Süddeutsche Zeitung

Spielerischer Bildungsbeitrag:Stark durch Sport

Der Münchner Verein Jambo Bukoba unterstützt Schulen in Tansania, um den Kindern spielerisch Selbstbewusstsein und soziale Fähigkeiten zu vermitteln. Das Programm erreicht inzwischen 480 000 Schüler

Von Udo Watter

Es ist ein Bild, bei dem wohl jedem Imageberater des größten deutschen Fußballvereins das Herz aufgehen würde: Zwei Jungen gehen freundschaftlich Hand in Hand über den Innenhof der Mugeza Mseto Primary School in Bukoba. Der eine ein phänotypisch normaler Schüler, schwarz wie 99 Prozent der Bevölkerung Tansanias. Der andere ein Bub mit Albinismus, auf dem blassrosa Kopf über den weißblonden Haaren trägt er eine FC-Bayern-Mütze.

Die Mugeza Mseto Primary School ist eine der wenigen Inklusionsschulen in der tansanischen Region Kagera nahe dem Victoriasee, 16 Lehrer unterrichten hier 585 Kinder, von denen mehr als 150 Schüler mit Behinderungen sind. Dass die Jugendlichen hier häufig Utensilien des FC Bayern tragen oder ein T-Shirt mit der Aufschrift "Deutschland startet durch", in dem ein Albino-Mädchen eine Mitschülerin im Rollstuhl über den Hof schiebt, hat seine Gründe: Die staatliche Schule pflegt eine besondere Beziehung zum Münchner Verein "Jambo Bukoba" (Suaheli für "Hallo Bukoba"). Clemens Mulokozi, der in München als Sohn eines tansanischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren wurde und 2008 den Verein gegründet hat, sagt über die Zielsetzung: "Wir möchten Kinder und Jugendliche durch Sport stark machen." Der Verein bildet in Ostafrika heimische Lehrer in Workshops aus und realisiert ein Programm, das die Ausrüstung von Schulen mit Sportmaterial ebenso beinhaltet wie die Veranstaltung von Sportwettbewerben und wie den Bau neuer Toiletten, Wassertanks oder Dächer.

Spezielle, in Kooperation mit der Sporthochschule Köln entwickelte Spiele sollen den Kindern soziale Fähigkeiten und Selbstbewusstsein vermitteln und auch ein Bewusstsein für Gleichberechtigung und Aids schaffen. "Life-skills through games" lautet die Maxime. Mulokozi ist jedes Jahr mehrmals in Ostafrika, einmal im Jahr wird er von weiteren Vereinsmitgliedern aus München begleitet, die sich persönlich in Tansania über die Entwicklungen informieren und am Final-Wettbewerb in der Stadt Bukoba teilnehmen, den acht Gewinner-Schulen bestreiten.

Eine davon war auch die Mugeza Mseto Schule, sie ist für die Kinder mit Albinismus, die in Tansania aus Gründen des Aberglaubens teils immer noch brutal verfolgt werden, als Internat ein sicherer Hafen. "Draußen weiß man es nie, aber hier sind wir wie Bruder und Schwester", sagt Gelard, ein 16-Jähriger mit Albinismus, der einmal Anwalt werden und für die Rechte von Menschen mit Albinismus eintreten will. Seine Schule hat durch die erfolgreiche Teilnahme an den Jambo-Bukoba (JB)-Spielen profitiert und jüngst neue Toiletten und einen Regenwassertank bekommen: Durch diesen haben die Schüler jetzt die Möglichkeit, sich nach dem Toilettengang die Hände zu waschen - simpel, aber wichtig, um Krankheiten wie Cholera einzudämmen.

Der Umgang der Kinder miteinander wirkt unaufgeregt und selbstverständlich, gelungene Inklusion quasi, auch wenn die beengten Räumlichkeiten und eklatanter Personalmangel das Leben hier nicht einfach machen. Es kommt freilich auch zu amüsanten und lehrreichen Situationen mit den Gästen aus Deutschland, etwa wenn Kinder diese fragen, ob man weiß werde, wenn man nach Europa fährt, oder was man im Heimatland Bismarcks über die Kolonialvergangenheit lerne - die Region war einst Teil Deutsch-Ostafrikas.

Laut Verein erreicht das Jambo-Bukoba-Programm in Kagera inzwischen mehr als 480 000 Schüler, und offenbar zeitigt das weitreichende Folgen: "Ashoka", eine weltweite Non-Profit-Organisation, die sozial engagierte Unternehmensgründungen fördert, hat bei einer Untersuchung der Arbeit von Jambo Bukoba (JB) herausgefunden, dass die Anwesenheitsquoten der Schüler gestiegen sind, Noten besser wurden, Kinder besser über HIV/Aids aufgeklärt waren und Mädchen selbstbewusster agieren.

Sweetbert Mujemula, ein Sportlehrer an der Katebenga Primary School, ist nicht zuletzt deswegen ein Freund der Jambo-Bukoba-Philosophie. Dank seines Engagements war seine Schule ebenfalls bei den JB-Wettbewerben erfolgreich und hat finanzielle Hilfe für die Renovierung von Klassenzimmern erhalten. Er sagt aber: "Die Mädchen sind oft noch sehr scheu." Und generell wollten die Kinder manchmal lieber Fußball spielen als die JB-Wettbewerbe, die Teamgeist fördern (schnelles Balldurchreichen), Gleichberechtigung (nur Mädchen dürfen Tore schießen) oder Gesundheitsbewusstsein (mit Staffelstab das Wort Aids legen) schärfen.

Mujemula, den alle Sweetie nennen, ist ein gutes Beispiel dafür, warum Jambo Bukoba hier im Nordwesten Tansanias einen hohen Stellenwert genießt. Es ist das besondere Anliegen von Mulokozi, engagierte Leute am Ort für die Sache zu begeistern: Er will die Motivierten, die für die Entwicklung in der ärmlichen Region brennen, finden und fördern - Lehrer, aber auch Eltern, Politiker oder die tansanischen JB-Mitarbeiter. "Changemakers" nennt Mulokozi sie und sagt: "Wir wollen uns immer partnerschaftlich einbringen."

John V. K. Mongella, so was wie der Ministerpräsident der Region Kagera, sieht das wohlwollend. "Viele Projekte sind von Jambo Bukoba initiiert worden. Wir sind immer bereit, sie zu unterstützen." Mongella eröffnete dann auch das Sportfest an den Ufern des Victoriasees, bei dem Hunderte von Schüler vor Lehrern, Politikern und Schaulustigen eine bunte und teils spektakuläre Show boten. Mulokozi, dessen Verein von der tansanischen Regierung, vom Deutschen Olympischen Sportbund, vom Auswärtigen Amt, aber auch vom Frauenteam sowie von Fanklubs des FC Bayern unterstützt wird, ruht sich auf dem Erreichten nicht aus. Mit dem neu gewählten Präsidenten John Magufuli hat Tansania zudem einen politischen Hoffnungsträger als Staatsoberhaupt, der Korruption bekämpfen und Bildung fördern will. "Education is free" lautet sein Motto. Mulokozi, dessen Vater aus Tansania kam und in Deutschland die Chance hatte, Chemie zu studieren, weiß um den Wert der Bildung und wird weiter sein Beitrag zur Entwicklung beisteuern - FC-Bayern-Utensilien sind da nur ein kleiner Teil.

Infos unter www.jambobukoba.com

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SZ vom 02.06.2016
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