SPD-Oberbürgermeister in München:Reiters Chance

Dieter Reiter.

Dieter Reiter hat mit 56,7 Prozent die Stichwahl in München gewonnen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die SPD bleibt in München an der Macht. Alles bestens also für die Sozialdemokraten? Von wegen! Die Partei verkörpert nicht mehr das Lebensgefühl der Stadt. Der neue Oberbürgermeister Dieter Reiter muss nun mehr bieten, als sein Wahlslogan verspricht. Die Voraussetzung dafür bringt er mit.

Ein Kommentar von Kassian Stroh

Das Wichtigste aus München in Kürze: Der Himmel wird wieder blau sein an diesem Montag, die Sonne wird strahlen. An der Theatinerkirche kann man sich gar nicht sattsehen, und im Rathaus regiert weiter ein Sozialdemokrat. München ist München geblieben an diesem Wahlsonntag, und Dieter Reiter wird der neue Oberbürgermeister. Es war keine Zitterpartie, wie von manchen in der SPD befürchtet, sondern ein deutlicher Sieg. Ein sehr wichtiger für die SPD.

Die Sozialdemokraten können in diesem durch und durch von der CSU beherrschten Freistaat also weiterhin sagen: Nein, wir sind landespolitisch noch nicht bedeutungslos. Wir regieren doch die beiden wichtigsten Rathäuser in Bayern, die von München und Nürnberg - und Regensburg und Erlangen kommen jetzt noch hinzu.

Alles bestens also? Von wegen, zumindest was München betrifft. Hier stehen Reiter schwierige Zeiten bevor. Er erbt nicht wenige große und kleine Probleme, deren Lösung sein Vorgänger allzu lange und allzu oft hat schleifen lassen. Zugleich hat der neue OB im Stadtrat keine Mehrheit mehr hinter sich; das zum Wunschbündnis erklärte Rot-Grün ist abgewählt worden.

Mithin muss Reiter entweder weitere Partner für ein dann farblich und vermutlich auch inhaltlich schillerndes neues Bündnis mit ins Boot holen, oder er setzt doch irgendwann auf die ungeliebte Zusammenarbeit mit der CSU. Die stellt nun die stärkste Fraktion im Rathaus, während die Sozialdemokraten bei der Stadtratswahl mit Ach und Krach die 30-Prozent-Marke übersprungen haben - in einer Stadt, die sie immer als ihre Hochburg angesehen haben.

Die SPD scheint das Wir-Gefühl, das Lebensgefühl der Münchnerinnen und Münchner, nicht mehr anzusprechen, geschweige denn, es zu verkörpern. Sie tut sich schwer damit, deren Ängste und Sorgen aufzunehmen und auszuräumen. In ihrer Selbstwahrnehmung hatten Münchens Sozialdemokraten lange eine breite Brust.

Reiters Sieg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich über Jahre hinweg vor allem mit Christian Udes Popularität aufgepumpt hatten, dass dessen Strahlkraft die Defizite der Partei überdeckte. Dies zu beheben, ist Reiters Aufgabe. Und dazu muss er mehr bieten, als sein Wahlslogan "Damit München München bleibt" verspricht. Reiter ist nun der starke Mann seiner Partei, auch wenn er schwächer ist, als Ude stets war.

Reiter kann und wird nicht selbstherrlich regieren. Er muss moderieren, Mehrheiten finden - und genau darin liegt seine Chance. Die Münchner sind des in die Jahre gekommenen rot-grünen Bündnisses überdrüssig, sind seine Verfilzungen, Verkrustungen, sein Postengeschacher leid.

Reiter ist kein altgedienter Sozialdemokrat mit Stallgeruch, der zu viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten einzelner Genossen nehmen müsste; er hat einen Blick von außen. Wenn er das nutzt, wenn er, wie es seinem Naturell entspräche, pragmatisch regiert, dann könnte er auch der SPD wieder auf die Beine helfen.

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