Spendenkultur in München:Fragwürdiger Geldsegen

Nicht nur der Sultan von Oman spendet München Geld. Ob in der Kultur oder im Sozialen: Vieles, was die Stadt lebenswert macht, gäbe es ohne private Spender nicht. So hilfreich das ist - oft ist es auch fragwürdig.

Von Peter Fahrenholz

Wäre es nicht Sultan Qabus bin Said al-Said, der Herrscher von Oman, gewesen, der mit einer Spende von 17 Millionen Euro den Bau einer neuen Kinderklinik ermöglicht hätte, sondern irgendein deutscher Multimillionär oder ein anonymer Großspender, in den sozialen Netzwerken wäre es vermutlich still gewesen. So aber entbrannte bei Facebook eine kontroverse Debatte darüber, ob man sich über die Spende nun uneingeschränkt freuen darf ("Danke . . . ein Segen für die kleinen Patienten") oder ob nicht sinistre Motive im Spiel waren ("Vielleicht indirekt für die arabischen Gesundheitstouristen").

Tatsächlich wirft der Geldsegen vom Golf eine Menge Fragen auf und die Person des Spenders ist eine davon. Man kann durchaus die Frage stellen, ob sich in dem privaten Anteil für den Neubau der Klinik noch Münchner Bürgersinn dokumentiert, wenn der Löwenanteil daran von einem ausländischen Großspender stammt. Und man kann auch hinterfragen, ob Geld, das für einen guten Zweck gespendet wird, niemals stinken kann und deshalb von jedem angenommen werden darf.

Der Sultan von Oman ist eher ein milder Potentat

Der Sultan von Oman mag gemessen an seinen Kollegen aus den Nachbarländern ein eher milder Potentat sein, aber ein Potentat bleibt er allemal. Möglicherweise wird diese Frage wesentlich kritischer gestellt werden, wenn es tatsächlich gelingen sollte, den Emir von Katar dazu zu bewegen, Millionen für das geplante Islamzentrum des Penzberger Imams Benjamin Idriz zu spenden. Katar, das ist das Land wo laut gut dokumentierter Berichte die Fremdarbeiter, die die Stadien für die obskure Fußball-WM 2022 errichten, wie Sklaven gehalten werden.

Doch die Spende aus Oman wirft noch ganz andere, viel grundsätzlichere Fragen auf: Wie weit kann und soll bürgerschaftliches Engagement gehen? Wo ist es geboten, sinnvoll und nützlich, dass Bürger mit privaten Spenden Projekte unterstützen oder gar erst ermöglichen? Und wo wäre dies die ureigene Aufgabe des Staates? Wo also müssen die Grenzen bürgerschaftlichen Engagements gezogen werden?

Klar ist, dass sich München ohne Zuwendungen seiner Bürger viele Dinge nicht leisten könnte, die zur Attraktivität der Stadt entscheidend beitragen. Das gilt vor allem für den Kulturbereich. Ohne Stiftungen, Schenkungen und Spendensammlungen wäre hier vieles nicht möglich gewesen. Es gäbe wohl weder das Nationaltheater noch das Prinzregententheater oder die Pinakothek der Moderne. Erst vor einer Woche hat deren Freundeskreis PIN wieder eine große Auktion von Kunstwerken veranstaltet. Der Erlös von diesmal mehr als einer Million Euro kommt dem Ankaufsetat des Museums zugute.

Im sozialen Bereich gibt es viele großherzige Spender

Auch andere Kulturinstitutionen können auf die Finanzkraft des Bürgertums vertrauen. Die Bayerische Staatsoper etwa weist in ihrem Jahresbericht für 2013 Sponsoring- und Spendeneinnahmen von 4,4 Millionen Euro aus. Und Opernintendant Nikolaus Bachler war sich dieser Tage nicht zu schade, in einem Brief an alle Kunden um Spenden für die Inszenierung einer Kinderoper zu bitten. Auch im sozialen Bereich gibt es viele großherzige Spender für zahlreiche Einzelprojekte.

Gerade das Beispiel der Pinakothek der Moderne zeigt aber, wie ungeniert der Staat mittlerweile die Hilfsbereitschaft seiner Bürger einpreist. Für ihren Bau wurden damals knapp 13 Millionen Euro an privaten Spenden eingesammelt. Sie waren aber nicht etwa das angenehme Sahnehäubchen obendrauf, sondern die Grundbedingung dafür, dass der Freistaat Bayern das Objekt überhaupt baut. Darf der Staat, zu dessen Aufgaben die Bereitstellung eines kulturellen Angebots unzweifelhaft gehört, solche Bedingungen wirklich stellen?

Im Kulturbereich, wo es schwerer ist, die Grenze zwischen unabdingbar Notwendigem und Wünschenswerten zu ziehen, mag ein solches Koppelgeschäft weniger Anstoß erregen. Aber wie ist es bei anderen Aufgaben? Beim Neuen Hauner zum Beispiel? Auch hier hat der Staat einen privat finanzierten Anteil von 20 Millionen Euro zur Vorbedingung für den Bau gemacht, und ohne den Sultan aus Oman wäre die Summe womöglich nie erreicht worden. Die Unsittlichkeit einer solchen Klausel ist nie diskutiert worden, dabei liegt sie auf der Hand. Denn wenn der Neubau einer Kinderklinik notwendig ist, dann muss sie gebaut werden, und zwar vom Staat. Nur wenn sie purer Luxus wäre, könnte man sagen: Dann baut halt mit privaten Mitteln.

Ohne Spenden wäre der Bau des Kinderpalliativzentrums nicht zustande gekommen

Mindestens ebenso fragwürdig ist, wenn der Staat erst durch hartnäckige private Initiativen zum Handeln gezwungen wird. Der Bau des Kinderpalliativzentrums in Großhadern wäre nie zustande gekommen, wenn nicht über einen privaten Förderverein 5,5 Millionen Euro Spenden - und damit der Großteil der Bausumme - zusammengekommen wären. Und so lobenswert es ist, dass die Schauspielerin Uschi Glas bedürftige Kinder mit einem Schulfrühstück versorgt, so beschämend ist das im Grunde für ein reiches Land. Müsste der Staat, auf welcher Ebene auch immer, nicht selber sicherstellen, dass kein Kind hungrig in der Klasse sitzt?

Der Staat darf private Spenden nicht dafür missbrauchen, um Aufgaben auf die Bürger abzuwälzen, die er selber schultern müsste. Denn er ist, man vergisst es gerne, kein Unternehmen, das selber Geld erwirtschaftet. Sein Geld stammt aus den Steuern und Abgaben der Bürger. Wenn der Staat also über private Spenden zusätzliches Geld verlangt, dann darf es auch nur für Dinge sein, die einen zusätzlichen Nutzen stiften. Oder die sonst erst viel später zustande kämen. Um eine Kinderklinik mit Spielzeug auszustatten, kann man private Spender heranziehen. Um sie zu bauen nicht.

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