Speed-Dating in München:Männer im Minutentakt

Zwölf Frauen, elf Männer und ein Engel: Beim Speed-Dating im Münchner Parkcafé suchen Singles nach der großen Liebe. In sieben Minuten. Kann das funktionieren? Ein Selbstversuch.

Susanne Popp

"Dating-Angel" Marc klirrt mit seinem Sektglas und beendet damit die ersten sieben Minuten. Alle lächeln, irgendwo zwischen unverbindlich und freundlich, die Männer wandern einen Tisch weiter. In dem Film Shoppen heißt es: "Ich such die Liebe, die einzig große wahre Liebe". Wer allerdings tatsächlich mit diesem Anspruch zum Speed-Dating ins Münchner Parkcafé kommt, wird enttäuscht.

Speed-Dating in München: In dem Film Shoppen heißt es: "Ich such die Liebe, die einzig große wahre Liebe". Tatsächlich hat Speed-Dating aber wenig mit Romantik zu tun.

In dem Film Shoppen heißt es: "Ich such die Liebe, die einzig große wahre Liebe". Tatsächlich hat Speed-Dating aber wenig mit Romantik zu tun.

(Foto: Foto: ddp)

Ich bin an diesem Abend gekommen, um es einmal auszuprobieren, das High-Speed-Dating. Doch meine Hoffnungen schwinden wie die Kohlesäurebläschen in meinem Sektglas. Mit klassischem Dating hat das wenig zu tun. Romantik? Fehlanzeige! Stattdessen werden paarungsbereite Großstädter im Schnelldurchlauf präsentiert.

15:45 Uhr, ein Adventsonntag. Während andere den traditionellen Weihnachtsplätzchen frönen, verteilt Moderator Marc als "Dating-Angel" im Parkcafé Sektgläser an die insgesamt 23 Singles. Teelichter sollen einen Hauch von romantischer Atmosphäre in die Location bringen. Am Damentisch herrscht nervöse Anspannung. Locken werden kokett in den Nacken geworfen, blonde Strähnen aus dem Gesicht gestrichen. Und selbst ab und zu etwas zu viel Make-up kann nicht verbergen, dass die Teilnehmerinnen ausgesprochen hübsch sind. Bleibt die Frage: Warum sind sie dann hier?

Wer einsam bleibt, ist selber schuld

Rückblick: Speed-Dating beginnt im Internet, auf der rosa-roten Homepage des Veranstalters. Zum ausgewählten Termin melden sich Singles mit Nickname und Account an. Zwei Tage vor dem Date kommt die Bestätigung samt des werbewirksamen Versprechens "Wer einsam bleibt, ist selber schuld".

Große Worte angesichts der geringen Erfolgsquote der Massen-Dates. Dennoch steigt die Nachfrage in der Singlehauptstadt München, allein an diesem Sonntag finden drei Veranstaltungen im Parkcafé statt. Die Altersgruppe von 22 bis 34 Jahren macht den Anfang. Der rote Samtvorhang schließt sich, das Date beginnt.

"Hallo, ich bin Willy." Blaue Augen, sportlich, Surfer-Kette über Markenpulli, Typ Soap-Darsteller. Angeblich entscheidet man in den ersten sieben Sekunden, ob man sein Gegenüber sympathisch findet. Okay, aber warum bitte als Nickname "Willy"? Die Erklärung folgt mit schelmischem Grinsen, ein Spitzname aus der Jugend, in Anlehnung an den Freund der Biene Maja. Süß irgendwie. Sieben Minuten sind kurz. Nicht einmal Willys richtigen Namen weiß ich. Aber es bleibt keine Zeit zum Luftholen, ein Mann folgt auf den nächsten.

Hendrixxx, der Banker aus dem Norden, der sich mit Münchens Schickeria gar nicht anfreunden kann. Philippxxx, Psychiater, mit Halbglatze im Eros-Ramazzotti-Style und sympathischem Lächeln. Dann Two_t mit zwei Ohrringen, zerrissener Jeans und Kapuzenpulli, könnte man als Punk abstempeln. Doch der Leipziger ist Vertreter und will an diesem Abend einfach "nette Leute kennen lernen".

Insgesamt sind es durchschnittliche Männer, keine George-Clooney-Typen, und alle ein bisschen schüchtern, aber manchmal sollen stille Wasser tief sein. Das lässt sich allerdings in sieben Minuten kaum herausfinden. Stattdessen folgt das Kennenlernen dem berühmten Schema F. Was machst du so? Wo kommst du her?

