 Vergnügungsstätten, davon etwa zwei Drittel Spielhallen. Bei dieser morgendlichen Stadtwanderung hatten sich allerdings schon zwei der fünf Kläger vorzeitig ausgeklinkt - sie wollten nämlich sämtliche Gewerbebetrieben registriert haben. Das lehnte das Gericht aus zeitlichen Gründen gleich ab und trennte diese beiden Verfahren ab.

Rechtsanwalt Michael Hauth, Experte für Baurecht, hätte am liebsten nicht jeden Einzelfall besprochen, sondern über die planungsrechtlichen Vorschriften diskutiert. "Das Kerngebiet wird deutlich von Spielhallen, Diskotheken und Sex-Shops, von Kinos und Theatern, von Kneipen und Läden geprägt", sagt er. "In diesem Bereich gibt es keine qualitativ ausgewogene gewerbliche Nutzungsstruktur mehr." Deshalb dürfe die Stadt im Bahnhofsbereich nichts ablehnen, was in Kerngebieten grundsätzlich zulässig sei.

Wildwuchs im Bebauungsplan

Das Verwaltungsgericht machte deutlich, dass es die Zulässigkeit des Bebauungsplans nicht infrage stellen will: "Den Bebauungsplan haben wir schon bei einer anderen Verhandlung 2007 für wirksam erachtet - das tun wir auch heute noch." Und schon damals sei eigentlich ein Punkt erreicht gewesen, an der das Gebiet keine weiteren Spielhallen mehr vertragen könne. Dennoch seien seit damals weitere sieben oder acht Vergnügungsstätten dazugekommen.

Das mache den Bebauungsplan aber deswegen nicht funktionslos, stellte die Kammervorsitzende fest. "Noch herrscht kein extremer Wildwuchs." Sie mahnte die Vertreter der Stadt jedoch, das Augenmerk nicht immer nur auf Spielhallen zu richten: "Auch durch noch mehr Erotikeinrichtungen könnte Wildwuchs entstehen, sodass es kein Halten mehr geben würde." Und dann deutete sie an, wie das Urteil ausfallen könnte: "Die Grenze ist erreicht." Doch noch sei es nicht zu spät, die angestrebte ausgewogene Nutzungsstruktur sei "noch zu erreichen". Anwalt Hauth machte deutlich, dass ihn eine Klageabweisung in erster Instanz nicht überraschen würde: Die "negative Einstellung" der 8. Kammer zu Spielhallen sei bekannt - er baue vielmehr auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

Problematisch für die Spielhallenbetreiber ist zudem aber auch der neue Glücksspielstaatsvertrag: Darin sind solche Zockeretablissements auf eines pro Haus limitiert, mit mindestens 250 Metern Abstand zueinander. Anwalt Hauth hat dagegen bereits Popularklage erhoben.

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