Die Regie rückt den Münchner Parteichef ein wenig nach links, kurz wieder zurück, dann noch ein Stück weiter nach links, damit er aus dem weißen SPD-Logo herauskommt, das der Beamer auf die Leinwand hinter ihm wirft. Schließlich steht Christian Köning richtig, vor rot angeleuchtetem Hintergrund, und kann den Parteitag eröffnen, der auch die Münchner SPD ein wenig in ein anderes Licht rücken soll. Moderner, jünger, fortschrittsfreundlicher wollen sich die Sozialdemokraten präsentieren. Er sei wahnsinnig froh, wer alles gekommen sei, Gott und die Welt, sagt Köning in seiner Begrüßungsrede. "Ich erhoffe mir von diesem Parteitag ein Aufbruchssignal."
Gott und die Welt ist möglicherweise etwas übertrieben, aber die SPD hat für ihr neues Parteitagsformat am Samstag viele externe Gäste eingeladen, zum Beispiel aus der gelobten Stadt Wien, die vieles so gut kann, was München auch gerne können würde. Von der Hochschule Aalen ist die Professorin Doris Aschenbrenner gekommen, um über ihr Spezialgebiet zu sprechen, nämlich digitale Methoden in der Produktion. Dazu sind viele Betriebsräte erschienen, schließlich ist die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft neben der Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge und der digitalen Weiterentwicklung der Stadt eines der Hauptthemen des Parteitags.
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Die drei Leitthemen werden mit den Experten in sogenannten Panels diskutiert, bevor die Anträge dazu im Plenum beschlossen werden. Da der etwas dunkle Theatersaal im Kolpinghaus, in dem die SPD sonst oft tagt, weder für diese Diskussionen in Kleingruppen noch für lässige Randgespräche in Lounge-Atmosphäre taugt, haben sich die Sozialdemokraten in einem Tagungszentrum in Bogenhausen eingemietet. Dort rennen deutlich mehr Kinder herum als sonst, für die es eine eigene Betreuung gibt. Die Jusos haben offenbar bestens mobilisiert, weil auch das lange gültige SPD-Kennzeichen der ergrauten Haare deutlich weniger hervorsticht als gewohnt.
Das neue Format kommt gut an
"Supercool" sei diesmal der Parteitag, sagt der Juso- Stadtvorsitzende Benedict Lang. Egal, wen man fragt, hier scheinen sich die SPD und ihre Jusos einig zu sein. Möglicherweise auch ein neuer Zukunftstrend? Es gebe schon noch unterschiedliche Ansichten, das werde nur gerade nicht so laut vertont, erklärt Lang. Das ist möglicherweise auch deshalb so, weil der jetzige SPD-Stadtchef direkter Vorgänger von Lang bei den Münchner Jusos war.
Als sich die Parteifreunde zu den Fachdiskussionen in drei verschiedene Säle verteilen, erklärt Köning, warum sich er und sein Team den "Fortschrittsparteitag", so der offizielle Titel, ausgedacht haben. Inspiriert habe ihn das Debatten-Konvent der Bundespartei. Die SPD sei eine Mitmach-Partei, lebe vom Engagement ihrer Mitglieder. Um das zu halten oder auch zu wecken, will er attraktive Veranstaltungen bieten. "Sonst kommt keiner." Dafür müsse man auch mal "ein Ritual aufbrechen", doch warnt Köning davor, das nun jedes Mal zu erwarten. Das könne sich die SPD schon finanziell nicht leisten. Doch wenn nach diesem Parteitag die Teilnehmer in der Arbeit oder den Nachbarn erzählen würden, das sei toll gewesen, "dann ist das Ziel erreicht".
Seine Vorgängerin an der Münchner SPD-Spitze, die Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend, hat ihm gleich am Anfang ein Kompliment gemacht. "Neue Besen kehren gut", sagt sie. Doch natürlich müssen sich auch die mit den Klassikern eines SPD-Parteitags herumplagen. Vom verspäteten Beginn über die Wahl der Mandatsprüfungs- und Zählkommission bis zum Fehlen von Oberbürgermeister Dieter Reiter. Auch die Auseinandersetzung mit der Konkurrenz gehört weiter zum Programm. Köning rügt in seiner Rede die Grünen wegen ihrer "Bullerbü"-Politik und die CSU wegen ihres Populismus beim Grünflächen-Bürgerentscheid. "Fortschritt in München ist verbunden mit der SPD. Wir regieren seit Jahrzehnten erfolgreich unsere Stadt und wollen uns nun mit neuen Impulsen um die Zukunftsfragen kümmern."
Als Beleg dafür hat die SPD einen Top-Manager eingeladen: Stadtwerke-Chef und Parteimitglied Florian Bieberbach. Er streicht die Bedeutung städtischer Tochterunternehmen für die Daseinsvorsorge heraus, als Grundstein einer zukunftsfähigen Kommune. Die Digitalisierung des öffentlichen Lebens dürften sich die Städte nicht von Privaten aus den Händen nehmen lassen, mahnt er zudem an. Da er nicht vergisst, die Verdienste der SPD zu würdigen, wärmt seine Rede die Herzen der Parteifreunde. Die lassen ein Thema jedoch erstaunlich beiseite: die Landtagswahl am 8. Oktober. Aber vielleicht wollen sich die Sozialdemokraten wegen der trüben Aussichten dabei einfach nicht die Stimmung vermiesen lassen.