Spenden an Sozialreferat:"Wir haben in München viel Armut, die nicht sichtbar ist"

Bud Willim, Chefspendensammler Sozialreferat am Orleonsplatz, Zi. 3042

Bud A. Willim, Chefspendensammler im Sozialreferat.

(Foto: Florian Peljak)
  • Bud A. Willim arbeitet im Sozialreferat der Stadt München und ist dort für die Spenden zuständig.
  • Er wirbt Unternehmen an und vermittelt zwischen Spendern und denen, die Hilfe brauchen.
  • Oft sind Gaben allerdings auch kaum zu gebrauchen, etwa weil sie nur auf den ersten Blick noch verwendbar sind.

Von Thomas Anlauf

Manchmal sind es die kleinen Gesten, die Bud A. Willim besonders berühren. Die alte Dame etwa, die von ihrem bisschen Sozialhilfe im Supermarkt echte Markenschokolade für Flüchtlinge kauft. "Diese Leute, die selbst nicht viel Geld haben, sagen: Es gibt eben Menschen, die noch weniger haben", sagt Willim. Der Mann mit dem gepflegten Äußeren, Vollbart und sanften Wiener Akzent will so gar nicht in das triste Büro im Sozialreferat am Ostbahnhof passen. Er steht am Fenster und blickt hinunter auf den Platz, wo ein paar arme Schlucker in der Sonne sitzen und Bier trinken. Eigentlich könnten Willim und sein kleines Team einfach dort runter gehen und vor der Haustür Geld und Spenden verteilen. Aber so einfach ist das nicht. "Wir haben in München viel Armut, die nicht sichtbar ist", sagt er.

Bud Willim ist Münchens oberster Spendensammler. Er ist direkt Sozialreferentin Brigitte Meier unterstellt, mit einem Stadtratsauftrag versehen und auch beim Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt - je nachdem, welche Aufgaben gerade anstehen. Er versucht, internationale Unternehmen für Spenden oder Sponsoring zu gewinnen und besorgt auf der anderen Seite schon mal ganz unbürokratisch einen Füller für ein Flüchtlingskind, dem seiner in der Schule geklaut worden ist. "Der Job ist hoch politisch, und wir sind hier die Schnittstelle", sagt Willim. Ob Geld, Kleidung, Waschmaschinen oder ehrenamtliche Helfer: Wo immer in der Stadt etwas dringend benötigt wird, er ist erster Ansprechpartner in Notlagen und Brückenbauer für die, die helfen wollen.

Da ist zum Beispiel eine bekannte Textilfirma. Gerade hat er von dem Unternehmen hochwertige Kleidung im Wert von 600 000 Euro erhalten. Der Firmenchef will nicht, dass das groß an die Öffentlichkeit kommt. Oft werden sogar die Markenlabels von den Kleidungsstücken entfernt, um nicht zu zeigen, dass Bedürftige manchmal auch in edlen Klamotten herumlaufen. Willim kümmert sich nicht nur um die Kontaktpflege, sondern weiß auch, wo die Hosen und Hemden, Jacken und Schuhe gerade am dringendsten benötigt werden.

Unternehmen prüfen gründlich

Die Unternehmer trifft Willim auf Charity-Veranstaltungen, oft wird er auch eingeladen, um Grußworte zu sprechen. "Und für Sponsoren habe ich dann immer einen imaginären Bauchladen dabei und erkläre ihnen, wie sie sich engagieren können", sagt er und lacht. Die Großspender wissen nämlich genau, was sie geben wollen und meist auch, wofür. Da gibt es inhabergeführte Unternehmen mit "altem Geld": Die geben zielgerichtet - "und die prüfen uns regelrecht". Viele Firmen hätten in der Vergangenheit Lehrgeld bezahlt bei Großspenden. Wer der Stadt Geld spende, könne sicher sein, "dass jede Summe eins zu eins weitergegeben wird". Er könne den Unternehmen sogar eine Unbedenklichkeitserklärung geben, "ob ein Verein koscher ist".

