Spider Murphy Gang:"In fast allen unseren Songs geht es um Sex"

Günter Siegl von der Spider Murphy Gang am Monopteros im Englischen Garten

"Ich bin natürlich nie nackert durch den Englischen Garten gerannt", sagt Günther Sigl.

(Foto: Florian Peljak)

Das sagt Günther Sigl von der Spider Murphy Gang. Aber um München geht es natürlich auch. Im Englischen Garten erzählt er, wie seine Band den "Sommer in der Stadt" definierte.

Von Oliver Hochkeppel

"Des war früher aber ned so hoch und steil", sagt Günther Sigl schnaufend, als er den Hügel im Englischen Garten erklommen hat, auf dem der Monopteros steht.

Einst war er oft hier oben. Selbst in der Zeit, als er in Giesing in der Grünwalder Straße wohnte, war Schwabing sein Revier - "weil wir unseren Übungsraum in der Alten Heide hatten". Schon, bevor Sigl zusammen mit Barny Murphy die Spider Murphy Gang gründete und mit ihr in Zeiten der Neuen Deutschen Welle groß herauskam. Und lange bevor er mit "Sommer in der Stadt" den Münchner Sommerhit schlechthin schrieb, der mit den zwei Einstiegszeilen "I renn nackert durch'n Englischen Garten/Sitz' high aufm Monopteros" genau diesen Ort verewigte.

München war für den heute 70-jährigen Sigl eine erst zu erobernde Heimat. Geboren in Schongau, wuchs er zunächst in Landsberg auf. Doch der Vater konnte die große Familie als Schuhmacher - "noch heute hab' ich den Geruch von der Werkstatt in der Nase" - nicht mehr ernähren, also war er zur Bundeswehr gegangen. Man landete in Karlsruhe. "Ich hab' richtig badensert damals, das hab' ich mir hier erst wieder abtrainieren müssen." Nach der Handelsschule war Sigl 1968 nach München gekommen, um in einer Bank zu arbeiten.

Der eigentliche Plan war aber von vorneherein eine Band. Er studierte die Annoncen in den Fachblättern ("Band sucht Musiker, Musiker sucht Band - die zwoa Kategorien gab's") und fand Fritz Haberstumpf, Barny Murphy und Franz Trojan, mit denen es unter dem Namen Stummick losging. Durch einen Bekannten kam man an eine Lizenz für die US-Clubs, als "variety band", die alles von Country und Bluegrass bis Rock'n'Roll spielte.

1971 hatte Sigl genug von der Arbeit bei der Bank - heute kaum mehr vorstellbar, aber damals war er zeitweise vom Schalter in die Registratur versetzt worden, weil seine Haare über die Ohren reichten - und kündigte, um sich ganz der Musik zu widmen. "Ich hab' nur einen einzigen Satz geschrieben: Hiermit kündige ich zum 1. März mein Dienstverhältnis. Mit freundlichen Grüßen." Doch im Musikgeschäft waren auch schon harte Bretter zu bohren. "Es hat ned gleich so funktioniert, wie ich mir das dachte. Ich musste Nebenjobs machen, Jeans hab' ich zum Beispiel ausgeliefert."

Bairische Texte brachten den Durchbruch

Als 1977 Haberstumpf aufhörte und dafür Michael Busse dazustieß, gründete man - inspiriert von der Textzeile im "Jailhouse Rock" von Elvis - die Spider Murphy Gang. Im Schwabinger "Memoland" wurde man die Hausband, dort hörte sie der BR-Moderator Georg Kostya, der sie nicht nur für seine "Rockhaus"-Sendung verpflichtete, sondern ihnen auch zu ihrem Durchbruch verhalf: Er zwang sie gewissermaßen zu ihrem Glück, indem er Sigl bat, bairische statt englische Texte zu singen.

Sigl musste sich nun etwas einfallen lassen: "Bei deutschen Texten hören die Leute genauer zu." Die Inspiration holte er sich im Münchner Alltag. "Das Abstrakte oder weit Hergeholte lag mir nie, so was wie ,Major Tom' hätte ich nie schreiben können. Ich hab' einfach das besungen, was ich um mich herum gesehen habe."