Eine unendliche Geschichte

"Frag mich etwas, das du hier noch niemanden gefragt hast", ich will die Kandidaten etwas aus der Reserve locken. Ralph nutzt die Aufforderung und lenkt unser Gespräch auf sein größtes Hobby, das Reisen. Der unauffällige Mathematiker malt plötzlich die schönsten Landschaften mit Erzählungen über seine Backpacker-Touren. Er schwärmt von Vulkanen, heißen Quellen und Steilküsten wie in Michael Endes unendlicher Geschichte. Faszinierend, bis zum Satz: "Ja, und sonst singe ich gern Lieder." Ähm? Das Pling-pling erspart eine Reaktion.

Und die Liebe?

Nach einigen Dates sinkt die Konzentration. Um mich herum das laute Lachen der Damen, die sich meist deutlich lauter und gestenreicher artikulieren. Die Männer flanieren von Tisch zu Tisch, jeder tritt anders auf. Mal lässig mit den Händen in der Hosentasche, mal souverän selbstbewusst mit breitem Lächeln und festem Händedruck. Der Vorstellung mit Nickname folgt das Frage- und Antwort-Spiel. Kreativität wird dabei anscheinend nicht erwartet - wem die Fragen ausgehen, findet Anregungen auf der Bewertungskarte. Job, Herkunft, Hobbies, Leben - austauschbar.

So können sieben Minuten lang werden. Kaixx, der Footballer, und M_pete, Techniker im Lacoste-Pulli, sind von sich selbst begeistert. Ich muss nur nicken und lächeln. Irgendwann zähle ich die Bläschen in meinem Sektglas. Bei Nummer 113 erklingt Marcs Pling-pling: Kurze Pause und Zeit zur Rekapitulation.

"Wer möchte, kann sich mit neuen Drinks an der Bar versorgen." Marc animiert die Dater zum Alkoholkonsum, denn auch die Betreiber der Location wollen an der Liebesvermittlung verdienen. Ursprünglich war Speed-Dating keine kommerzielle Veranstaltung. Der jüdisch-orthodoxe Rabbi Yaacov Deyo initiierte es erstmals in den 1990er Jahren in den USA als Kontaktplattform seiner Gemeinde. Rund zehn Jahre später finden ähnliche Events ohne religiösen Bezug auf der ganzen Welt in Großstädten mit hohem Singelanteil statt.

Soll das flirten sein?

Im Gedächtnis bleibt dabei, wer anders ist, andere Themen angeht, witzig ist oder unerwartete Sprüche bringt. "Mein Nickname ist meine Telefonnummer, mein Geburtsdatum und meine E-Bay-Kundennummer", so stellt sich Chrisxxxx vor. Wie bitte? Soll das flirten sein? Es folgt eine Erklärung über seine letzten Online-Einkäufe, die Ausrede, er sei nur hier, weil es ein Geschenk sei und die Offenbarung, er habe seine große Liebe schon gefunden - den Motorsport.

Ich komme kaum zu Wort, aber die sieben Minuten verfliegen. Genauso bei Bärchenxx. Der kurzgeschorene Bär entpuppt sich als lustiger Berliner, der als Einziger zugibt, schon beim dritten Date mitzumachen. Er lacht viel und ordnet die ganze Veranstaltung in die richtigen Verhältnisse ein: "Ich will hier Menschen kennen lernen. Die große Liebe muss man ohne 'Dating-Angel' finden." Dann ein letztes Pling, das war's.

48 Stunden später zeigt sich der Erfolg der Dates im Internet. Bewerten sich zwei Teilnehmer positiv, werden die persönlichen Daten vom Veranstalter ausgetauscht. Ich klicke mich durch die Profile, wen will ich wiedersehen? Drei Mal gebe ich "ja" ein.

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: In meinem Postfach finde ich Reisefotos von Ralph, dem Mathematiker. Artig bedanke ich mich, das wars. Ganz anders Willy: Erst eine SMS, ein Anruf, dann noch einer und bald kennt meine Mailbox seine Stimme besser als die meiner Mutter. Doch leider: Er war nett und äußerst attraktiv, mehr aber nicht.

Kann man also über Sympathie in nur sieben Minuten entscheiden? Oder bleibt die Wirkung der Speed-Dating-Teilnehmer auf äußere Eindrücke fokussiert?

Sicher, ein intellektuelles Gespräch in so kurzer Zeit zu führen, fällt schwer. Wer an die große Liebe auf den ersten Blick glaubt, könnte beim Speed-Dating fündig werden. Für mich und alle anderen gleicht die Veranstaltung eher einem kurzweiligen Partyabend. Übrigens: Kein einziger Teilnehmer hat in den zwei Stunden das Wort Liebe erwähnt.

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