In jüngster Zeit stellen viele Münchner Unternehmen auch ihre Kompetenz zur Verfügung. IT-Spezialisten helfen Vereinen und sozialen Einrichtungen beim Erstellen einer Homepage, sie geben Computerkurse, übernehmen die Steuerberatung oder klären in Gesundheitsfragen auf. "Das macht übrigens kein Unternehmen, um zu zeigen, wie gut es ist", sagt Willim. "Es geht um die Förderung von sozialer Kompetenz der Mitarbeiter."

Die Hilfe ist bei der Stadt willkommen. Im vergangenen Jahr leisteten Mitarbeiter von Unternehmen 5000 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Dazu kamen etwa 1,2 Millionen Euro an Sachspenden durch einzelne Spender, Vereine und Unternehmen sowie 2,4 Millionen Euro an Geldspenden, teilt Frank Boos vom Sozialreferat mit. Insgesamt steige das Spendenaufkommen in München. Dabei "gibt es zunehmend Mischformen des Spendens, das heißt sowohl Geld-, Sach- und Zeitspende und nicht - wie seinerzeit ausschließlich - stilles Spenden", so der Referatssprecher.

Spendenannahme in einem Münchner Flüchtlingsheim, 2014

Bürger brachten Kleidung für Flüchtlinge.

(Foto: Stephan Rumpf)

Millionensummen gehen jährlich auch bei der Stiftungsverwaltung des Sozialreferats ein. Sie ist für alle Nachlässe der Stadt zuständig und nimmt ausschließlich die Spenden zugunsten von sozialen Stiftungen an. So wurden im Jahr 2012 noch 650 000 Euro Spenden eingenommen, im Jahr darauf waren es 740 000 Euro und 2012 bereits mehr als eine Million Euro. Im gleichen Zeitraum sank allerdings die Geldsumme aus Nachlässen von 4,93 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 2,36 Millionen im vergangenen Jahr.

Die Mutter rief an und weinte vor Freude

Dieser Rückgang mag auch daran liegen, dass Willim nur Spenden annimmt, "die weich in ihrer Zweckbindung sind". Wenn etwa eine gestiftete Immobilie zu strenge Auflagen hat, wer darin wohnen darf, könne es passieren, dass das Haus lange Zeit leer stehen muss. Deshalb leistet der städtische Spendensammler auch viel Aufklärungsarbeit. "Jeder hat seine Stereotypen, seine Vorurteile. Die gilt es zu hinterfragen." Wenn etwa ein Stifter sein Haus nur geflüchteten syrischen Christen zur Verfügung stellen will, versucht Willim ihn zu überzeugen, dass auch andersgläubige Syrer auf der Flucht dort einziehen können sollten.

Aufklärungsarbeit ist aber auch bei einfachen Sachspenden dringend nötig. Oft kommen Münchner an und bieten gebrauchte Matratzen an. "Manche sagen dann, die sind ja noch pfenniggut - aber nur wenn man nicht genau hinschaut", sagt Willim. Es sei meist günstiger, bei Bedarf neue Matratzen zu kaufen, als die gebrauchten abzuholen und dann erst aufwendig reinigen zu lassen. Deshalb bittet er darum, grundsätzlich nur neue Sachen zu spenden. "Über die freuen wir uns immer." So ist es schon vorgekommen, dass ihm gebrauchte Schuhe geliefert worden sind - ohne Schnürsenkel. "Die mussten wir dann auf Stadtkosten kaufen."

Elisabeth Ramzews

Spender stifteten Kaffee.

(Foto: Lukas Barth)

Und das kann nicht der Sinn einer Spende sein. Ein paar Mal hat Bud Willim sogar in seiner eigenen Abteilung im Sozialreferat Geld gesammelt, um schnell einen ganz dringenden Wunsch zu erfüllen. Einmal schrieb ein kleines Mädchen an ihn. Sie wünschte sich so sehr eine Arielle-Puppe und für ihren Bruder ein kleines Spielzeug-Auto. Als die Geschenke bei der Familie ankamen, rief die Mutter an und weinte vor Freude.

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