Liberalitas Bavariae im Gewand des Rock'n'Roll

So wie eben den typischen Münchner Sommer aus der Perspektive des am Monopteros Fläzenden. "Zuerst kam bei mir immer der Text, danach hat sich die passende Musik dazu gefunden. Für ,Sommer in der Stadt' war natürlich zunächst ,Summer In The City' von The Lovin' Spoonful die Vorlage. Musikalisch aber schwebte mir was ganz anderes vor: Willy DeVille und sein ,Spanish Strol'. Dieser lässige Groove, den sollte ,Sommer in der Stadt' auch haben." Was ganz offensichtlich funktioniert hat, und bis heute funktioniert. "Wir könnten bei unseren Auftritten vielleicht sogar mal den ,Skandal' weglassen, aber der ,Sommer in der Stadt' muss kommen, den erwarten die Fans am meisten", bestätigt Sigl.

Als Sigl nach dem Treffen am Monopteros mit dem Reporter im Biergarten am Chinesischen Turm sitzt - so geht es schließlich auch im "Sommer in der Stadt" weiter: "I kauf ma a Mass am Chinesischen Turm" - steht plötzlich ein Niedersachse, der wie Horst Seehofer aussieht, vor ihm: "Entschuldigen Sie, aber ich kenn' Sie doch. Musik, gell? Münchener Freiheit, stimmt's?" Sigl bejaht müde und erzählt hinterher, dass solche Dialoge zu 80 Prozent mit diesem Ergebnis enden.

Vielleicht, weil Sigl und die Spider Murphy Gang eben genau diese spezielle, im "Sommer in der Stadt" lebendig gebliebene Münchner Freiheit verkörpern, die die Band um den Leadsänger Stefan Zauner - mit dem die Spiders auch mal zusammengearbeitet haben - nur im Namen führte. Die Münchener Freiheit endete nach den NDW-Anfängen eher im Herz-und-Schmerz-Pop, während die Spider Murphy Gang sich etwas latent Aufmüpfiges bewahrte, eine bayerische, sehr gemütliche Variante des Widerständigen. "Da muss halt "der Chef heit auf mi verzichtn", wie es im "Sommer in der Stadt" heißt.

Liberalitas Bavariae im Gewand des "Rack'n'Roi" also, wie Sigl seinen musikalischen Urgrund so schön bairisch ausspricht. Die man selbst gar nicht ausreizen muss: "Ich bin natürlich nie nackert durch den Englischen Garten gerannt. Und damals warn zwar viele nicht zuletzt rund um den Monopteros high, die Polizei hat da wohl nicht so genau hingeschaut, soweit ich mich erinnere. Aber so verführerisch das gerochen hat, für mich war das nichts, weil ich nie geraucht hab'. Ich hab's zweimal ganz jung versucht, aber derart husten müssen, dass das nie was wurde", erzählt Sigl.

Immerhin: "In fast allen unseren Songs geht es um Sex", sagt er zwinkernd. Von "Ich schau dich an" über das "Minutenglück" der Peep-Show bis zurück zur ersten Single "Skandal im Sperrbezirk", die eine Zeit lang auf dem Index des Bayerischen Rundfunks stand und nur deshalb erst nach dem "Schickeria"-Song ein Hit wurde.

Heute müssten sich Sigl und die Spider Murphy Gang wohl etwas anderes ausdenken, um bekannt zu werden. Vieles hat sich in den 40 Jahren ihres Bestehens - das Jubiläum werden sie am 28. und 29. Oktober gebührend in der Olympiahalle feiern - geändert. Das Internet macht alles direkt und skandalfrei verfügbar, unter anderem die Pornografie; Musiker spielen heute nur noch selten einfach drauflos, sondern sind meist Studierte; der Weg auf den Monopteros ist auch steiler. Nur der "Sommer in der Stadt", der schaut im Wesentlichen genauso aus wie damals.

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